Minister gegen Fahrverbote

Nach Transit-Gipfel: Salvini bleibt hart, erst Transitmaßnahmen weg

Samstag, 15. April 2023 | 07:55 Uhr

Das bei dem Transit-“Gipfel” in Kufstein von Tirol, Bayern und Südtirol mit einer Absichtserklärung paktierte gemeinsame Verkehrsmanagement am Brennerkorridor rückt in weite Ferne. Italiens Verkehrsminister Matteo Salvini (Lega) bleibt hart und machte am Freitag klar, dass Österreich bzw. Tirol zunächst die Transit-einschränkenden Maßnahmen abschaffen müssten. Erst in dem Falle würde Italien über das beabsichtigte Lkw-“Slot-System” diskutieren.

Tirols Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) betonte hingegen gegenüber der APA erneut: “Die Tiroler Maßnahmen bleiben.” Es bestehe “keinerlei Chance für einen faulen Deal zulasten der Tiroler Bevölkerung.” Auch Salvini werde die Verkehrswende nicht aufhalten können. Tirol, Bayern und Südtirol seien sich beim “intelligenten Verkehrsmanagement” einig. “Also liegt die Verantwortung, ob die Menschen entlang des Brennerkorridors entlastet und Staus reduziert werden, nun in Wien, Berlin und Rom”, machte der Landeschef klar. Das “Slot-System” werde ein wesentliches Instrument sein, um den Schwerverkehr auf die Schiene zu verlagern: “Die Argumente stehen also auf der Seite Tirols, deshalb arbeiten wir auch weiterhin gemeinsam mit unseren Nachbarn an einer nachhaltigen europäischen Lösung.”

Salvini war zuvor mehr als deutlich bei seiner bekannten Position geblieben. “Wir können über Slots, Verkehrsmanagement und grüne Autobahnen diskutieren, aber zuerst muss Österreich die Fahrverbote an Samstagen, Nächten und Feiertagen abschaffen, denn das ist unlauterer Wettbewerb. Da die Frächter aus Venetien, Trentino oder Friaul die gleichen Rechte und Pflichten wie jene aus Österreich, oder Deutschland haben, muss Österreich die Regeln wieder herstellen, erst dann können wir über alles andere reden”, erklärte Salvini gegenüber der venezianischen Tageszeitung “Il Gazzettino”.

Damit ein Lkw-“Slot-System” tatsächlich umgesetzt wird, braucht es die Zustimmung der Nationalstaaten Deutschland, Österreich und Italien. Ein Staatsvertrag ist dafür notwendig. Zustimmung war von Österreichs Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) gekommen. Sie kündigte auch an, das Ganze in Gesprächen mit den Nachbarländern weiter voranzutreiben. Eine sehr reservierte Reaktion folgte hingegen aus dem deutschen Verkehrsministerium. Man begrüßte zwar jede Vereinbarung, die eine tatsächliche Verbesserung der schwierigen Verkehrssituation am Brenner bringe, meinte aber gegenüber der APA in Anspielung auf das gewollte Lkw-“Slot-System”: “Eine echte Verbesserung setzt jedoch voraus, dass die Warenverkehrsfreiheit tatsächlich und nachhaltig verbessert wird. Systeme, die die Blockabfertigung mittels Digitalisierung fortsetzen, ändern am Grundsatz einer Kontingentierung nichts.”

Vor Bekanntwerden der erneuten Äußerungen Salvinis hatte sich Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP) am Freitag weiter zuversichtlich gezeigt, dass das “Slot-System” Realität wird. Der Ball liege nun bei den Regierungen in Wien, Berlin und Rom, erklärte Kompatscher gegenüber der APA am Rande einer Pressekonferenz in Bozen. Der gemeinsame Vorschlag sei deponiert und nun müsse man Überzeugungsarbeit leisten. Auch Salvini hätte bisher durchaus betont, an einer konstruktiven Lösung interessiert zu sein. Was die Vorbedingungen des Ministers angehe, so habe er ihm bei dessen Besuch in Bozen versucht klarzumachen, dass dies diplomatisch nicht zielführend sei, meinte Kompatscher. Der richtige Weg sei es, zunächst eine Lösung zu suchen und dann die strittigen Punkte zu klären.

Den Protest der italienischen Frächter gegen das “Slot-System” könne er zum Teil verstehen, soweit sich die Kritik darauf beziehe, dass nur der Lkw-Verkehr berücksichtigt werde. Dies sei aber nur ein erster Schritt und man könnte später auch über eine Einbeziehung des gesamten Verkehrs sprechen. Nicht gelten lassen wollte Kompatscher den Vorwurf der Frächter, das System sei zu kompliziert. Slots zu buchen, könne selbst vom Handy aus gemacht werden. Zudem sei es im Interesse der Frächter, wenn mit dem Slot-System die Standzeiten der Lkw reduziert werden könnten. Diese würden nur Kosten verursachen, argumentierte der Landeshauptmann.

Salvini forderte indes am Freitag erneut bis Juni Lockerungen der Lkw-Fahrverbote und drängte wieder einmal auf ein EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich: “In Europa gibt es Verträge, die den freien Verkehr von Menschen und Waren vorsehen. Österreich hat sich jahrelang nicht um die europäischen Regeln und Verträge gekümmert und ich verstehe nicht, warum die Europäische Kommission jahrelang weggeschaut hat”. Im Juni werde er in Absprache mit seinem deutschen Amtskollegen (Volker Wissing, Anm.) die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen Österreich beantragen.

Ein EU-Vertragsverletzungsverfahren kann nur von der EU-Kommission eingeleitet werden. Es beinhaltet mehrere Stufen und kann letztlich zu einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof führen. Salvini hatte die EU-Kommission bereits mehrmals aufgefordert, ein solches Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten.

Die Länder-Absichtserklärung zum gemeinsamen, digitalen Verkehrsmanagement war am Mittwoch von Mattle, Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Kompatscher auf der Festung Kufstein unterzeichnet worden. Bei dem “Slot-System” handelt es sich um buchbare Lkw-Fahrten. Damit sollen Frächter und Speditionen Slots (Termine) für Lkw-Gütertransporte am Korridor zwischen München und Verona buchen und so die Verkehrsströme entzerrt bzw. besser verwaltet werden. Ist die Kapazitätsgrenze erreicht, muss entweder auf die Schiene oder auf einen anderen Tag umdisponiert werden, hatte es ursprünglich geheißen. Ende vergangenen Jahres hatte eine von Südtirol in Auftrag gegebene Studie dem Slot-System sowohl rechtliche als auch technische Machbarkeit attestiert.

Kommende Woche sollen sich indes Arbeitsgruppen erneut mit der näheren Ausgestaltung beschäftigen. Im Herbst wollen die Verantwortlichen dann alle Slot-Fragen geklärt haben, hieß es in der “Tiroler Tageszeitung” (Donnerstagsausgabe). Spätestens dann sind die Nationalstaaten am Zug, die das umsetzen müssten. Für den Fall, dass sie es ablehnen, hatte Bayerns Ministerpräsident Söder am Mittwoch schon einmal vorgebaut. Dann würden diese dafür die Verantwortung tragen: “Dann liegt die Verantwortung nicht mehr bei uns.”

Von: apa

Bezirk: Wipptal