Klitschko vor einem Krater nach Angriffen auf Kiew

Kiew in der Nacht erneut angegriffen, aber auch Russland

Freitag, 02. Juni 2023 | 22:55 Uhr

Russland hat seine Angriffswelle auf die ukrainische Hauptstadt Kiew fortgesetzt. In der Nacht auf Freitag habe die russische Armee insgesamt 15 Marschflugkörper und 21 Kampfdrohnen auf Kiew abgefeuert, teilte das ukrainische Militär in der Früh mit. Bei den Angriffen seien zwei Personen verletzt worden. Mehrere russische Regionen meldeten ebenfalls Angriffe, dabei starben mindestens zwei Menschen.

Nach Angaben der ukrainischen Generalstaatsanwaltschaft wurde infolge des “massiven Angriffs” auf Kiew ein elfjähriges Kind verletzt. Ein 68-jähriger Mann sei ins Krankenhaus eingeliefert worden. Auch seien Häuser und Autos beschädigt worden. “Alle 15 Marschflugkörper und alle 21 Angriffsdrohnen wurden von der Luftabwehr zerstört”, teilte die ukrainische Luftwaffe am Freitag im Onlinedienst Telegram mit.

In der russischen Grenzregion Belgorod wurden bei neuem massiven Beschuss von ukrainischer Seite nach Behördenangaben zwei Menschen getötet und sechs weitere verletzt. Nahe der Grenzstadt Waluiki seien in einem Dorf schwere Geschosse auf einem Privatgrundstück eingeschlagen, teilte Gouverneur Wjatscheslaw Gladkow am Freitagabend mit. Unter den Verletzten seien auch zwei Kinder. Er veröffentlichte zudem ein Foto von einem brennenden Grundstück. Gladkow sprach von einer unsicheren Lage in der Region durch den seit Tagen andauernden Beschuss.

Besonders betroffen von dem Artilleriebeschuss war die Grenzstadt Schebekino, aus der viele Menschen flohen. Es sei weiter nicht sicher, dorthin zurückzukehren, sagte Gladkow, der Fotos von seinem Besuch in Notunterkünften in der Gebietshauptstadt Belgorod veröffentlichte. Demnach überließen auch Hochschulen den Menschen Studentenwohnheime. Er hatte schon am Freitagnachmittag davon berichtet, dass zwei Frauen durch Beschuss bei Schebekino ums Leben gekommen seien. Sie waren in ihrem Auto unterwegs, als Splitter von Geschützen ihr Fahrzeug trafen. Zwei Männer seien schwer verletzt ins Krankenhaus gebracht worden. Gladkow machte für die Angriffe die ukrainische Armee verantwortlich.

Am Freitagabend vermeldete die Regionalregierung Belgorods einen neuerlichen Angriff. Zwei Menschen seien verletzt worden und eine Industrieeinrichtung habe Feuer gefangen, nachdem es rund um den Grenzort Schebekino zu Beschuss gekommen sei, hieß es. Unabhängig überprüfen ließ sich das zunächst nicht. Angriffe mit Drohnen und Explosionen hatten zuvor auch die Regionen Kursk, Brjansk, Smolensk und Kaluga gemeldet.

Immer wieder bekennen sich zu solchen Anschlägen auch zwei paramilitärische russische Freiwilligenbataillone. Die Gruppierungen namens “Russischer Freiwilligenkorps” und “Legion Freiheit Russlands” kämpfen zwar aktuell aufseiten der Ukraine, bestehen aber aus russischen Nationalisten. In der Vergangenheit hat die Ukraine erklärt, keine Angriffe auf russisches Territorium durchgeführt zu haben.

Die russische Militärführung steckt nach Ansicht britischer Geheimdienstexperten in einem Dilemma wegen der wiederholten Angriffe “pro-ukrainischer Partisanen” auf russisches Territorium. Moskau müsse sich entscheiden, ob es die Verteidigung der eigenen Grenzregion verstärke oder die Stellungen in den besetzten Gebieten der Ukraine, hieß es in dem täglichen Geheimdienstbericht des Verteidigungsministeriums in London am Freitag.

Jegliche Bemühungen, auch von Russlands Partner China, für Friedensverhandlungen sind bisher gescheitert. Nach Einschätzung Chinas gibt es aber noch Chancen. Der Sonderbeauftragte der chinesischen Regierung für eurasische Angelegenheiten, Li Hui, geht davon aus, dass keine der beiden Konfliktparteien “die Tür für Verhandlungen fest verschlossen habe”. Allerdings sei es immer noch sehr schwierig, beide zu Verhandlungen zu bewegen, sagte Li in einer Pressekonferenz am Freitag in Peking.

Die russische Seite schätze Chinas Bemühungen zur friedlichen Lösung der Ukraine-Krise. Das Risiko einer Eskalation des Krieges sei aber noch immer hoch, sagte Li zu den Erfahrungen seiner jüngst erfolgten Europa-Reise, auf der er unter anderem den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und den russischen Staatschef Wladimir Putin getroffen hatte. China könne sich vorstellen, eine weitere Delegation nach Europa zu schicken, um im Krieg zwischen Russland und der Ukraine zu vermitteln. Die Kluft zwischen beiden sei groß.

Li rief beide Seiten auf, zur Entspannung der Lage beizutragen und die Sicherheit von Atomanlagen zu gewährleisten. So steht das ukrainische Atomkraftwerk Saporischschja seit Monaten unter russischer Besatzung, das Gelände ist wiederholt unter Beschuss geraten. In der gleichnamigen Region haben nach Angaben der russischen Besatzungsverwaltung ukrainische Streitkräfte am Freitag ein Krankenlager angegriffen. Informationen über Opfer und Schäden würden noch geklärt, teilte der von Russland eingesetzte Chef der Verwaltung, Wladimir Rogow, auf dem Kurznachrichtendienst Telegram mit.

Von: APA/Reuters/dpa/AFP