Lange wurde darüber debattiert – nun ist das Zeitalter der Stromproduktion aus Atomkraft in Deutschland beendet. Die letzten drei Kernkraftwerke wurden am Samstag abgeschaltet. Als erstes wurde nach Angaben der Betreiber im niedersächsischen Meiler Emsland am Samstagabend um 22.37 Uhr die Verbindung zum Netz getrennt. Es folgten das bayrische Isar 2 um 23.52 Uhr und als letztes das baden-württembergische Neckarwestheim 2 um 23.59 Uhr. Doch die Debatte geht weiter.
Die Befürworter der Atomkraft beharren hartnäckig auf der Hochrisikotechnologie – allen voran die Union. So verlangte der wahlkämpfende bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) in der “Bild am Sonntag”, das Atomgesetz noch einmal zu ändern und den Bundesländern die Zuständigkeit zu geben, damit Bayern den abgeschalteten Meiler in eigener Regie betreiben kann. Dies gilt allerdings als politisch ausgeschlossen, was Söder wissen dürfte.
Das deutsche Bundesamt für die Sicherheit nuklearer Entsorgung (BASE) klassifizierte den Vorschlag denn auch als unzuverlässig. “Die heutigen Forderungen des Bayerischen Ministerpräsidenten unterstreichen, wie wichtig es ist, dass die politische Verantwortung für die nukleare Sicherheit in Deutschland bei der Bundesregierung liegt”, sagte Präsident Wolfram König der Deutschen Presse-Agentur. “Bundestag und alle Bundesländer einschließlich Bayern haben sich nicht nur auf den Ausstieg aus der Kernenergie verständigt, sondern auch die Endlagersuche nach wissenschaftlichen Kriterien auf den Weg gebracht.” Der geforderte Sonderweg Bayerns widerspreche geltendem Recht und gefährde die Endlagersuche.
Selbst unter den Energiekonzernen scheint das Interesse an einem künftigen Weiterbetrieb begrenzt zu sein. “Das Kapitel ist nun abgeschlossen”, sagte der Chef des AKW-Emsland-Betreibers RWE, Markus Krebber, in einer Mitteilung. “Jetzt kommt es darauf an, die ganze Kraft dafür einzusetzen, neben Erneuerbaren Energien auch den Bau von wasserstofffähigen Gaskraftwerken möglichst schnell voranzutreiben, damit die Versorgungssicherheit gewährleistet bleibt, wenn Deutschland 2030 idealerweise auch aus der Kohle aussteigen will.”
Die mitregierende FDP, die bis zuletzt für einen Reservebetrieb geworben hatte, brachte nun die Kernfusion als mögliche Energiequelle ins Spiel. Diese ist bisher nur eine Idee, aber wäre mit nur wenig Radioaktivität verbunden und ohne das Risiko einer Kettenreaktion. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai riet im dpa-Gespräch, die Forschung dazu auszuweiten.
Auch die oppositionelle Union plädierte dafür. Das setze jedoch eine Änderung des Atomgesetzes voraus, sagte ihr Parlamentsgeschäftsführer Thorsten Frei (CDU) der Düsseldorfer “Rheinischen Post” (Montag). “Ich zweifle an der Klugheit der Ampel, dies tatsächlich zu tun.”
Vor gut 62 Jahren war Deutschlands erstes Atomkraftwerk im unterfränkischen Kahl in den kommerziellen Betrieb gegangen. Nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima im Jahr 2011 setzte die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) den endgültigen Ausstieg aus der Technologie in Deutschland durch: Die drei letzten AKW hätten Ende vergangenen Jahres vom Netz gehen sollen. Wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine entschied die Ampel-Koalition von Merkels Nachfolger Olaf Scholz (SPD) nach wochenlanger Diskussion im Herbst jedoch, die Meiler über den Winter bis Mitte April weiterlaufen zu lassen.
Mit dem Ausstieg beginnt nun eine neue Energie-Zeitrechnung: Kernkraftgegner feierten den historischen Schritt am Samstag mit Festen in Berlin und anderswo. Mehrere Hundert Menschen kamen zu einem “Abschaltfest” nach Neckarwestheim und auch in München veranstalteten der Bund Naturschutz und Greenpeace ein “Atomausstiegsfest”. In der niedersächsischen AKW-Stadt Lingen demonstrierten Hunderte Atomkraftgegner gegen die dortige ebenfalls ansässige Brennelementefabrik ANF, die zum französischen Framatome-Konzern gehört, und forderten auch deren Schließung.
Doch das Atom-Thema ist mit dem Ausstieg noch lange nicht beendet. Zunächst müssen die Meiler zurückgebaut werden. Der baden-württembergische Betreiber EnBW hat den Ablauf erklärt, der für alle drei Meiler ähnlich ist: Wenn mit dem Abbau begonnen werden kann, sollen zuerst die 193 Brennelemente aus dem Reaktordruckbehälter entfernt und in das benachbarte Lagerbecken überführt werden. Mit der Zeit werden dann etwa die nuklearen Systeme dekontaminiert, Hauptkühlmittelleitungen demontiert und Einbauten des Reaktordruckbehälters zerlegt. Alles in allem soll der nukleare Rückbau in 10 bis 15 Jahren abgeschlossen sein. Dann stehen aber beispielsweise noch Gebäude auf dem Gelände.
Offen bleibt auch die Herkules-Aufgabe der radioaktiven Abfälle. “Mit der Abschaltung der letzten AKW ist unsere Arbeit noch lange nicht beendet”, sagte die deutsche Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne). “Wir haben etwa drei Generationen lang Atomkraft genutzt in unserem Land und dabei Abfälle produziert, die noch für 30.000 Generationen gefährlich bleiben.” 2017 war die Suche nach einem zentralen Atommüll-Endlager neu gestartet worden – ein Ergebnis gibt es noch nicht so bald.
Von: APA/dpa
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16 Kommentare auf "Deutschlands letzte AKW abgeschaltet – Doch Debatte bleibt"
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in Deutschland gehen die Lichter aus, zum x-ten Mal nach 1914. Armes Deutschland, du minderes Volk.
@Savonarola: Deutschland musste 2022 dem atomophilen Frankreich ordentlich Strom exportieren, weil zeitweise knapp die Hälfte der AKWs dort entweder defekt waren oder gewartet werden mussten. Andere wurden wegen der niedrigen Wasserstände zurückgefahren. Bin gespannt wo eher die Lichter ausgehen! Abgesehen davon: Selbst Frankreich steigt allmählich aus Atomstrom aus, auch wenn Macron anderes berichtet: in den nächsten 20 Jahren werden 6 neue AKWs gebaut, es müssten aber wenigstens 6 mal soviele sein, um die Laufenden rechtzeitig zu ersetzen, bevor diese aus Altersgründen vom Netz müssen.
@Selbstbewertung: Deutschland importiert auch jetzt noch Atomstrom aus Frankreich,,,,huch echt jetzt? Gegen Atomstrom sein aber vom Nachbarland importieren – kann man natürlich auch…..
@Nathanbosemann: Deutschland hat 2022 um ca 5 Terawattstunden mehr Strom nach Frankreich exportiert als von von dort importiert (s. Angaben des statistischen Bundesamtes). Also mal sehen, wo eher die Lichter ausgehen!
@Nat……
Ich wusste schon länger , daß du über Dinge schreibst von denen du wenig Ahnung hast.
Aber das mit Atomstrom aus Frankreich ist schon recht peinlich !
Bist halt auch nur ein bemittleiderswerter Hetzer.
@Suedtirolfan: mein Beileid für deine nicht vorhandene Weisheit! Aber du bist eh einer dieser SN Besserwisser. Also setz dein Minuszeichen wo du willst und überlesen meine Meinung.
@Nathanbosemann
Das ist einfach bösartig gelogen!
Deutschland schafft sich ab…..langsam Schritt für Schritt….
Würde es eher so beschreiben: Deutschland investiert wieder konsequenter in Zukunftstechnologien und tut das, was es immer schon gut konnte: Innovation. Nebenbei spart es Geld, weil Atomkraft bei Kostenwahrheit die teuerste aller Energieformen ist, die letztendlich die Steuerzahler subventionieren.
Man merkt, dass heuer in Bayern Wahlen anstehen und der der Söder um jede Stimme kämpfen muss.
Bei so einem Populisten hofft man, dass der Hl. Aloisius endlich genug Bier im Löwenbräu getrunken hat und die göttliche Einsicht der bayrischen Regierung überreicht. 😉
magg
Ein Fähnchen im Wind!
Gott -sei -dank ist Deutschland aus der Atomindustrie ausgestiegen .
Daran wird auch “Wendehals” Söder vom “Freistaat”
Bayern nichts ändern können .
Ist bei ihm nur Wahlkampfgepoltere und Stimmungsmache gegen Rot/Grün.
Deutschland ist AKW frei – Juhuuu. Jetzt werden sie Orgien feiern die Grünen. ….nur blöd, dass Deutschland doch umzingelt ist von AKW’s. Sollte es da krachen, werden die Strahlen und Schäden sicher Halt machen von Deutschlands Grenzen……..
@Nathanbosemann: erinnere daran, dass Gelb-Schwarz unter der Merkelregierung den Ausstieg beschlossen hatte!
Immerhin hat dann Deutschland keinen Unfall zu verantworten und wer immer schaut was aussen rum getan wird, ist meist der Letzte ders dann kapiert wenn was passiert!
Jetzt kann die Alperia auch noch den Strom teuer nach Deutschland verkaufen, nicht nur nach Italien.