Jubel sieht noch anders aus

Parteitagsergebnis falsch – Babler doch voran

Montag, 05. Juni 2023 | 22:26 Uhr

Die SPÖ hat innerhalb von drei Tagen ihren dritten Vorsitzenden. Beim Parteitag in Linz hatte Hans Peter Doskozil am Samstag Pamela Rendi-Wagner abgelöst. Doch die Freude währte nur bis Montag. Denn am Nachmittag verkündete die Leiterin der Wahlkommission Michaela Grubesa, dass man die Delegiertenstimmen vertauscht hat und doch Andreas Babler Parteichef ist. Der will auf Nummer sicher gehen und lässt neu auszählen.

Die Groteske hatte am Nachmittag ihren Lauf genommen, als erste Gerüchte in Umlauf kamen, wonach bei einer Nachzählung Ungereimtheiten aufgefallen seien. Dass überhaupt noch einmal nachgezählt wurde, hängt damit zusammen, dass beim am Parteitag verkündeten Ergebnis eine Stimme gefehlt hatte.

So trat gegen 16 Uhr Grubesa kurzfristig anberaumt vor die Medien und verkündete, dass man sich beim Befüllen einer Excel-Tabelle geirrt habe und die Babler-Stimmen Doskozil und umgekehrt zugeordnet hatte. Eine Nachprüfung am Parteitag habe es nicht gegeben, weil sie niemand verlangt habe, nahm die Kommissionsleiterin die Schuld auf sich.

Dass Babler nicht in Jubel verfiel, sondern die Kommission aufforderte, noch einmal nachzuzählen, hat Gründe. Denn ganz so, wie es Grubesa verkündet hat, dürfte es auch nicht gewesen sein. Die fehlende und nun wieder gefundene Stimme ordnete sie nämlich den ungültigen Stimmen zu – doch hat sich deren Zahl gegenüber dem Wahltag nicht geändert. Dafür gibt es bei den Sieger- und den Verlierer-Stimmen plötzlich jeweils eine mehr.

Grubesa hatte auch erklärt, dass sie am Nachmittag nachgezählt hat. Doskozil hatte aber schon davor Termine überraschend abgesagt, weil er am Vormittag von Ungereimtheiten erfahren habe. Babler wurde wiederum erst am Nachmittag von der Kommissionsleiterin informiert, nun doch Sieger zu sein.

Statt zu strahlen war der vermutlich neue SPÖ-Chef bei einem kurzfristig anberaumten Medien-Termin eher wütend. Babler sprach von einem “Tiefpunkt” durch die falsche Auszählung. Dieser sei nicht nur für Doskozil schmerzhaft, sondern für die ganze Partei. Das Geschehen sei nicht zu rechtfertigen: “Ich möchte mich für das Bild, das Teile unserer Apparate in den vergangenen Wochen abgegeben haben, aus tiefstem Herzen entschuldigen.

Das Amt will der Traiskirchener Bürgermeister natürlich annehmen, sollte sich das Ergebnis diesmal bestätigen. Die Wahlkommission wird dazu am morgigen Vormittag zusammentreten. Wie es personell an den weiteren Schalthebeln der Partei weitergeht, wollte Babler angesichts der Situation noch nicht verkünden. Dass die Gremien wie erwartet schon am Mittwoch zusammentreten, ist nunmehr unsicher.

Der Fehler sei bei der Übertragung in eine Excel-Tabelle passiert, so Grubesa. Die Listen aus den Wahlurnen seien zusammengeführt und in das System eingespeist worden: “Das Ergebnis wurde umgedreht”. Fassungslos über die Vorgangsweise beim Sonderparteitag zeigte sich der ehemalige Leiter der Wahlabteilung im Innenministerium, Robert Stein. Die Auszählung einer Wahl zwischen zwei Kandidaten mit rund 600 Stimmberechtigten sei eine “sehr einfache Aufgabe” und innerhalb von 45 Minuten bzw. einer Stunde bewältigbar, so Stein im ORF-Radio. “Bis zum Ergebnis hat Elektronik überhaupt nichts verloren”.

Ein neuer Parteitag ist laut Grubesa nicht nötig: “Aus meiner Sicht ist der ganze Prozess belegbar”, so die Kommissionsleiterin, die sich bei Doskozil entschuldigte.

Wenig später trat dieser in Eisenstadt vor die Presse und gestand seine Niederlage ein. “Es ist unbestritten, das Wahlergebnis so zur Kenntnis zu nehmen”, sagte er. Er wolle Babler “zum Gewinn der Wahl und zum Vorsitz der Bundespartei recht herzlich gratulieren”. Seine eigenen Ambitionen erklärte Doskozil für beendet, er wolle auch keinen neuerlichen Sonderparteitag: “Für mich ist das Kapitel Bundespolitik damit ein für alle Male abgeschlossen.” Ob er selber bei der Landtagswahl 2025 noch einmal antreten werde, ließ er offen.

Die jüngsten Ereignisse wertete Doskozil als “Tiefpunkt” für die österreichische Sozialdemokratie. “Es wird Häme geben, es wird Spott geben, aber es wird wieder schönere Zeiten für die Sozialdemokratie geben”, zeigte er sich nach knapp 48 Stunden, in denen er sich fälschlicherweise als Vorsitzender der SPÖ gewähnt hatte, überzeugt.

Auch viele andere Parteigranden waren geradezu beschämt: Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser nannte die Geschehnisse rund um die Stimmenauszählung unglaublich. “Es ist einer der schlimmsten Tage für die Sozialdemokratie in den letzten Jahrzehnten”, so Kaiser in der “ZiB2”. Das Auszählungsergebnis müsse nun überprüft werden. “Wir brauchen ein definitives Ergebnis, das gesichert ist” – gegebenenfalls mit einer zusätzlichen Aufsicht. Einen neuerlichen Parteitag hielt er für nicht nötig, wenn das Ergebnis bestätigt wird. Mittlerweile schließe er aber nichts mehr aus. Vorarlbergs SPÖ-Parteivorsitzende Gabi Sprickler-Falschlunger zeigte sich angesichts des vertauschten Auszählungsergebnisses fassungslos. Nicht so Wiens Bürgermeister Michael Ludwig, dessen Stadtorganisation Babler bei der Stichwahl quasi adoptiert hatte. Der sicherte dem “engagierten, dynamischer Sozialdemokraten” seine volle Unterstützung zu.

NEOS-Obfrau Beate Meinl-Reisinger sah in dem Ereignis nicht bloß einen Schaden für die SPÖ sondern auch für die Demokratie “und das ausgerechnet in Zeiten eines massiven Vertrauensverlusts”. Gar nicht so unähnlich war die Einschätzung von FPÖ-Chef Herbert Kickl: Bürger würden sich angesichts von Ereignissen wie der Auszählungspanne, die offenbar nur durch einen Zufall ans Licht gekommen sei, fragen, ob solche “Verwechslungen beziehungsweise Verdrehungen” bei Ergebnissen tatsächlich erstmalig aufgetreten seien. Für ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker versinkt die SPÖ im “völligen Chaos”.

Von: apa