Bozen – Das Omnibus-Gesetz, mit dem sich der Südtiroler Landtag Ende des Monats beschäftigt, soll den Weg für den Bettenstopp ebnen. Daher steht auch die praktische Umsetzung der Obergrenze für Gästebetten seit Wochen im Rampenlicht. Unbemerkt bleibt, dass es im Sammelgesetz auch um die Landschaftspläne der Gemeinden geht. Der Dachverband für Natur- und Umweltschutz warnt vor einer Aufweichung des Schutzes der für Südtirol so besonderen Landschaft.
Das Omnibus-Gesetz zielt darauf ab, im Artikel 17 (Absatz 4) des neuen Landesgesetzes für Raum und Landschaft zwei fast identische Wörter auszutauschen. Ersetzt wird „im Landschaftsplan“ durch die Formulierung „in der Landschaftsplanung“. Die Begründung im Begleittext lautet, dass die Landesregierung das Südtirol weite Landschaftsleitbild stärken wolle und darin auch Aussagen zum Bodenverbrauch treffen will. Der Teufel stecke aber bekanntlich im Detail, warnen die Umweltschützer.
Artikel 17 regelt das Bauen in den Natur- und Agrarflächen, also außerhalb der Dörfer und Städte auf Wiesen oder Almen. De facto und de jure besteht dort ein Bauverbot – außer anderslautender Bestimmungen im Gesetz selbst oder in den Landschaftsplänen. Da die Abänderung aller Landschaftspläne unter Einbeziehung der jeweils betroffenen Gemeinden sehr aufwändig ist, greift die Landesregierung über das Landschaftsleitbild nun zum Plan B. „Das im Jahr 2002 genehmigte Landschaftsleitbild lässt sich mit einem einfachen Beschluss der Landesregierung abändern, ohne dabei in Dialog mit den betroffenen Gemeinden treten zu müssen. Auf der Strecke drohen die Landschaft und die gemeindeeigenen Pläne zu bleiben sowie das Engagement vor Ort für den Schutz der Landschaft und der von der Landespolitik geprägte Grundsatz innen flexibel, außen penibel“, so Madeleine Rohrer, Geschäftsführerin des Dachverbands.
Das neue Landesgesetz hatte das Bauen im landwirtschaftlichen Grün äußerst großzügig geregelt und – entgegen den ursprünglich gesteckten Zielen – und im Vergleich zur vorherigen Regelung noch weiter ausgebaut. Wohngebäude im Landwirtschaftsgebiet, die mindestens 300 Kubikmeter groß sind, können auf 1.000 Kubikmeter aufgestockt werden. Wohngebäude an Hofstellen dürfen auf 1.500 Kubikmeter Wohnvolumen (früher 1.000 Kubikmeter) vergrößern, was in etwa dem Volumen von drei Einfamilienhäusern im geförderten Wohnbau entspricht. Zwar hatte die Landespolitik immer wieder betont, dass diese großzügigen Baurechte im Landwirtschaftsgebiet ein „all inclusive“ sein würden. Schließlich wolle man die Zersiedelung stoppen, den Flächenfraß und die Ausgaben für die öffentliche Hand für die Erschließung. Weitere Baurechte aber folgten. Zudem wird aktuell über einen neuen Kubaturbonus diskutiert. Die Landesregierung hatte sich noch im Herbst 2021 darauf geeinigt, diese zusätzlichen Baurechte nur mehr in Wohnbauzonen gewährleisten zu wollen. „Jetzt sollen über die Landschaftsplanung weitere Baurechte auf Natur- und Agrarflächen geschaffen werden, zum Beispiel die Möglichkeit gastgewerbliche Betriebe auch im Grünen quantitativ zu erweitern oder unterirdische Räume unter Almhütten zu bauen“, so die Umweltschützer.
Südtirols Gemeinden müssen mit dem Gemeindeentwicklungsprogramm erstmals eine ganzheitliche Planung erarbeiten. „Das erfordert viel Zeit und Ressourcen, politisches Rückgrat und Weitblick. Es ist eine mühsame, große und außerordentlich wichtige Aufgabe. Sind die Gemeindeentwicklungsprogramm gut gemacht, bieten sie Antworten auf leistbares Wohnen, sozialverträgliche Mobilität und Anpassung an die Folgen des Klimawandels wie Naturgefahren. Im Zuge der Ausarbeitung des Gemeindeentwicklungsprogramms müssten auch die Landschaftspläne überarbeitet werden. Das heißt: Die Gemeinden müssen über jene Wiesen, Hügel und Bäume diskutieren, die landschaftlich besonders wertvoll sind und damit für die Kindeskinder erhalten werden müssen. Oftmals ein heißes Eisen, geht es um Grundbesitz und Privateigentum. Werden Baurechte für die Natur- und Agrarflächen bereits im Landschaftsleitbild vergeben, besteht bei den meisten Gemeinden wohl kaum ein Interesse das Schutzinstrument Landschaftsplan anzugehen“, so Josef Oberhofer, Vorsitzender Südtirols größter Umweltorganisation.
Die Landesregierung hatte 2002 ins Vorwort des Landschaftsleitbild geschrieben: „Wenn wir immer nur den unmittelbaren Nutzen unserer Wirtschaftsaktivitäten im Auge behalten und dabei Natur und Landschaft unwiederbringlich zerstören, handeln wir kurzsichtig und berauben uns unserer eigenen Ressourcen. Voraussetzung ist deshalb, dass wir die Schönheit unseres Landes bewahren.“
„Treffender könnte man es heute nicht formulieren. Der Ball liegt jetzt beim Landtag“, meint der Dachverband.
Von: mk