Eine Woche vor dem Ende der Übergangsfrist haben sich die EU und Großbritannien auf die Grundlagen ihrer künftigen Beziehungen nach dem Brexit geeinigt. Die Verhandlungsteams schlossen am Donnerstag nach monatelangem Ringen ihre Gespräche über ein gemeinsames Handelsabkommen ab. Ein harter wirtschaftlicher Bruch mit Großbritannien zum Jahreswechsel ist damit wohl verhindert. Allerdings steht noch die Zustimmung aller 27 EU-Regierungen und des britischen Parlaments aus.
Die Vereinbarung sieht nach dem Austritt Großbritanniens aus dem EU-Binnenmarkt zum Jahresende weiter einen Handel ohne Zölle und ohne mengenmäßige Beschränkungen vor. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen lobte die Vereinbarung als “fair” und “ausgewogen”. Der britische Premierminister Boris Johnson sprach von einem “guten Abkommen”. Aus zahlreichen EU-Ländern kamen positive Reaktionen. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) begrüßte die Einigung, betonte aber, man werde die Vereinbarung nun sorgfältig prüfen.
Die Unterhändler einigten sich auch beim zentralen Streitthema Fischfang. Das Abkommen sieht eine Übergangszeit von fünfeinhalb Jahren für die Kürzung der Fangquoten für EU-Fischer vor. Laut EU-Vertretern wurde mit Großbritannien in dieser Zeit eine Verringerung der Fangmengen um 25 Prozent vereinbart. Ab Juni 2026 solle dann jährlich erneut über die Fangquoten verhandelt werden.
Von der Leyen sagte, das Abkommen könne “eine solide Basis” für die künftigen Beziehungen zum Vereinigten Königreich sein. Es garantiere faire Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen auf beiden Seiten und sehe auch Zusammenarbeit in Bereichen wie Klimapolitik, Energie oder Verkehr vor.
Johnson versicherte, sein Land werde Freund, Verbündeter und “wichtigster Markt” der EU-Staaten bleiben. Großbritannien bleibe ein “vertrauenswürdiger Partner”, sagte auch von der Leyen. Sie forderte gleichzeitig die EU-Bürger auf, viereinhalb Jahre nach dem Brexit-Referendum in die Zukunft zu schauen. “Es ist Zeit, den Brexit hinter uns zu lassen”, sagte sie.
Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte, die Einigung sei “von historischer Bedeutung”. Die deutsche Bundesregierung werde den Abkommenstext nun intensiv prüfen. Es werde rasch klar sein, “ob Deutschland das heutige Verhandlungsergebnis unterstützen kann. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir hier ein gutes Resultat vorliegen haben”, erklärte Merkel.
Großbritannien war zum 1. Februar aus der EU ausgetreten, bis zum Jahresende bleibt das Land aber noch im EU-Binnenmarkt und in der Zollunion. Nach der Einigung auf Verhandlungsebene müssen auf EU-Seite auch die Regierungen aller 27 EU-Mitgliedstaaten dem Ergebnis zustimmen.
Der deutsche EU-Vorsitz setzte für Freitagvormittag ein Treffen der EU-Botschafter in Brüssel an, das diesen Prozess einleitet. Dabei soll EU-Unterhändler Michel Barnier über Details des komplexen Abkommens informieren. Der Zustimmungsprozess in den Mitgliedstaaten dürfte mehrere Tage in Anspruch nehmen.
In Großbritannien muss auch das Parlament die Einigung absegnen. Dafür sollen die Abgeordneten bereits am 30. Dezember zusammenkommen. Die oppositionelle Labour-Partei signalisierte noch am Donnerstag ihre Zustimmung.
Das EU-Parlament dagegen will nach Angaben seines Präsidenten David Sassoli mit einer Entscheidung indes bis Anfang nächsten Jahres warten. Durch die “Dauer der Verhandlungen” und die “kurz vor knapp” getroffene Einigung sei eine genaue Prüfung des Vertrags durch die Abgeordneten bis Jahresende nicht möglich, erklärte Sassoli.
Die EU-Kommission will deshalb vorschlagen, das Abkommen bis Ende Februar zunächst vorläufig anzuwenden. Es könnte dann Anfang 2021 im Nachgang vom EU-Parlament ratifiziert werden.
Auch die deutsche Bundesregierung will unbedingt ein vorläufiges Inkrafttreten erreichen. “Wir wollen als Ratspräsidentschaft alles tun, damit das Abkommen rechtzeitig zum 1.1.2021 vorläufig in Kraft treten kann”, erklärte Außenminister Heiko Maas.
Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron erklärte, “Einigkeit und Stärke” der EU hätten sich ausgezahlt. Irlands Regierungschef Michael Martin sprach von einem “guten Kompromiss”.
Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) begrüßte die Einigung via Twitter. “Wir werden die Vereinbarung nun sorgfältig prüfen. Insbesondere möchte ich @vonderleyen und @MichelBarnier für ihre unermüdlichen Bemühungen danken”, hieß es dort. Auch Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) dankte Barnier und twitterte: “Ich begrüße den erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen über die zukünftigen Beziehungen EU-GB. Das Abkommen wird die Grundlage für eine starke und nachhaltige zukünftige Partnerschaft bilden.”
Europaministerin Karoline Edtstadler (ebenfalls ÖVP) ließ umgehend in einer Aussendung wissen: “Ich begrüße den erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen über die künftigen Beziehungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich. Das Abkommen ist eine solide Grundlage für eine starke Partnerschaft der Zukunft.”
Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) meinte: “Ich bin froh, dass in letzter Sekunde noch eine Einigung zwischen der Europäischen Union und Großbritannien gelungen ist. Damit konnte größerer Schaden für unsere Wirtschaft abgewendet werden. Funktionierende Handelsbeziehungen brauchen funktionierende Partnerschaften auf Augenhöhe.
SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner teilte der APA mit: “Es gibt natürlich in erster Linie Erleichterung über die Einigung. Die Schlechteste aller Optionen wäre ein harter Brexit gewesen. Ein No-Deal hätte viel Schaden verursacht – für die Bevölkerung und die Wirtschaft der EU und des Vereinigten Königreiches. Gut, dass der britische Premier seinen Populismus beendet und im Finale der Verhandlungen Zugeständnisse gemacht hat. Demokratiepolitisch ist der Vorgang jedoch kritisch zu sehen. Hier wird in letzter Minute ein 2.000 Seiten dickes Vertragswerk über einen Handelspakt durch die Institutionen gepeitscht. Die Sozialdemokratie wird sehr genau darauf achten, welche sozialen und umweltpolitischen Folgen dieser Deal nach sich zieht.”
Der ÖVP-Europaabgeordnete Othmar Karas schrieb auf Twitter: “Den #NoDealBrexit konnten @vonderleyen & @MichelBarnier abwenden. Das Handelsabkommen, das es vor der Abstimmung im EU-Parlament genau zu prüfen gilt, kann aber nicht alle Wunden heilen, die der #Brexit hinterlässt.”
SPÖ-EU-Delegationsleiter Andreas Schieder ließ wissen: “Schlussendlich hat sich die Vernunft durchgesetzt. Diese Lastminute-Einigung auf ein Post-Brexit-Handelsabkommen verhindert einen GAU, von dem wir durch die Lkw-Kolonnen der letzten Tage einen Vorgeschmack bekommen haben. Das “Chaos der letzten Tage und die viel zu späte Einigung” seien alleine die Schuld Johnsons. “Er hat bis zuletzt an seinem verantwortungslosen Kurs festgehalten.”
Monika Vana, Delegationsleiterin der österreichischen Grünen im Europaparlament, erklärte: “Der Brexit kennt keine Gewinner. Dass sich die EU in den langen Verhandlungen mit Großbritannien nicht hat spalten lassen, ist das einzige positive Resümee dieser Brexit-Verhandlungen. (…) Die vom Brexit betroffenen ArbeitnehmerInnen und Regionen mit EU-Mitteln zu unterstützen, ist Ausdruck gelebter europäischer Solidarität.”
Als eine “Nachricht, die in der österreichischen Wirtschaft für Erleichterung sorgt” sah Mariana Kühnel, stellvertretende Generalsekretärin der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), das nach langen und harten Verhandlungen vereinbarte Abkommen zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich.
Damit sei sichergestellt, dass es nach Ende der Übergangsphase am 31.12.2020, während der die Briten trotz Brexit den EU-Regeln unterliegen, halbwegs geordnete Verhältnisse statt Chaos in den Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Ländern der EU und Großbritannien gibt. “Zumindest gibt es Klarheit und Planungssicherheit. Die Betriebe wissen, woran sie sind”, so Kühnel.
Von: APA/dpa/AFP/
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32 Kommentare auf "EU und Großbritannien einigten sich auf Brexit-Handelspakt"
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Die Engländer glauben
einen guten Deal gemacht zu haben.
Anbei ein Artikel aus einer britischen Zeitung.
Wer des Englishen nich mächtig ist sollte Autoübersetzen einschalten.
The Guardian view on a Brexit deal: relief that leaves a bitter taste | Brexit | The Guardian
Es ist kalt da draußen Groß?britanien
In den britischen Medien wurde das Angebot der EU, u damit auch der nun unterzeichnete Vertrag, immer als eine eiskalte Erptessung, französischer Interessen angesehen,.
Und das entspricht schon eher der Wahrheit, als anders rum…..
@Tirolisimo..hast du vergessen, wer !! aus der EU ausgetreten ist ? Wieso sollten die EU den “Insulanern” jetzt auch noch in den H…… kriechen ? Wer nicht will, hat gehabt….
Lieber Deutscher Kollege, kein Land in der Eu ist auf Exporten Abhängig wie Deutschland, also denke ich ist es auch für Deutschland nicht gut. Und da die Eu bei der Selbstversorgung von Lebensmitteln nur 65 % erreicht ( Nordeuropa noch viel weniger als Südeuropa) dürften wir alle nicht zu viel Jubeln!
Den “Insulanern” wurde bei diesen Verhandlungen nie in den A… gegrochen, es wurden von Anfang an 2 Ultimaten gestellt.
1. keine inner Irische Grenze,
2. freier Zugang für EU Fischer in GB Hohheitsgewässer.
Warum sollte GB das wollen, und was wären den die Vorteile für das Königreich Hr Ars?
Noch dazu hat KEIN Land der Welt ähnliche Auflagen für einen Handelsvertrag mit der EU, oder “ernten” Oberitalienischebergbauern in der Schweiz zb Bergziegen od sonst was?
ohne Deal wäre für alle die Hölle los , also besser so .
Die Erpressung der EU
Keine Zölle
Mehr Bürokratie
doppelte Registrierung für Produkte
Mehr Kontrollen
UK hält sich an EU-Standards
EU darf noch weitere 5,5 Jahre in britischen Gewässern fischen
Fangquote der EU um 25% reduziert
UK darf SIS II nicht mehr nutzen
Visa für Aufenthalte über 90 Tage
Erhöhte Roaming-Gebühren
Weder „Erasmus“ noch „Galileo“ in UK
Keine GASP / GSVP
Klasse Boris – A Hund bischt scho
Für wenn besser?
Für die reichen Großkonzerne oder für die Bürger Europas?
Es wäre besser gewesen kein Deal gemacht zu haben… dann wäre dieser Johnson endlich weg gewesen.
@Tirolisimo
dh “The Guardian” ist für dich nicht repräsentativ für UK?
Und welche anderen Medien redest du genau?
Aber interessant, dass du weißt, dass diese anderen Medien mehr Aussagekraft besitzen als The Guardian 🙂
@Tirolisimo
“Für wenn besser?
Für die reichen Großkonzerne oder für die Bürger Europas?”
purer Populismus.
Die Bürger Europas haben GB nicht zum BREXIT “gezwungen”, oder?
Man kann auch irgendwann mal über die ganzen Versprechungen von Johnson, Farage etc. sprechen, die zu Beginn gemacht wurden. Was ist aus diesen geblieben? Wird alles vergessen, hauptsache die verhasste EU kommt weg, so wirkt es zumindest.
Welch erbärmliche Figur die EU doch abgibt….sind den Engländern wie ein kläffendes Hündchen mit der Bitte um Kompromiss nachgerannt…lasst die Engländer ziehen…sie werden immer die USA als Seelen- und Sprachenverwandte an ihrer Seite haben…
@Ex-Urlauber GB genießt weiterhin fast alle Vorteile der EU-Zugehörigkeit. Muss aber nix mehr in den Topf einzahlen. Clever, diese Briten.
Wers
noch nicht gemerkt hat,
die Briten sind nicht mehr zugehörig!
Sie haben einen Handelsvertrag mit einem Würgemonster geschlossen.
Glauben sie, die Leute, die seit 50 Jahren nichts anderes machen als für die EU Verträge auszuhandeln,
lassen sich von ein paar Insulanern über den Tisch ziehen?
Träumen Sie weiter.
“…sie werden immer die USA als Seelen- und Sprachenverwandte an ihrer Seite haben…”
Wieso sollten die Briten gegen die USA in Handelsfragen alleine besser gegenüberstehen, wenn selbst die EU als großer Block bei Gesetzen und Standards immer wieder einknickt?
Blaupause für den Austritt weiterer Staaten.
Da
reden wir mal in ein, zwei Jahren nochmal drüber.
Leider hat mein link weiter oben nicht funktioniert.
Ich probiere es nochmal
http://www.theguardian.com/commentisfree/2020/dec/24/the-guardian-view-on-a-brexit-deal-relief-that-leaves-a-bitter-taste
ansonsten kopieren und einfügen.
So denken manche Briten über den BJ
Hm, Süd-, Ostexit !?
Die wird das abschrecken.
das ist eine gute Nachricht ,dann kann dieses Thema 2021 endlich in den Hintergrund treten …mit diesem Vertrag können vielleicht beide Seiten gut leben
2021 fängt der Ärger erst an.
@Faktenchecker
und was wäre ohne Deal gewesen ?
Dieser “Deal” hat B.J. vorerst den A…. gerettet. Fragt sich nur, wie lange das anhält. Der “kalte” 🥶 Winter kommt erst noch…. Lieferengpässe an 🇬🇧 “Qualitätsprodukten” werden die EU Staaten verkraften….
Noch ist nichts in trockenen Tüchern. Es fehlen 29 Zustimmungen.
So ist es Hr Faktenchecker, nur leider denke ich wird sich die Merkel Macron Bande durchsetzen
@Tirolisimo
Was wäre die bessere Idee bzw. dein Vorschlag?
Du bist, wie es scheint, nicht zufrieden mit dem vorliegenden Vertrag. Wie könnte er besser gemacht werden?
da werden alle beide Parteien verlieren, GB wird es aber vermutlich stärker treffen, dafür wird Europa sorgen daß das eine Mahnung bleibt.
Ja das finde ich auch, endlich auch gute Nachrichten zu Weihnachten
Bin enttäuscht von der EU. Hätte England rausgeschmissen.
Solange beide Parteien glauben einen guten Deal gemacht zu haben, bringen wir ds zu Ende