"Es findet ein historischer Wandel statt", sagte Parteichefin O'Neill

Kommunalwahl in Nordirland: Historischer Sieg für Sinn Fein

Sonntag, 21. Mai 2023 | 14:16 Uhr

Bei der Kommunalwahl in Nordirland haben Anhänger einer Vereinigung mit dem EU-Nachbarn Irland einen historischen Erfolg gefeiert. Mit Sinn Fein sicherte sich erstmals seit der Gründung der britischen Provinz vor gut 100 Jahren eine Partei aus dem republikanisch-katholischen Lager die meisten Sitze auf kommunaler Ebene. Das ergab das Wahlergebnis, das in der Nacht auf Sonntag veröffentlicht wurde.

Die katholisch-nationalistische Partei kommt dem Endergebnis zufolge auf 31 Prozent der Stimmen, acht Punkte mehr als bei der Wahl vor vier Jahren. Damit entfallen auf sie 144 der 462 zu vergebenden Mandate, 39 mehr als zuvor. Die pro-britische Democratic Unionist Party (DUP) kommt wie vor vier Jahr auf 122 Mandate und 23 Prozent der Stimmen. Die DUP verlor damit auch auf kommunaler Ebene ihren Status als stärkste Kraft. Bereits bei der Wahl zum Regionalparlament in Nordirland im vergangenen Jahr war die ehemals als politischer Arm der Untergrundorganisation IRA geltende Sinn Fein erstmals stärkste Kraft geworden.

Wahlberechtigt bei der Abstimmung am Donnerstag waren gut 1,3 Millionen Menschen im kleinsten britischen Landesteil. Die Wahlbeteiligung lag bei 54 Prozent. Wegen des komplizierten Wahlsystems dauerte die Auszählung mehr als zwei Tage.

Die Kommunalwahl galt auch als Test für die im März besiegelte Reform des Nordirland-Protokolls, durch das die britische Provinz Teil des EU-Binnenmarkts bleibt und deshalb einige EU-Regeln einhalten muss. Die Vereinbarung soll die Grenze zwischen Nordirland und dem EU-Staat Irland offen halten – auch, um ein Wiederaufflammen des Nordirland-Konflikts zu verhindern. Die DUP lehnte die Reform ab und hoffte, bei der Kommunalwahl ihre Position zu stärken, um auf Zugeständnisse zu drängen. Der Erfolg von Sinn Fein ging auf Kosten von Parteien, die mehr in der politischen Mitte anzusiedeln sind.

“Es findet ein historischer Wandel statt, und Sinn Fein führt diesen Wandel in ganz Irland an”, sagte deren Parteichefin in Nordirland, Michelle O’Neill. Das Ergebnis zeige, dass die Wähler wollten, dass die DUP den 15-monatigen Boykott der Regionalversammlung beende.

Gemäß dem Karfreitags-Friedensabkommen von 1998, das den rund 30-jährigen, blutigen Konflikt zwischen Nationalisten und Unionisten weitgehend beendet hat, müssen sich die beiden Lager auf einen Parlamentspräsidenten einigen, bevor eine Regierung gewählt werden kann. Die DUP verweigerte aber dem Personalvorschlag von Sinn Fein die Zustimmung, auch um Druck im Streit über das Nordirland-Protokoll auszuüben.

O’Neill forderte die DUP auf, die Regierungsblockade aufzuheben. “Es ist an der Zeit, dafür zu sorgen, dass die Politik für alle Menschen und Gemeinschaften funktioniert und eine bessere Zukunft für alle schafft”, sagte sie. Die jüngste Volkszählung hatte ergeben, dass in Nordirland erstmals mehr Katholiken als Protestanten leben.

O’Neill ist die designierte Regierungschefin der britischen Provinz. Das Karfreitagsabkommen sieht vor, dass die jeweils stärkste Partei der beiden Lager gemeinsam eine Einheitsregierung bilden. Dabei steht der Partei mit den meisten Stimmen der Posten des Regierungschefs zu und der anderen die Position des gleichberechtigten Vize.

Von: APA/Reuters/dpa