"Erreichtes darf nicht als selbstverständlich angesehen werden"

Autonomie-Feier in Meran – Edtstadler betont “Herzensangelegenheit”

Dienstag, 06. September 2022 | 01:15 Uhr

Meran – Im Kursaal in Meran hat Montagabend ein Festakt zur Südtirol-Autonomie stattgefunden, zu dem die Landesregierung geladen hatte. Traditionell wird der 5. September in Südtirol als “Tag der Autonomie” begangen. Das “Zweite Autonomiestatut” war vor 50 Jahren in Kraft getreten. Die ebenfalls anwesende Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) betonte dabei, dass Südtirol für Österreich eine “Herzensangelegenheit” sei und bleibe.

Edtstadler wies zudem auf das gute Verhältnis zwischen Österreich und Italien hin und lobte den Geist des Dialogs, der zur Autonomie geführt habe. Sie mahnte, dass man aber nicht vergessen dürfe, “der Weg war schwierig, lang und leidvoll”. Man dürfe das Erreichte nicht als selbstverständlich ansehen. Südtirol bezeichnete Edtstadler als “Beispiel der europäischen Integration”. Die Autonomie sei wie eine Straße, die immer wieder an bestimmten Stellen ausgebessert werden müsse. Dies gelte auch für Europa.

Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP) betonte in seiner Festrede, dass es durch die Autonomie zu einem friedlichen Zusammenleben, aber auch zu einem wirtschaftlichen Aufschwung gekommen sei. Er unterstrich dabei, dass die Autonomie Italien keinen Cent koste. Südtirol sei vielmehr einer der wenigen Nettozahler unter den Regionen Italiens.

Die Autonomie sei auch in den vergangenen Jahren immer wieder angepasst worden. Sie sei, so zeigte sich der Landeshauptmann überzeugt, das richtige Instrument, um auch den Herausforderungen der heutigen Zeit zu begegnen. Er wies aber auch darauf hin, dass seit der Verfassungsreform des Staates von 2001 sowie mit Urteilen des Verfassungsgerichtshofes die Autonomie teilweise ausgehöhlt worden sei. Kompatscher zeigte sich gleichzeitig davon überzeugt, dass die Probleme gelöst werden könnten.

Auch der italienische Finanzminister Daniel Franco lobte das freundschaftliche Verhältnis zu Österreich. Er bezeichnete den Minderheitenschutz und die Autonomien als “Säulen der italienischen Verfassung” und zeigte sich davon überzeugt, dass die anstehenden Themen erfolgreich ausgeräumt werden können. Franco verwies auch auf den Brennerbasistunnel BBT. Die italienische Regierung setze auf die Schiene. Immerhin laufe ein Viertel des alpenquerenden Transits durch das Gebiet der Europaregion.

Als Ehrengäste anwesend waren auch Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP), sein Amtskollege aus dem Trentino, Maurizio Fugatti, der frühere italienische Ministerpräsident und ehemalige EU-Kommissionspräsident Romano Prodi, Ex-EU-Kommissar Franz Fischler, der italienische Verkehrsminister Enrico Giovannini, der österreichische Konsul in Mailand, Clemens Mantl, sowie Südtirols Altlandeshauptmann Luis Durnwalder (SVP).

Das österreichische Außenministerium würdigte den Anlass seinerseits mit einem Tweet: “Heute werden in Meran 50 Jahre 2. Südtirol-Autonomiestatut gefeiert, ein Meilenstein in der Geschichte Südtirols und für die Freundschaft zw. Österreich und Italien. Es ist wichtig, diese Erfolgsgeschichte gemeinsam weiterzuschreiben und den Erfordernissen der Zeit anzupassen!”

Ursprünglich hätten der italienische Ministerpräsident Mario Draghi und Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) bei der Feier anwesend sein sollen. Beide sagten aber laut Land Südtirol “aufgrund der aktuellen politischen Entwicklungen in Italien und Österreich” ab. Die Regierung Draghi war im Juli gestürzt worden, seitdem ist der Regierungschef bis zur Bildung einer neuen Regierung nach den vorgezogenen Parlamentswahlen am 25. September geschäftsführend im Amt.

FPÖ-Südtirolersprecher Peter Wurm kritisierte indes das Fernbleiben Nehammers und anderer ÖVP-Größen wie Außenminister Alexander Schallenberg – und auch jenes von Bundespräsident Alexander Van der Bellen. “Die ÖVP pfeift auf die Schutzmachtfunktion Österreichs gegenüber Südtirol”, meinte Wurm in einer Aussendung seiner Partei. Es sei “politisch nicht nur fahrlässig, sondern geradezu unverantwortlich, in Zeiten, in denen die Südtiroler Autonomie derart bedrängt wird, nicht für die Interessen der Südtiroler Flagge zu zeigen.”

Die Oppositionspartei “Süd-Tiroler Freiheit” sprach angesichts des Jubiläums von einem “desolaten Zustand der Autonomie” und kritisierte Kompatscher. Angesichts der Absagen Draghis und Nehammers sprach man von “Desinteresse” an Südtirol.

Südtirol war zwar in den Friedensverträgen 1946 im Rahmen des sogenannten “Pariser Vertrages” eine Autonomie zugestanden worden. Der Vertrag zwischen den damaligen Außenministern, Karl Gruber und Alcide DeGasperi, umfasste aber nur wenige Zeilen. Zur Umsetzung entbrannte ein jahrelanger Streit. Ein erstes Autonomiestatut band Südtirol an das Trentino. Die deutschsprachige Bevölkerung war in der Region immer noch in der Minderheit. Erst nach der Parole “Los von Trient”, Interventionen der Schutzmacht Österreich sowie Sprengstoffanschlägen auf Strommasten und faschistische Denkmäler folgten neue Verhandlungen. Diese führten schließlich zum “Zweiten Autonomiestatut”, das am 20. Jänner 1972 in Kraft trat.

Erst darin wurden die beiden Autonomen Provinzen Bozen und Trient ins Leben gerufen, die über die Region nur noch lose miteinander verbunden sind. Beide Provinzen haben in zahlreichen Bereichen eigene Gesetzgebungskompetenz.

Von: apa

Bezirk: Bozen