Bozen – Das neue Tourismusentwicklungskonzept ist gestern im Rahmen einer Pressekonferenz vorgestellt worden. Es enthält viele wichtigen Maßnahmen, um ein zukunftsfähiges Gleichgewicht zwischen einem kleinstrukturierten und nachhaltigen Tourismus einerseits und einem verträglichen Umgang mit der wichtigsten touristischen Ressource Südtirols, der Natur- und Kulturlandschaft andererseits zu schaffen. Dies erklärt der Heimatpflegeverband in einer Aussendung. Allerdings würden den Heimatpflegern zufolge einige Fragen offen bleiben und man könne in einigen Punkten nachbessern. So sehe das Konzept etwa keine klaren Vorgaben für den Klimaschutz vor.
„Das neue Tourismusentwicklungskonzept enthält leider keine klaren Vorgaben wie eine verpflichtende Ökobilanzrechnung für alle Betriebe und ein Monitoring von allen CO2-Emissionen aus der Tourismusbranche. Der Tourismus ist laut EURAC-Studie für rund 18 Prozent der CO-2-Emissionen verantwortlich, die Emissionen pro Gast sind bei weitem zu hoch. Der Wasserverbrauch sprengt oft jede Vorstellung, nicht nur in Tourismushochburgen wie Kastelruth oder Hafling generiert Tourismus akuten Wassermangel“, so der Heimatpflegeverband.
Immer noch komme ein Großteil der Touristen in Südtirol mit dem eigenen Auto an ihren Urlaubsort. Das müsse sich ändern. Hier sei die Tourismusbranche gefordert, aber auch die Verkehrspolitik müsse ihren Anteil an der dringend notwendigen Verkehrswende leisten.
Der Heimatpflegeverband weist darauf hin, dass die wichtigste Ressource für den Tourismus in Südtirol die einzigartige und authentische Natur- und Kulturlandschaft ist. „Mit dem überhitzten Ausbau des Tourismussektors und den bekannten Auswüchsen in allen Landesteilen in den letzten Jahren werden diese Qualitäten Südtirols sowohl für Einheimische als auch für Touristen bedroht. Diese Einsicht findet in der Bevölkerung, aber auch in der Tourismuswirtschaft eine immer breitere Basis und muss auch von der Politik stärker berücksichtigt werden“, so der Heimatpflegeverband.
Neuerhebung der Bettenanzahl und eine Bettenobergrenze
Ein wichtiger Schritt sei der geplante Abgleich zwischen genehmigter Bettenanzahl und tatsächlichen Übernachtungen, um endlich einen datenbasierten, der Realität entsprechenden Überblick über die Kapazitäten im Südtiroler Tourismus zu bekommen.
Unverständlich sei, dass das neue Tourismusentwicklungskonzept zwar einerseits die Unterstützung von kleinstrukturierten Betrieben zur Zielsetzung hat, andererseits aber die Ungleichbehandlung der verschiedenen Kategorien vorsieht: „Für den Urlaub auf dem Bauernhof sind im Gegensatz zu den vielen anderen touristischen Klein- und Mittelbetrieben Ausnahmeregelungen vorgesehen, was die grundlegende Zielsetzung eines zukunftsfähigen Tourismus ad absurdum führt und vor allem die vielen, vielen Klein- und Mittelbetriebe, die sowieso unter dem Druck der großen Hotel- und Resort-Anlagen zu leiden haben, zusätzlich benachteiligt.“
Qualitative Erweiterung
Auch wenn die Abschaffung der quantitativen Erweiterung ein wichtiger und richtiger Schritt hin zu einem nachhaltigen Tourismus sei, bleibe das Problem der qualitativen Erweiterung weiterhin bestehen: „Zurzeit ändern viele Gemeinden ihre Landschaftspläne dahingehend ab, dass auch weiterhin der massive Ausbau von Gastbetrieben außerhalb der Siedlungsgrenzen ohne die Ausweisung von Tourismuszonen möglich ist. Auswüchse wie die Skipiste und die Lagune auf dem Dach werden wohl auch weiterhin möglich sein.“ Der Heimatpflegeverband appelliert an die Landesregierung, auch hier Richtlinien vorzugeben, um maßvolle und authentische Betriebe zu fördern und überdimensionierte Tourismusscheinwelten zu verhindern. Qualität messe sich vor allem am gebotenen Service, an der Gastfreundschaft und nicht an der verbauten Fläche.
Bereits ausgewiesene Betten
Ein Problem, das mit dem geplanten Landestourismuskonzept nicht gelöst werden könne, aber imminent sei, seien die bereits zugewiesenen, aber noch nicht verbauten Betten und Tourismuszonen. „In Erwartung strengerer Regelungen hat es in den letzten Jahren einen Boom von neuen Projekten gegeben. Mehr als 10.000 der in den – inzwischen außer Kraft gesetzten – Tourismusentwicklungskonzepten der Gemeinden vorgesehenen Betten wurden bereits zugewiesen, aber noch nicht verbaut. In den nächsten Jahren kommt deshalb eine Reihe von touristischen Großbauten auf das Land zu, die die jeweilige Natur- und Kulturlandschaft massiv beeinträchtigen und damit den Tourismus selbst schädigen“, so die Heimatpfleger
„Familiengeführte Klein- und Mittelbetriebe müssen unterstützt werden“
Große Hotels würden außerdem massiv den Druck auf die vielen familiengeführten kleinen und mittelgroßen Tourismus-, Privatzimmer- und Urlaub auf dem Bauernhof-Betriebe erhöhen, die das Herzstück des kleinstrukturierten, authentischen Südtiroler Tourismus bilden. „Mit den Dumpingpreisen der großen Hotels in den Nebensaisonen können viele Familienbetriebe nicht mithalten. Das neue Tourismusentwicklungskonzept sieht vor, dass in Zukunft die maximale Betriebsgröße gedeckelt wird, das ist ein wichtiger erster Schritt. Kleinstrukturierte Familienbetriebe müssen von der Politik und den Interessensverbänden auf ihrem Weg zu nachhaltigen authentischen Vorzeige-Betrieben stärker unterstützt und begleitet werden“, erklärt der Heimatpflegeverband.
Von: mk