Mascalucia – Einen Tag nach dem schrecklichen Mord an der fünfjährigen Elena Del Pozzo, der ganz Italien erschüttert, kamen die wahrscheinlichen Gründe, die diese Tragödie ausgelöst hatten, ans Licht.
Experten glauben, dass die Bluttat, die sich eigentlich keiner erklären kann, von der Depression und den Psychosen, an denen die 24-jährige Martina Patti leidet, sowie vom ständigen Streit mit der Familie ihres Partners verursacht worden sei. Eine große Rolle dürfte insbesondere die Eifersucht auf die neue Freundin des Vaters von Elena gespielt haben, die Auslöser eines sogenannten Medea-Syndroms gewesen sein könnte.
„Ich kann mich nicht daran erinnern, was mir durch den Kopf ging, als ich auf meine Tochter einstach. Ich kann sogar sagen, dass mir kein einziger Gedanke durch den Kopf ging. Es war, als ob ich in diesem Moment ein anderer Mensch gewesen wäre. Ich kann mich nur an das Messer erinnern und sonst an nichts anderes. Ich war nicht ich selbst, das war ich nicht“, so die 24-jährige Martina Vanessa Patti während ihres Geständnisses gegenüber den Carabinieri.
Nach dem Mord vergrub sie die kleine Leiche von Elena Del Pozzo auf einem Feld hinter dem Haus. Später erstattete die junge Frau Anzeige bei den Carabinieri und berichtete ihnen, dass drei maskierte Männer am Tor des Kindergartens ihre kleine Tochter entführt hätten. Die Carabinieri hegten aber von Anfang an große Zweifel an ihrer Aussage. Nach einem langen Verhör gestand Martina Patti den Mord an ihrer Tochter und führte die Beamten zu jener Stelle, an der sie ihre sterblichen Überreste vergraben hatte.
Der Mord an der fünfjährigen Elena Del Pozzo erschüttert ganz Italien. Viele Italiener fragen sich, was die junge Mutter dazu veranlasst hatte, diese schreckliche Tat zu begehen. Mögliche Antworten finden sich in ihrem familiären Umfeld.
Nachdem sie einen anderen Mann kennengelernt hatte, beendete Martina Patti, die einen Abschluss in Sportwissenschaften besitzt und Krankenpflege studiert, die Beziehung zum Vater der kleinen Elena. Daraufhin zog der Vater des Opfers, der 25-jährige Zahntechniker Alessandro Nicodemo Del Pozzo, zurück zu seinen Eltern und wanderte später nach Deutschland aus. Dort lernte er eine neue Frau kennen, mit der er eine Beziehung einging. Den Ermittlern zufolge war es genau die Beziehung zwischen Alessandros neuer Freundin und Elena, die in Martina Patti, die als psychisch fragil gilt, den pathologischen Drang zum Mord ausgelöst hätte.
Laut der Staatsanwaltschaft habe Martina Patti nicht akzeptiert, dass das Kind auch an dieser Frau hing. „Ich habe immer gesagt, dass sie für mich verrückt, seltsam und distanziert ist. Ich habe ihr sogar beim Studium geholfen und ihr angeboten, meine Diplomarbeit als Modell für die ihre zu nehmen. Aber sie hat mich und meine Mutter gehasst. Sie hat alles gehasst, was ich getan habe. Sie ist neidisch gewesen“, erzählt die Schwester von Alessandro.
Der endgültige Auslöser könnte jener Abend gewesen sein, den Elena mit ihren Großeltern väterlicherseits verbrachte. Vor allem die Freude des kleinen Mädchens, die Frau zu sehen, die ihre Stiefmutter hätte werden können, schmerzte die Mutter sehr. Martina Patti war mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit grenzenlos eifersüchtig auf diese Frau, die in ihren Augen danach trachtete, ihr die Tochter „wegzunehmen“ und sie in ihrer Mutterrolle zu ersetzen.
Elenas Schicksal schien besiegelt. In der Nacht vor ihrer Ermordung schlief das Mädchen bei ihren Großeltern. Am nächsten Morgen brachte ihre Tante sie in den Kindergarten. Ihre Mutter holte sie gegen 13.30 Uhr ab und fuhr mit ihr nach Hause nach Mascalucia. Am frühen Nachmittag kam es zur schrecklichen Tat.
„Es ist das erste Mal gewesen, dass ich das Kind zu diesem Feld mitgenommen habe. Ich habe das Bild des Messers im Kopf, aber ich weiß nicht mehr, woher ich es genommen habe. Ich kann mich nicht daran erinnern, dem Kind wehgetan zu haben, ich weiß nur, dass ich viel geweint habe“, so Auszüge aus dem Verhör, die vom Corriere della Sera veröffentlicht wurden. Die Carabinieri und die Staatsanwaltschaft vermuten, dass Elena im Haus ermordet wurde.
Es folgte die inszenierte Entführung, die sie mit einigen Drohungen in Verbindung brachte, die Alessandro erhalten hatte. Alessandro Del Pozzo war im Jahr 2020 wegen eines Raubüberfalls verhaftet, aber später freigesprochen worden, weil er die Tat nicht begangen hatte. Im Verhör brach Martina Patti zusammen. Die Carabinieri teilten später mit, dass sie über das Motiv nichts gesagt habe. Als ob ihr nicht bewusst sei, was sie getan hatte, so die Beamten.
Der emeritierte Direktor der Abteilung für Neurowissenschaften am Institut „Fatebenefratelli-Sacco“ von Mailand, Claudio Mencacci, erklärt gegenüber dem Corriere della Sera, dass die Frau möglicherweise aufgrund eines sogenannten „Medea-Komplexes“ gehandelt habe. Es handelt sich dabei um einen mörderischen Impuls, der dem pathologischen Drang der Mutter entspringt, sich am Vater des Kindes zu rächen.
„Ich würde von einem unvorhergesehenen Vorsatz sprechen. Nun muss geklärt werden, ob die Frau an einer Borderline-Persönlichkeitsstörung leidet. Nicht zuletzt aufgrund der Aussagen der Angehörigen können wir aber davon ausgehen, dass verbunden mit starken emotionalen Spannungen eine Art Gewohnheit, ihre Tochter zu misshandeln, vorhanden gewesen sei“, erläutert Claudio Mencacci. Andere Experten fügen hinzu, dass die Mutterschaft die junge Frau überfordert habe.
Mit Entsetzen reagieren die Italiener auf den Mord an Elena Del Pozzo, die nur fünf Jahre alt werden durfte. Erschütternd ist auch die Gewissheit, dass in den letzten zwei Jahrzehnten in Italien 480 Kinder durch ihren Vater oder ihre Mutter ihr Leben verloren haben.
Von: ka