Bozen – Sind sich Hausärzte und Patienten über ihre Rolle im Rahmen einer Visite einig? Welche Aspekte sind relevant? Wie gelingt ein Dialog auf Augenhöhe? Die Initiative mit dem Titel „12 Tipps für eine erfolgreiche ärztliche Visite“ des Südtiroler Instituts für Allgemeinmedizin und Public Health will den Bürger:innen nun Handreichungen mit Praxisbezug bieten. Damit soll die Qualität der Kommunikation zwischen Patienten und Ärzten verbessert werden.
„Der wichtige Eigenbeitrag von Patientinnen und Patienten für das Verständnis und das Finden von individualisierten Lösungen für Gesundheitsprobleme im Rahmen einer hausärztlichen Visite wird gerade von vielen Patientinnen und Patienten unterschätzt“, betont Dr. Adolf Engl, Präsident des Instituts für Allgemeinmedizin der Claudiana Bozen. „Mit den Plakaten und Faltprospekten unserer Initiative wollen wir die Bürgerinnen und Bürger mit sehr praktischen Hinweisen unterstützen: Sie sollen ihre Möglichkeiten ausschöpfen, um einen erfolgreichen und zielgerichteten Dialog zwischen ihnen und ihrer Hausärztin oder ihrem Hausarzt zu erreichen“, erklärt Dr. Engl.
„Die Beziehung zu unseren Patientinnen und Patienten ist das zentrale Instrument unserer Arbeit als Allgemeinmediziner. Ein gutes und vertrauensvolles Verhältnis zu unseren Patient:innen ermöglicht es uns, nicht nur deren Bedürfnisse und Erwartungen, sondern auch die Art und die Ursachen ihrer gesundheitlichen Beschwerden besser zu verstehen“, unterstreicht Dr. Giuliano Piccoliori, Wissenschaftlicher Leiter des Instituts für Allgemeinmedizin und Hausarzt in St. Christina in Gröden. „Gerade bei psychischen Problemen und bei sog. funktionellen Beschwerden, für die sich keine hinreichende organische Ursache finden lässt, kann eine helfende Beziehung, die der Patientin oder dem Patienten Verständnis entgegenbringt und Empathie vermittelt, selbst wie eine Therapie wirken. Auch daher bietet unser Institut im Rahmen des Spezialisierungskurses für Allgemeinmedizin Seminare zur Optimierung der Kommunikation zwischen Ärzten und Patienten an“, erläutert Dr. Piccoliori.
Zwölf Tipps für eine erfolgreiche ärztliche Visite
1. Grund für die Visite im Vorfeld festlegen
2. Sich überlegen, welche Fragen an den Arzt gestellt werden sollen
3. Medikamentenliste und Befunde mitbringen
4. Offen über Beschwerden, Ängste und psychosoziale Belastungen reden
5. Vermutungen und Behandlungsversuche mitteilen
6. Nachfragen, wenn etwas nicht verständlich ist
7. Informationen der Ärztin aufschreiben
8. Dem Arzt Zeit geben, damit er sich ein Bild vom Problem machen kann
9. Die Ärztin nach Tipps für einen gesunden Lebensstil fragen
10. Nach der Visite die Therapie befolgen
11. Geduldig bleiben. Linderung und Heilung brauchen Zeit
12. Den Arzt über den Verlauf der Therapie informieren
Die Plakate und Faltprospekte, die die oben angeführten Handlungsempfehlungen grafisch umsetzen, wurden vom Designer Hannes Pasqualini gestaltet. In den kommenden Wochen werden sie an Südtirols Hausärztinnen und Hausärzte verteilt werden. „Unsere zwölf Tipps sollen die Patientinnen und Patienten dazu animieren, ihre Ärztin oder ihren Arzt um Klärung zu bitten, wenn sie während des Gesprächs etwas nicht verstehen. Weiters sollen die Patientinnen und Patienten dazu angeregt werden, über eigene Vermutungen und bereits ausprobierte Behandlungen zu sprechen. Auch psychosoziale Belastungen und Stressquellen (Beruf, Familie, Partnerschaft) sollten im Rahmen einer Visite nicht außer Acht gelassen werden“, stellt Dr. Giuliano Piccoliori klar, der seit 25 Jahren als Hausarzt in Gröden tätig ist und die kommunikativen Hürden eines Arzt-Patienten-Gesprächs kennt.
Patientinnen und Patienten als Ressource
Die Sensibilisierungskampagne des Instituts fasst Rahmenbedingungen zusammen, die eine ArztPatienten-Interaktion auf Augenhöhe vorbereiten und gemeinsamen Entscheidungen entgegenkommen sollen. Patientinnen und Patienten stellen eine Ressource für eine erfolgreiche Visite dar. „Sie verfügen über jene Informationen, die für ihre persönliche Entscheidungsfindung wichtig sind – ihre Werte, Lebensumstände und Wünsche. Die Ärztinnen und Ärzte bleiben Expert:innen für alle medizinischen Belange. Wichtig ist dabei, dass die entscheidungsrelevanten Informationen auch wirklich ausgetauscht werden. Dazu braucht es noch mehr Patient:innen, die sich aktiv einbringen und ihre Gedanken, Sorgen, Fragen und Erwartungen offen mitteilen. Denn nur sie wissen, was ihnen wichtig ist“, bekräftigt Prof. Dr. Christian Wiedermann, Koordinator der Forschungsprojekte am Institut für Allgemeinmedizin und Public Health Bozen.
Die Studie hinter den zwölf Tipps
Die Tipps fußen auf einer multimethodischen Untersuchung zur Qualität der Kommunikation zwischen Patienten und Allgemeinmedizinern. 2018 wurde diese Studie von der Freien Universität Bozen und der Südtiroler Akademie für Allgemeinmedizin SAKAM (weitergeführt vom Institut für Allgemeinmedizin) in Zusammenarbeit mit dem Bozner Institut für Sozialforschung und Demoskopie „apollis“ durchgeführt. „Für die Umfrage wurden 506 Patientinnen und Pateinten sowie 109 Hausärztinnen und Hausärzte befragt, 26 Tiefeninterviews ergänzten die Untersuchung“, erklärt Dr. Barbara Plagg, Humanbiologin am Institut für Allgemeinmedizin und Lehrbeauftragte an der Universität Bozen. „Die Umfrage kam zum Schluss, dass die für eine erfolgreiche Visite wichtigen Aspekte – etwa Gesundheitskompetenz, Eigenbeitrag, Selbstinformation und Offenheit – von Medizinerinnen und Medizinern anders eingeschätzt werden als von ihren Patientinnen und Patienten. Vor allem Patientinnen und Patienten hatten laut Umfrage die Wichtigkeit ihres Eigenbeitrags unterschätzt. Bedarfsgerecht aufbereitete Informationen können Patientinnen und Patienten Strategien zur Mithilfe in der hausärztlichen Konsultation aufzeigen“, so Dr. Plagg.
„Gerade im Lichte der Corona-Pandemie kann der Untersuchung, die den zwölf Tipps zugrunde liegt, eine große Bedeutung beigemessen werden“, betont Prof. Dr. Walter Lorenz, Sozialwissenschaftler an der Freien Universität Bozen und Mitglied der Forschungsgruppe. „Wenn angesichts der massiven Bedrohung der öffentlichen Gesundheit durch das Coronavirus einerseits bisher unvorstellbare Kontrollmaßnahmen – auf der Grundlage von Expertengutachten – notwendig wurden, die die Freiheit der Bevölkerung erheblich einschränkten, und andererseits große Teile der Bevölkerung sich ihre eigene Meinung bildeten, oft auf der Grundlage von in den sozialen Netzwerken kursierenden Theorien, bedeutet das, dass das Zusammenspiel von medizinischen Experten und aktuellen oder potentiellen Patienten nicht optimal funktioniert“, analysiert Prof. Lorenz. „Unsere Studie weist auf, dass zwischen Medizinern und Patienten unterschiedliche Rollenerwartungen existieren. Effektive Therapien beruhen auf der mündigen Teilnahme der Patientinnen und Patienten am ganzen Prozess: von der Beachtung aller für die Diagnose relevanten Informationen bis zum umfassenden Verständnis und der Einhaltung der gemeinsam vereinbarten Heilmethoden“, erläutert Prof. Walter Lorenz.
Von: mk
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17 Kommentare auf "Zwölf Tipps für eine erfolgreiche ärztliche Visite"
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Das wichtigste wäre genügend kompetente Ärzte zu haben, damit die auch Zeit für ihre Patienten haben. Dann sollte dieser Arzt der deutschen Sprache mächtig sein, sonst kann man diese Tipps gleich in die Tonne schmeisen…
Der Arzt meiner Oma in Passeiertal (!) kann kein Wort deutsch…
noa muschise holt begleitn!! obo wie mir scheint, kimp italienisch für di jo ah net in Froge
Na ja, geht ja noch… Ich kenne ne russischsprachige Ärztin im Ahrntal, da wirds anscheinend noch lustiger.
Ist jetzt Richtung Meran oder Vinschgau… Viel Spaß noch..! Grins
@N.G.
Meine russische Hausärztin Natalia in Schlanders vielleicht etwa?🤔
Sie ist erst seit Mitte Mai dort in der Praxis da ihr Vorgänger das Pensionsalter erreicht hat.☺️
@N.G.
Jedenfalls scheint sie mir recht kompetent zu sein und spricht fliessend italienisch!👍🏻😉
Wie wäre es mit 12 Tipps, wie der Ärztemangel behoben wird. 🤔
Haben wir nicht! Wir haben zu viele Patienten die nichts haben aber glauben jemanden zu brauchen!
I glab man hot Zeit genua sich zu überlegen, wos man sog, bei de longen Wartezeiten.
Isch jo nimmer normal.
…zuerst musst mal einen Termin bekommen…viel Glück!…
😅
Schön u.gut.Aber erst mal muß man einen Termin bekommen,das,wie letzthin in vielen Gemeinden, schon fast eine Unmöglichkeit ist,da zwischen Urlaube,Unterbesetzungen,Krankheit(ja,auch Ärtzte werden krank) und auch Auswahlkriterien aus dem Sekretariat(Sympathie,reine Willkür) eine Rolle spielen.
Zudem,was die Zeit betrifft(migeteilt von einer Artzt Sekretärin) Zitat: Der Herr Doktor hat genau 15 min. pro Patient-keinesfalls mehr,wo kämen wir da hin…..Zitat Ende.
Das sagt eigentlich alles….Es geht schon lange nicht mehr um den Patienten….ausser man geht privat und das ist es wohin sie uns bringen wollen….inzwischen einfach alles schön reden.
Die meisten Hausärzte nehmen einen ja nicht ernst,hauptsache viele Patienten haben und kassieren
Die sollten mal aufwachen nicht immer nur träumen.
Dieser Komentar ist gut u. Recht , nur schaut die Realität anders aus ! Die Ärzte sind überfordert mit Bürokratie u. Patienten u. ihnen bleibt nicht mehr die nötige Zeit ,auf Gesprächer länger u. genauer einzugehen. Bei den Vorgaben , die sie haben ist es nicht verwunderlich , wieso so wenige Ärtze soch um so eine Stelle sich noch bewerben ! Man soll sich mal fragen , wieso so viele Mediziener in die Nachbarsländer wechseln , wo sie die bessere Bezahlung u. Bedingungen u.vor allem bessere Wertschätzung haben !!!!
Jeder Mensch hat einen wunderbaren Begleiter. Das ist der Arzt in einem selbst. Dieser innere Leibarzt hat nur einen Patienten zu betreuen, den er noch dazu in- und auswändig kennt und dem er so bei vielen gesundheitlichen Problem sofort und unentgeltlich helfen kann. Wer auf seinen inneren Leibarzt hört und mit ihm zusammenarbeitet, kann sich somanchen Arztbesuch ersparen. Manche schaffen es sogar lebenslang. Leider weiß St. Bürokratius das immer mehr zu verhindern.
genau da gebe ich dir vollkommen Recht. es heißt ja der Patient ist der Arzt, der Arzt ist sein Gehilfe
Jetzt ist es endlich an der Zeit das Politik und Sanitätseinheit die äußerst prekäre Situation südtirolweit bereinigen. Wenn ich mir aber die Verantwortlichen dafür in Politik und Sanitätseinheit ansehe dann habe ich keinen geringen Zweifel mehr dass sich die Situation noch weiter verschlechtern wird.
Kann dazu nur sagen dass Hr. Dr. Engl fast 40 Jahre aufgrund der Tipps als Arzt für Allgemeinmedizin in Brixen tätig war und ich ihn wirklich sehr gerne als Arzt hatte.
Er war der einzige der mich mit meinen Problemen richtig ernst genommen hat.
Frei nach dem Spruch:
Der Patient ist der Arzt, der Arzt sein Helfer.
Er fehlt mir sehr als Arzt, als Person die sich meine Probleme einfach anhört, mit der ich Lösungsvorschläge suchen kann.
Danke Hr. Dr. Engl