US-Präsident Joe Biden hat in seiner Rede zur Lage der Nation die Republikaner attackiert und seine politischen Gegner gleichzeitig zur Zusammenarbeit zum Wohle des Landes aufgerufen. “Ich denke, die Menschen haben uns eine klare Botschaft gesendet: Kämpfe um der Kämpfe willen, Macht um der Macht willen, Konflikte um der Konflikte willen bringen uns nicht weiter”, sagte der Demokrat am Dienstagabend (Ortszeit) vor den beiden Kongresskammern in Washington.
Es gebe keinen Grund, bei wichtigen Themen keinen gemeinsamen Nenner zu finden. Der 80-Jährige gab sich dabei kämpferisch und forderte seine Gegner heraus. Die selbstbewusste Ansprache wirkte wie der Wahlkampfauftakt für eine zweite Amtszeit als US-Präsident.
Biden konzentrierte sich vor allem auf Themen, die vielen Amerikanern unter den Nägeln brennen dürften: Wirtschaft, Inflation, Arbeitsmarkt. Er machte deutlich, trotz einer von den EU-Staaten befürchteten Abschirmung der US-Wirtschaft weiter auf das Prinzip “Made in America” setzen zu wollen. Außenpolitik spielte in der Rede fast keine Rolle. Allerdings richtete Biden nach dem Abschuss eines mutmaßlich zu Spionagezwecken genutzten chinesischen Überwachungsballons eine Warnung an Peking: “Wenn China unsere Souveränität bedroht, werden wir handeln, um unser Land zu schützen, und das haben wir getan.”
Es war Bidens erste Rede zur Lage der Nation vor einem Kongress, in dem seine Demokraten nicht mehr in beiden Kammern eine Mehrheit haben. Bei den Zwischenwahlen im November hatten die Republikaner eine knappe Mehrheit im Repräsentantenhaus errungen. Im vergangenen Jahr wurde Bidens Ansprache vom Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine überschattet. Auch dieses Mal versprach der Demokrat Kiew langfristige Unterstützung. Das Thema nahm aber weniger Raum ein als noch im Vorjahr.
Die neuen Mehrheitsverhältnisse machen es für Bidens Regierung noch schwieriger, Gesetzesvorhaben umzusetzen. Teile beider Parteien stehen sich hasserfüllt gegenüber, Hardliner bei den Republikanern setzen auf Blockade und schließen eine Zusammenarbeit mit den Demokraten aus. Biden begann seine Ansprache mit einem Seitenhieb auf den neuen republikanischen Vorsitzenden des Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy: “Ich möchte Ihren Ruf nicht ruinieren, aber ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Ihnen.”
Biden habe sich als “Elder Statesman” präsentiert, der in der Lage sei, über die Parteigrenzen hinweg zu arbeiten, urteilte die “Washington Post” am Mittwoch. Gleichzeitig sei er als “gewiefter Politiker mit festen Überzeugungen” aufgetreten. Nach einem “wackligen Start” habe Bidens Rede an Schwung gewonnen, schrieb die “New York Times”. “Tatsächlich nutzte er die größte Bühne seiner Präsidentschaft als Gelegenheit, um seine Vision, seine Bilanz und seine Agenda für die Wahlen 2024 zu verkaufen.”
Biden gelang es in seiner Rede, den politischen Gegner zu provozieren – besonders beim Thema Sozial- und Krankenversicherung. Seine Behauptung, einige Republikaner wollten die gerade bei vielen älteren Amerikanern beliebten Leistungen auslaufen lassen, erntete wütende Zwischenrufe. Die rechte Republikanerin Marjorie Taylor Greene schrie und nannte Biden einen “Lügner”. Der Präsident schien, den Moment zu genießen und erklärte: “Wir scheinen uns alle einig zu sein, dann lassen Sie uns alle für Senioren aufstehen und ihnen zeigen, dass wir die Sozial- und Krankenversicherung nicht kürzen wollen.”
Beim wichtigen Thema Schuldenobergrenze ging der Präsident die Republikaner hart an, denn einige von ihnen sperren sich gegen eine Erhöhung. In den USA definiert der Kongress eine Schuldenobergrenze und bestimmt damit, wie viel Geld sich der Staat leihen darf. Wird diese Grenze nicht bald erhöht, könnte es zu einem Zahlungsausfall der USA kommen – mit unkalkulierbaren Folgen für die Weltwirtschaft. “Einige meiner republikanischen Freunde wollen die Wirtschaft als Geisel nehmen – es sei denn, ich stimme ihren Wirtschaftsplänen zu”, sagte Biden. Kürzungen bei Sozialprogrammen seien mit ihm aber nicht zu machen.
Bisher hat Biden seine Kandidatur für eine zweite Amtszeit nicht öffentlich erklärt – nur eine allgemeine Absicht. Der Präsident hatte einen endgültigen Beschluss für den Beginn dieses Jahres in Aussicht gestellt. Den Demokraten belastet allerdings eine Affäre um den Fund geheimer Unterlagen aus früheren Regierungsjahren in seinen Privaträumen – ein Sonderermittler untersucht den Fall. Für die Republikaner hat bisher nur sein Vorgänger Donald Trump offiziell seine Kandidatur erklärt. Der 76-Jährige kommentierte die Rede live und sparte nicht mit Kritik an Biden und den Demokraten.
Die Replik der Republikaner auf Bidens Ansprache kam von Sarah Huckabee Sanders, der früheren Regierungssprecherin Trumps. “Die Schwäche von Präsident Biden gefährdet unsere Nation und die Welt”, sagte die 40-Jährige, die inzwischen Gouverneurin des Bundesstaates Arkansas ist – und die jüngste Gouverneurin überhaupt in den USA. Biden wiederum ist der älteste Präsident in der US-Geschichte.
Von: APA/dpa
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11 Kommentare auf "Biden priorisiert in Rede zur Lage der Nation US-Wirtschaft"
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Wenn Herr Biden alles, aber auch alles was in seinem Land ansprechen möchte was schief läuft, könnte die Rede tagelang dauern. Diese Probleme dann zu lösen, bedürfte es vieler schlauer Leute und viele Jahrzehnte der Vernunft!
Wie in Italien also
@ebbi Ganz genau!
@ebbi In Italien ist man bei so einer Rede bereits wieder abgelöst worden, bevor man die Rede beendet hat.
Europa wird angesichts der globalen Probleme viel enger zusammendrücken müssen, um die auf uns zukommenden Herausforderungen bewältigen zu können. Wir hatten gerade viel Glück, dass Biden während der Ukrainekrise Präsident ist. Nicht auszumalen, wie wir unter Trump angesichts des russischen Feldzuges gegen die westlichen Demokratien dastünden! Noch mal Glück gehabt. Wir können uns aber nicht dauernd auf den Ausgang der US Wahlen stützen, sondern müssen vermehrt auf eigenen Beinen stehen. Alles Andere wäre russisches Roulette im wahrsten Sinne des Wortes.
Aber dann gibt’s immer wieder diejenigen, die der EU alles mögliche vorwerfen, bis hin zur Diktatur. Aber geeint klappt nunmal nur, wenn man auch nach außen hin EINEN Vertreter hat und nicht viele.
Sie mag nicht perfekt sein und es ist noch viel Arbeit notwendig, aber sie ist nunmal das beste Werkzeug, das wir hierfür haben.
@Neumi: ja, so ist es! Diejenigen, die immer gegen die EU wettern, haben leider keine sinnvollen Alternativen und möchten die Welt so, wie sie vor Jahrzehnten war. Dabei wird vergessen, dass sie sich in der Zwischenzeit nicht nur vielmals um die eigene Achse gedreht hat, sondern dass der Rest der Welt sich weiterentwickelt hat und die Herausforderungen nun ganz andere sind.
Europa wirft Deutschland zu hohe Investitionen in ihre Wirtschaft und damit Wettbewerbverzerrung vor . Die USA tut das selbe im weltweiten Maßstab.
Die Länder befinden sich im wirtschaftlichen Krieg der zur Zeit eskaliert. Was wird dann da eigentlich China vorgeworfen? Wirtschaftlich tun sie nur das, was alle tun.
Gemeinsame westliche Werte? Wenn das gleichbedeutend mit wirtschaftlichem bekriegen ist…..!
Bin gespannt, welches Mini Freihandelsabkommen Habek für “Grundprodukte” mit den USA aushandeln kann… Grins
PS: Hab Schuhe in den USA bestellt, 35% Tax drauf… Wirds bald noch mehr… Grins
N.G. der selbsternannte Grüne war “Regional ” m Internet shoppen. Ich krieg das kotzen.
Der Westen verteidigt in der Ukraine seine gemeinsamen Werte. Ausser Freiheit ist da nicht viel … Das ist auch gut so aber beim Geld, kennen unsere “Freunde” ganz im Westen niemanden mehr. Selbst durch den Krieg verdienen sie am mittleren Westen (Europa) tüchtig mit und jetzt hat Herr Biden sich Trumps America First zu eigen gemacht. Da wird sich Trump im Wahlkampf tüchtig anstrengen müssen um seinen Wählern mehr zu bieten aber dem bleibt ja noch die unvollendete Mauer im Süden.
Der Grünen-Politiker Habeck echauffiert sich dass die USA doch nicht so viel für Klimaschutz machen sollten. Tja ..dann sollte der Herr Mal schleunigst ebenso ein ähnliches Paket schnüren , im Einklang mit internationalem Recht natürlich und nicht nur von Lobbyverbänden treiben lassen.