Von: apa
Die Europäische Kommission hat am Mittwoch ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich eröffnet. Grund ist die Säumnis, seinen Entwurf für einen Nationalen Energie- und Klimaplan (NEKP) fristgerecht nach Brüssel zu senden, geht aus einem Verfahrensverzeichnis der EU-Kommission hervor. Der von Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) im Oktober übermittelte Entwurf war von Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) wieder zurückgezogen worden.
“Nun droht unserem Land tatsächlich eine empfindliche Strafe”, heißt es in einem Statement aus dem Klimaschutzministerium. Dies könne aber noch verhindert werden. “Wenn das Europaministerium seinen einseitig erhobenen Einwand zurückzieht, kann das Verfahren wieder eingestellt werden.” Bis es tatsächlich zu einer Strafe kommen könnte, wird aber noch einige Zeit vergehen. Das Verfahren hat mehrere Stufen, die über Monate gehen.
Österreich muss sich nun in einem ersten Schritt zu den Vorwürfen der Kommission äußern. Nach Ablauf der Frist gibt die Kommission eine mit Gründen versehene Stellungnahme ab, in der eine zweite Frist gesetzt wird. Ein Vertragsverletzungsverfahren wird eröffnet, wenn ein Mitgliedstaat sich nicht an EU-Rechtsvorschriften hält. In letzter Instanz kann die Kommission den Fall an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) weiterleiten.
Europaministerin Edtstadler hatte den Plan mit der Begründung zurückgezogen, dass er nicht der österreichischen Regierungsposition entspreche. Sie erklärte vergangene Woche in Brüssel, sie gehe davon aus, dass es demnächst Gespräche zum Inhalt geben werde, “damit es dann einen nationalen, mit allen akkordierten Plan gibt, den wir nach Brüssel schicken können”.
Das Klimaministerium widersprach dieser Darstellung. Der Entwurf des NEKP sei “unter Einbindung der betroffenen Ministerien erarbeitet” und später “durch das Europaministerium einseitig wieder zurückgezogen” worden, hieß es in einer Stellungnahme aus Gewesslers Ressort. “Die zentrale Frage bleibt aber: Wie kommen wir im Klimaschutz weiter voran, um die bestehende Lücke zum EU-Ziel zu schließen.”
“Es liegt immer in der Verantwortung des federführenden Ressorts Vertragsverletzungsverfahren abzuwenden, in diesem Fall das BMK. Das Bundeskanzleramt hat im Rahmen der EU-Koordination die gesetzliche Verantwortung sicherzustellen, dass bei nationalen Plänen wie dem NEKP, alle betroffenen Resorts zustimmen. Das ist in diesem Fall nicht passiert. Sobald die Klimaschutzministerin einen abgestimmten Plan vorlegt, kann dieser der Kommission vorgelegt werden”, unterstrich Edtstadler in einem Statement.
Dass die Europaministerin wie von Gewessler gefordert ihren Einwand zurückzieht, würde nach Ansicht des Innsbrucker Europarechtsexperten Walter Obwexer nicht ausreichen, um eine Einstellung des Vertragsverletzungsverfahrens zu erreichen. Österreich müsse dafür zeitnah zu Beginn des Jahres 2024 einen – unter Einhaltung des Bundesministeriengesetzes zwischen dem Klimaschutzministerium und den anderen betroffenen Ministerien im Einvernehmen erstellten – Entwurf der Kommission übermitteln, so Obwexer in einer Stellungnahme.
Die Kommission hatte am Montag ihre Bewertungen von 21 Nationalen Energie- und Klimaplänen veröffentlicht. Alle Mitgliedstaaten müssen bis 30. Juni 2024 ihre endgültigen, aktualisierten Pläne vorlegen und dabei die Empfehlungen und Einzelbewertungen der Kommission berücksichtigen. Die NEKPs skizzieren, wie die Mitgliedstaaten ihre Energie- und Klimaziele für 2030 erreichen wollen.
“ÖVP-Ministerin Edtstadler und Kanzler Nehammer provozieren ein katastrophales Debakel rund um den Klimafahrplan für Österreich. Die Bundes-ÖVP lässt seit Jahren keine Gelegenheit aus, Klima- und Umweltschutz in Österreich zu sabotieren, nun riskiert sie Strafzahlungen in Milliardenhöhe. Damit befeuern Edtstadler und Nehammer mutwillig die Klimakrise, die schon jetzt durch Extremwetter die Existenzen von Landwirt:innen bedroht, Menschen aus ihren Häusern vertreibt und unsere Gesundheit bedroht. Das einzig Richtige ist es, jetzt auf die Wissenschaft zu hören und die notwendigen Maßnahmen im NEKP zu verankern und fristgerecht einzureichen”, kommentierte Greenpeace-Sprecheri Lisa Panhuber.