Der mit viel Spannung erwartete Auftritt von Thomas Schmid im ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss ist am Donnerstag anders als erwartet verlaufen. Der ehemalige Generalsekretär im Finanzministerium und Ex-ÖBAG-Chef kam zwar, entschlug sich aber unter Hinweis auf das gegen ihn laufende Strafverfahren bei jeder Frage der Aussage. Ihm drohen deshalb Beugestrafen – und der Ausschuss dürfte deshalb verlängert werden. Zudem wurde einstimmig eine neuerliche Ladung Schmids beschlossen.
Schmid gilt als zentrale Figur diverser Affären, großteils ausgelöst durch seine von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) sichergestellten Chats. Unter anderem belastete er vor der WKStA Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz und Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (beide ÖVP).
Gleich zu Beginn seiner Aussage kündigte Schmid aber an, dem Ausschuss keine einzige Frage zu beantworten. Dazu verwies er darauf, dass seine Aussage vor der WKStA noch nicht abgeschlossen sei. Zur Stützung seiner Argumentation führte er eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH) an. Im Unterschied zur Strafprozessordnung sei das Entschlagungsrecht in der Verfahrensordnung des Ausschusses weitergehend. Während man sich im Strafverfahren nur dann entschlagen dürfe, wenn man sich über die bisherige Aussage hinaus belasten würde, gebe es diese Einschränkung im Ausschuss nicht.
Darüber hinaus ließ er in einem von seinem Anwalt verbreiteten Statement festhalten, mit der Staatsanwaltschaft weiter zu kooperieren und “die an der Erforschung der materiellen Wahrheit orientierte Ermittlungsarbeit der WKStA zu unterstützen, so dass die weitere staatsanwaltliche Verfolgung von der Öffentlichkeit derzeit nicht bekannten Ermittlungsansätzen nicht desavouiert und unterlaufen werden kann”.
Die Vorsitzende und Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) ließ Schmids Schweigen in Abstimmung mit dem Verfahrensrichter nicht gelten und quittierte seine Aussageverweigerung mit der Ankündigung von Beugestrafenanträgen an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG). Schmid zeigte sich davon unbeeindruckt und blieb seiner Linie treu.
Damit wurde es skurril: Knapp drei Stunden lang wurden unbeirrt Fragen gestellt, deren Beantwortung verweigert wurde. Anschließend wurden jeweils Beugestrafen angedroht. Diese müssen nun beantragt und beim BVwG eingebracht werden – dieses wollte sich vor Einlangen der Anträge auf APA-Anfrage nicht zum weiteren Vorgehen äußern.
Aus Sicht von Strafrechtsexperten wäre es allerdings überraschend gewesen, hätte Schmid im U-Ausschuss – unter Wahrheitspflicht – ausgesagt. Die Verweigerung der Aussage habe keinen Einfluss auf seine Chancen, den Kronzeugenstatus zu erlangen. Das Risiko, als Auskunftsperson einen Fehler zu begehen, sei gegeben. “Es ist besser, man sagt nichts, als man sagt etwas Falsches”, hält Alois Birklbauer, der Leiter des Strafrechts-Instituts an der Universität Linz, die Entschlagungen für nachvollziehbar. “Außerhalb des Strafverfahrens ist es nicht relevant, ob er etwas sagt oder nicht”, merkte Robert Kert vom Institut für Wirtschaftsstrafrecht an der WU Wien gegenüber der “Wiener Zeitung” (Freitag-Ausgabe) an. Für die Beurteilung zähle lediglich seine Aussage vor der Staatsanwaltschaft sowie im Fall einer Anklage jene vor Gericht.
In einer vergleichbaren Situation Recht bekommen hat Ex-Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) – der im April die Aussage im U-Ausschuss unter Hinweis darauf verweigert hatte, dass er im Ibiza-Verfahren als Beschuldigter geführt werde. Die gegen ihn beantragte Beugestrafe wies das Bundesverwaltungsgericht im Mai ab, mit der Begründung, dass Schelling die Gefahr einer strafgerichtlichen Verfolgung “glaubhaft machen” habe können.
Der Ausschuss selbst dürfte nun aber verlängert werden. NEOS-Fraktionsvorsitzende Stephanie Krisper rückte nämlich angesichts der Schmid-Befragung davon ab, den Ausschuss nicht über den 7. Dezember hinaus verlängern zu wollen. Zunächst müsse die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über die Beugestrafen abgewartet werden – anschließend könne man den Ausschuss gegebenenfalls um einen Befragungstag verlängern, um Schmid erneut zu laden.
Für SPÖ-Fraktionsführer Kai Jan Krainer ist das praktisch fix – denn bis zum 7. Dezember werde das Gericht noch nicht rechtskräftig entschieden haben. Sei der Ausschuss bis dahin beendet, müsse es das Verfahren einstellen. Eine Beugestrafe kann nur beantragt werden, wenn die Auskunftsperson noch “gebeugt”, also zur Aussage angehalten werden kann. Ohne Ausschuss ist das nicht möglich.
Sein FPÖ-Pendant Christian Hafenecker bezeichnete den heutigen Tag als “Farce”. “Wenn man mit dem U-Ausschuss solche Spielchen spielen kann, sieht man, wie weit es mit der Demokratie in Österreich gekommen ist.” Er werde sich dafür einsetzen, dass Schmid der angestrebte Kronzeugenstatus im Strafverfahren verweigert wird.
Am Nachmittag war noch die ehemalige Kabinettschefin von Ex-Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ), Nicole Bayer, als Auskunftsperson geladen. Im Gegensatz zu Schmid beantwortete sie zwar Fragen – viel zum Untersuchungsgegenstand beizutragen hatte sie aber nicht. Bayer war bis 2014 Kabinettschefin, dann bis Mitte 2019 Präsidialchefin im Kanzleramt und wurde dann nach unter Schwarz-Blau durchgeführten Umstrukturierungen in eine Stabsstelle versetzt, bevor sie 2020 karenziert wurde und nach Brüssel ging. Nach zwei Stunden war ihre Befragung zu Ende.
Von: apa