“Wir haben keinen weißen Rauch erwartet, aber wir wollten ermutigen.” Ein verhalten zufriedenes Resümee zog am Donnerstag Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) nach einem Besuch mit seinen Amtskollegen aus der Slowakei, Miroslav Wlachovský, und Tschechien, Jan Lipavský, in Skopje. Zuvor hatte sich Nordmazedoniens Außenminister Bujar Osmani optimistisch gezeigt, dass sein Land den Zwist bezüglich einer für die EU-Annäherung notwendigen Verfassungsänderung bald beilegt.
Der Besuch im “Slavkov-Format” erfolgte auf Mandat des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell. Mazedonien ist seit 2005 offizieller EU-Beitrittskandidat, hatte seither aber heftigem Gegenwind zu trotzen. Zunächst musste der Widerstand Griechenlands durch eine Änderung des Staatsnamens ausgeräumt werden, dann gab es Vorbehalte Frankreichs und der Niederlande, schließlich ein Veto Bulgariens, das die bulgarische Minderheit in Nordmazedonien diskriminiert sieht.
Die Verfassungsänderung zur Anerkennung der bulgarischen Minderheit im Land ist eine von Bulgarien erzwungene Voraussetzung für Fortschritte Nordmazedoniens im EU-Beitrittsprozess. Bisher fehlt der sozialdemokratisch (SDSM) geführten Regierung in Skopje jedoch die dafür notwendige Zweidrittel-Mehrheit im Parlament. Die nationalkonservative Oppositionspartei VMRO-DPMNE lehnt die Änderung ab. Unter anderem stellt sie Befürchtungen in den Raum, dass Bulgarien Nordmazedonien nach dem Vollzug der Verfassungsänderung weitere Steine in den Weg legen könnte.
Außenminister Osmani von der albanischen Partei DUI warf der Opposition bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Slavkov-Trio vor, die Gefühle der Bevölkerung für Parteizwecke zu missbrauchen und die nationalen Interessen aus den Augen zu verlieren. Im Grunde handle es sich gar nicht um eine Änderung der Konstitution, sondern bloß um eine Ergänzung. Diese unterstreiche dazu den multiethnischen Charakter, der Nordmazedonien seit jeher auszeichne, erklärte Osmani, der bei dem Auftritt vor der Presse sowohl auf Mazedonisch als auch auf Albanisch sprach. Die Albaner stellen mit knapp 36 Prozent die größte ethnische Minderheit im Land. Die bulgarische Minderheit wird in dem knapp zwei Millionen Einwohner zählenden Land mit 0,2 Prozent angegeben.
Osmani zeigte sich jedoch zuversichtlich, dass die Regierung die Verfassungsänderung schon demnächst annehmen könnte. Der weitere “Screening-Prozess” werde dann wohl bis November dauern. In der Bevölkerung gebe es mit einer Zustimmung von 74 Prozent jedenfalls eine große Mehrheit für einen EU-Beitritt. Allerdings mache sich bereits eine gewisse Müdigkeit breit, weil der mühevolle Annäherungsprozess an die EU bereits so lange dauere. Schließlich habe sein Land seinerzeit gemeinsam mit Slowenien und Kroatien den Antrag gestellt. Daher wäre es wohl klüger, solche Prozesse etappenweise zu absolvieren. Schallenberg bezeichnete die von Osmani insinuierte Frustration in der nordmazedonischen Gesellschaft als “verständlich”.
Schallenberg, der gemeinsam mit Wlachovský und Lipavský auch den VMRO-DPMNE-Chef Hristijan Mickoski traf, forderte die politischen Entscheidungsträger in Nordmazedonien, aber auch in Bulgarien (“Ich setze große Hoffnungen auf die neue Regierung in Sofia”), auf, “strategisch zu denken”. Das geopolitische Thema EU-Erweiterung am Westbalkan sei zu wichtig, um “tagespolitisches Kleingeld zu wechseln”. Nordmazedonien laufe Gefahr, auf den letzten Metern vor dem Ziel EU-Beitritt “mit einem Motorschaden am Pannenstreifen zu landen”.
Details zu dem Gespräch mit Mickoski wollte Schallenberg bei der Abschlusspressekonferenz aber nicht preisgeben. “Wir haben Informationen aus erster Hand erhalten”, erklärte er. Diese würden nun nach Brüssel berichtet. Fazit: “Es war ein guter Besuch, aber wir wollen uns auch nicht in interne Angelegenheiten einmischen oder gar moralisierend wirken.”
Zuletzt gab es aber in Nordmazedonien eine gewisse Bewegung zu beobachten. Es wurde die Bildung einer provisorischen “Großen Koalition” angedacht, an der auch die VMRO-DPMNE beteiligt sein könnte, während die Albaner-Partei DUI von Außenminister Osmani aus der Regierung ausscheiden würde. Dieses Übergangskabinett könnte wichtige Punkte, die zur weiteren Annäherung Nordmazedoniens an die EU notwendig sind, abarbeiten und dann Neuwahlen ausschreiben. “Es tut sich viel in Nordmazedonien”, ortete der Außenminister eine steigende Handlungsbereitschaft.
Am aktuellen Stand des von den EU-27 ausgearbeiteten Beitrittskonzepts könne aber nicht gerüttelt werden, stellte Schallenberg ebenfalls klar. So sei es nicht denkbar, dass die geforderte Verfassungsänderung erst mit dem Beitritt Nordmazedoniens zur Europäischen Union in Kraft trete. Diese Idee war auch von der VMRO-DPMNE ins Spiel gebracht worden.
Der tschechische Außenminister Lipavský erklärte, Nordmazedonien sei jetzt schon “Teil der europäischen Familie.” Auch wenn die “Situation nicht einfach” sei, sollte der Annäherungsprozess vorangetrieben werden. Der slowakische Kollege ermutigte ebenfalls, die Bemühungen fortzusetzen. So könnte Nordmazedonien auch zu einer “Lokomotive” für andere Länder der Region werden.
Im Namen der 27 EU-Mitgliedstaaten trafen die drei Außenminister zudem Staatspräsident Stevo Pendarovski und Parlamentspräsident Talat Xhaferi sowie Vertreter der Regierungskoalition und der Opposition. Es handle sich um ein “starkes Signal”, meinte das Trio. Schallenberg sprach auch von einer “Ermutigung, das Engagement um endgültige Beitrittsverhandlungen fortzusetzen. Wir werden weiter an Eurer Seite sein.” In einem Punkt waren sich alle drei Minister einig: Derzeit bekomme eine EU-Erweiterung am Westbalkan die Unterstützung aller EU-Mitgliedsstaaten. Dies sei eine aktuell “einzigartige Atmosphäre” und eine Chance, die Nordmazedonien nützen müssen.
Österreich, die Slowakei und Tschechien sind Mitglieder der jüngst ins Leben gerufenen Initiative “Friends of the Western Balkans”. Bereits 2015 war in der südmährischen Stadt Slavkov (Austerlitz) eine verstärke zentraleuropäische Kooperation der drei Nachbarländer vereinbart worden. Im seither frequentierten “Slavkov/Austerlitz-Format” wurden in den vergangenen Jahren bereits öfters gemeinsame Missionen – unter anderem im Auftrag der EU – unternommen.
Neben den Westbalkan-Staaten Serbien, Montenegro, Bosnien-Herzegowina, Albanien, Kosovo und Nordmazedonien haben seit dem Vorjahr auch die Ukraine und Moldau offiziellen EU-Beitrittskandidatenstatus. Dies hat vor allem in Österreich eine gewisse Besorgnis ausgelöst, dass der Westbalkan dadurch ins Hintertreffen geraten könnte. Zudem gibt es die Sorge, dass in Folge Mächte wie Russland oder China verstärkten Einfluss in der Region erlangen könnten.
Von: apa
Schallenberg was macht Kurz??????