Griechenland geht hart gegen Flüchtlinge vor

“NYT”: Videobeweis für Gewalt an Migranten in Griechenland

Freitag, 19. Mai 2023 | 23:08 Uhr

Die New York Times hat erstmals einen Beweis via Video dafür geliefert, wie Asylsuchende von der griechischen Küstenwache auf offenem Meer in die Türkei zurückgedrängt werden. Die Menschen wurden demnach auf der Insel Lesbos von Vermummten festgenommen. Ein Kastenwagen brachte die zwölf Menschen, darunter Kinder und ein Baby, auf ein Schnellboot. Auf dem Meer wechselten sie auf ein Schiff der griechischen Küstenwache, anschließend auf ein aufblasbares Floß.

Fayad Mulla, österreichischer Vorsitzender der Partei Wandel, hatte nach eigenen Angaben monatelang recherchiert und das Video mit der New York Times geteilt. Journalistinnen und Journalisten der Tageszeitung sprachen mit den Betroffenen in der Türkei. “Eine Untersuchung der Times hat die Aufnahmen verifiziert und bestätigt”, schreibt die New York Times zu dem Video. “Wir befragten auch elf der Asylbewerber aus Somalia, Eritrea und Äthiopien, die wir in einem Haftzentrum in Izmir an der türkischen Küste aufgespürt haben.”

Die Menschen seien demnach kaum in Europa angekommen, als sie von maskierten Männern aufgegriffen und ihrer Habseligkeiten beraubt worden seien, heißt es in einem Artikel zu dem Bildmaterial. Zusammengepfercht seien sie im Schlauchboot gesessen, auf dem offenen Wasser geschaukelt und hätten versucht, sich vor der grellen Sonne zu schützen, “während Naima Hassan Aden ihr sechs Monate altes Baby umklammerte und weinte”. Die 27-jährige Aden berichtete, dass sie nicht damit gerechnet hätten, diesen Tag zu überleben. “Als sie uns auf das aufblasbare Floß setzten, taten sie das ohne jedes Erbarmen.”

Was man in den Aufnahmen sehr klar sehe sei, wie die griechische Küstenwache mit ihrem Schiff neben dem Floß auf- und abfahre, damit durch den Wellengang das Floß in türkische Gewässer getrieben werde, so der Flüchtlingshelfer und Wandel-Chef Mulla am Freitag im Ö1-Mittagsjournal. Irgendwann käme dann die türkische Küstenwache, um die Menschen zu retten. Europa lasse Menschen auf der Flucht nicht nur regelmäßig ertrinken, sagt Mulla weiter in einer Pressemitteilung. “Wir entführen und deportieren Menschen schon illegal.”

Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MsF) bestätigt den Vorwurf in einem Schreiben an die APA: “Zum aktuellen in der ‘New York Times’ geschilderten Fall, wo berichtet wird, wie 12 geflüchtete Menschen auf Lesbos, darunter kleine Kinder, von maskierten Männern entführt und anschließend auf dem Meer ausgesetzt werden, können unsere Teams vor Ort folgendes bestätigen: An jenem 11. April wurde gemeldet, dass 103 Menschen angekommen sind, die medizinische Hilfe brauchten. 91 Personen wurden von unseren Kollegen versorgt, 12 konnten nicht gefunden werden.” Das sei aber kein Einzelfall: “Immer wieder berichten Patienten unseren Teams von traumatischen Erlebnissen. Sie sprechen davon, wie sie aufgehalten und zur Rückkehr gezwungen werden – sowohl an Land als auch auf dem Wasser. Einige haben auch von Gewalt durch Grenzbeamte oder Sicherheitspersonal berichtet.”

MsF fordert die Europäische Union, die EU-Mitgliedsstaaten und die zuständigen staatlichen Behörden auf, dringend alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um solche Vorfälle zu verhindern und zu unterbinden: “Die Gewalt an den EU-Außengrenzen muss ein Ende haben. Menschenleben dürfen nicht zum Spielball der Politik werden. Es braucht sichere Fluchtrouten, und schutzsuchende Menschen müssen angemessen versorgt und medizinisch behandelt werden.”

Die Migrationssprecherin der Grünen, Ewa Ernst-Dziedzic, erwartet – wie sie in einer Aussendung schreibt – eine “klare Verurteilung der Vorkommnisse in Griechenland” durch Bundeskanzler Karl Nehammer und Innenminister Gerhard Karner (beide ÖVP). “Das ist ein staatlich intendiertes Versagen und eine eklatante Verletzung des Unionsrechts und der Menschenrechte. Bewusst wird auch in Kauf genommen, dass selbst Kinder dadurch ums Leben kommen”, sagt Ernst-Dziedzic.

Die NEOS fordern erneut ein “Grundrechtemonitoring” an den EU-Außengrenzen und “einen effektiven Zugang zu einem rechtsstaatlichen Asylverfahren in jedem Mitgliedsstaat.” ÖVP und auch Grüne als Teil der Regierung sollten sich dafür “endlich einsetzen”, so NEOS-Asylsprecherin Stephanie Krisper.

Von: apa