Italienische Frächter-Klage gegen Kommission gescheitert

Transit – Weiter verhärtete Fronten im Brenner-Streit

Dienstag, 28. Februar 2023 | 16:15 Uhr

Brenner – Die Fronten in dem seit Jahren schwelenden Streit rund um die Tiroler Anti-Transitmaßnahmen sind weiter verhärtet. “Nach dem halbstündigen Gespräch bleibt die italienische Position unverändert – ohne jegliches Verständnis für die unerträgliche Situation der Menschen in der Region”, kritisierte Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) am Dienstag nach einem Treffen mit ihrem italienischen Amtskollegen Matteo Salvini (Lega) in Schweden.

“Wir müssen hier gemeinsam weiterkommen und das geht nur, wenn sich alle Seiten, auch Italien, bewegen”, forderte Gewessler laut Mitteilung weiter. “Sich an der EU abputzen und selbst nichts beitragen wollen – so kann es nicht weitergehen.” Österreich werde jedenfalls bei weiteren Gesprächen mit Italien, Deutschland und der EU-Kommission versuchen, eine gute Lösung zu erarbeiten. Gewessler betonte zudem, dass die Notmaßnahmen EU-rechtlich gedeckt seien. Auch Salvini sparte nicht mit harten Tönen: “Schluss mit den inakzeptablen Fahrverboten am Brenner, sonst wird Italien weiterhin ein Vertragsverletzungsverfahren durch die EU-Kommission fordern”, so Salvini in einer Presseerklärung.

Der Minister wies darauf hin, dass sich die Luftqualität trotz der Zunahme des Verkehrs stetig verbessert habe. Dies sei unter anderem den höheren Umweltstandards der Lkw zu verdanken. Italien sei zum Dialog bereit, “aber die Voraussetzung ist die Aufhebung der einseitigen Verbote, die gegen die EU-Verträge verstoßen”, betonte Salvini nach dem Gespräch, das eine halbe Stunde lang dauerte und vom Minister als “sehr offen” bezeichnet worden war. “Wir warten auf ein endgültiges und klares Wort der EU-Kommission”, sagte Salvini. Er warf der Kommission vor, dass diese “bei den Verstößen am Brenner jahrelang nicht interveniert hat”, so Salvini abschließend.

Tirols LH Anton Mattle (ÖVP) zeigte sich gegenüber der APA “wenig überrascht” ob des “nicht erfolgreichen Gesprächs”. Gleichzeitig sei er auch “nicht beeindruckt von den Tönen aus Italien.” “Ich bin in stetigen Kontakt mit Leonore Gewessler, denn bei der Transitpolitik darf zwischen Tirol und dem Bund kein Blatt Papier passen. Deshalb bin ich der Ministerin, aber auch Bundeskanzler Karl Nehammer, für die Unterstützung und die klaren Worte sehr dankbar”, erklärte Mattle. Es würden ganz klare europäische Lösungsansätze “wie die Verlagerung auf die Schiene, eine Korridormaut oder das Slot-System” am Tisch liegen. “Deshalb messe ich den italienischen Verkehrsminister nicht mehr an seinen angriffigen Worten, sondern an seinen politischen Taten”, so Mattle.

Indes wurde am Dienstag eine juristische Entscheidung in Sachen Transit bekannt: Eine Klage der italienischen Güterkraftverkehrsverbände vor dem Europäischen Gericht in Luxemburg gegen die EU-Kommission in Bezug auf die Tiroler Lkw-Fahrbeschränkungen scheiterte. Laut einem Bericht der “Tiroler Tageszeitung” (Dienstags-Ausgabe) wurde die Klage wegen “offensichtlicher Unzulässigkeit” abgewiesen. Die Frächter hatten der Kommission “Untätigkeit” vorgeworfen, weil sie die Tiroler Maßnahmen für rechtswidrig halten.

Wie der Tiroler Europarechtsexperte Walter Obwexer erklärte, ging das Gericht aber “erst gar nicht in die Argumentation” ein. Zwei Gründe waren für die Abweisung ausschlaggebend: Erstens hätte die Klage nicht von einem Verband, sondern nur von einem konkreten Frächter eingebracht werden müssen, nachdem nachgewiesen werden müsse, dass ein Rechtsakt erlassen wurde, der den Kläger direkt betrifft. Zweitens könne die Kommission gar nicht “von Einzelnen auf Untätigkeit verklagt werden, weil sie nicht dazu verpflichtet ist, ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten”, sagte Obwexer. Und dies nicht einmal dann, wenn ein Land gegen geltendes EU-Recht verstoße. Und Österreich würde nachgewiesenermaßen nicht gegen EU-Recht verstoßen, argumentierte er.

Naturgemäß zufrieden mit der Entscheidung zeigte sich Tirols Verkehrslandesrat René Zumtobel (SPÖ). “Diese Entscheidung bestärkt mich in meinem eingeschlagenen Weg. Ich werde mit den konstruktiven Partnern entlang des Brennerkorridors – in Bayern wie auch in Südtirol – weiterhin intensiv an grenzüberschreitenden Lösungen arbeiten, die unsere vom Transitverkehr belastete Bevölkerung schützen”, erklärte Zumtobel gegenüber der APA. Von der EU erwarte er sich jedenfalls “eine klare Haltung im Sinne des Green Deals, wenn sie ihr selbst gestecktes Ziel, die verkehrsbedingten Emissionen bis 2050 um 90 Prozent zu reduzieren, ernst nimmt.”

Den Frächtern bleibt noch der Gang vor den Europäischen Gerichtshof. Der Innsbrucker EU-Rechtler ging aber davon aus, dass dieser “umsonst sein” würde.

Salvini hatte in den vergangenen Monaten Österreich immer wieder von der EU-Kommission die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gefordert. Österreich verhindere mit seinen Anti-Transitmaßnahmen den freien Personen- und Warenverkehr, argumentierte er. Auch Bayern übt stetigen Druck auf Tirol aus, vor allem wegen der zeitweisen Lkw-Blockabfertigungen an der Grenze, die zu regelmäßigen Staus auf deutscher Seite führen. Am Montag hatte Gewessler reagiert und sich äußerst verärgert gezeigt, dass Italien an Lösungen zur Verbesserung der Transitproblematik in Tirol nicht ernsthaft mitarbeite. Salvini bzw. sein Ministerium dementierten dies.

Auch an einer anderen Verkehrsfront gab es unterdessen am Dienstag harte Töne aus Italien. Salvinis Vize-Verkehrsminister Edoardo Rixi warf Österreich Verzögerungen bei den Arbeiten für den Bau des Brennerbasistunnels vor. “Italien bohrt am Brenner, Österreich nicht. Wir sind genau im Zeitplan für den Bau des Brennerbasistunnels, auf österreichischer Seite sind sie spät dran”, sagte Rixi in seiner Rede anlässlich der Vorstellung des ersten Berichts des Verbands Fermerci über den Schienengüterverkehr in Italien.

Unternehmerverband: “Klimagerechte Lösung kann nur auf europäischer Ebene gelingen”

“Wir stehen für einen klimagerechten freien Warenverkehr über den Brenner, der die Bedürfnisse der Bevölkerung, der Umwelt und der Wirtschaft gleichermaßen achtet. Dafür ist eine europäische Lösung unabdingbar, die auf zukunftsgerichtete klima- und umweltgerechte Technologien setzt”, erklärt hingegen Unternehmerverbandspräsident Heiner Oberrauch nach dem Treffen der beiden Transportminister von Italien, Matteo Salvini, und Österreich, Leonore Gewessler.

“Enkeltaugliches Wirtschaften setzt voraus, dass Unternehmen Verantwortung gegenüber den künftigen Generationen übernehmen. Wir sind gefordert, auf die Stärkung der Schiene, sowie innovative Lösungen wie Wasserstoff oder E-Mobilität und auf einen emissionsarmen Fuhrpark zu setzen. Und wir stehen zum Verursacherprinzip: Alte, umweltbelastende Lkw müssen eine höhere Maut zahlen als moderne, emissionsarme Fahrzeuge”, sagt Oberrauch.

Verbote seien allerdings der falsche Weg: “Klimapolitik und industrielle Wettbewerbsfähigkeit stärken sich gegenseitig. Die Unternehmen sind Teil der Lösung für die ökologischen Herausforderungen. Den größten Beitrag zur Reduzierung der Schadstoffemissionen haben bisher nicht Verbote, sondern technologischer Fortschritt und innovative Lösungen geleistet.”

Daher hofft Oberrauch auch auf eine einvernehmliche, europäische Lösung: “Emissionsintensiver Verkehr muss in ganz Europa und weltweit teurer werden. Die EU muss sich aber für die Aufhebung der aktuellen verkehrsbeschränkenden Maßnahmen in Tirol einsetzen. Staus und stockender Verkehr produzieren zusätzliche Umweltbelastungen. Verbote, wie Dosierung der Durchfahrten für Lkw oder das Nachtfahrverbot, tragen nicht zu einer Verringerung der Emissionen bei, sondern einzig zu einer Konzentration des Verkehrs auf die Morgen- und Tagesstunden und leisten keinen Beitrag für das Klima.”

Von: apa

Bezirk: Wipptal

Kommentare

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9 Kommentare auf "Transit – Weiter verhärtete Fronten im Brenner-Streit"


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Plusminus
Plusminus
Grünschnabel
23 Tage 36 Min

Hat der Typ noch immer nicht gecheckt, daß er mit seinen Drohungen nichts erreicht. Heiße Luft Schwätzer, da werden die Österreicher sicher nicht nervös wegen einem Salvini 🤣

Gepetto76
Gepetto76
Tratscher
23 Tage 4 Min

In Punkto Transit haben die Össis immer schon gemacht was sie wollen…. Als die Grenzen noch waren haben sie Strafversetzte Zöllner am Brenner eingesetzt die dann die Fernfahrer schikaniert und diskriminiert haben.
Die Frächter mussten fast alle 2 Jahre neue LkWs kaufen um Ökopunkte zu sparen….
Das sie die Gründe neben der Autobahn teilweise verschenkt haben das Menschen dort bauen konnte von dem spricht heut keiner mehr….

Rosenrot
Rosenrot
Superredner
22 Tage 23 h

@Plusminus: So unrecht hat dieser Typ nicht, wie Du es nennst. Fakt ist, dass ein fließender Verkehr durch Österreich auch nachts gewährleistet werden muss. Ein wenig eigen waren die Österreicher ja immer schon. 

Privatmeinung
Privatmeinung
Superredner
22 Tage 13 h

Wenigstens sagt den Österreichern jemand was Sache ist. Sind wir EU oder nicht. Die meisten verstehen nicht, wenn ein LKW länger unterwegs ist, schlägt sich das aufs Endprodukt nieder. 
  Weiters wenn ich mit einem aktuellen LKW oder auch PKW mit 20kmh langsamer durchs Land fahre, dann ist das Fahrzeug auch länger in diesem Bereich unterwegs und somit länger die Abgase. 
Da jetzt die LKWs (ausgenommen LKWs aus dem Osten) alle sehr ökologisch und unweltfreundlich sind, und genug PS haben, ist es totaler Schwachsinn, mit niedriger Geschwindigkeit durchs Land zu fahren.

Neumi
Neumi
Kinig
22 Tage 12 h

@Privatmeinung Inwiefern widerspricht das Fahrverbot denn eigentlich den EU Regelungen? Inwiefern wird jemand diskriminiert?

Was die Geschwindigkeit angeht … da liegst du falsch.
Der Verbrauch (und damit die Abgase) steigen exponentiell.
Wenn du halb so lange brauchst (doppelte Geschwindigkeit), verursachst du mehr als doppelt so viele Abgase.

Wenn du doppelt so lange brauchst, dann bläst du zwar länger Abgase in die Luft, aber in der selben Zeit weniger als die Hälfte, also insgesamt weniger.

prontielefonti
Universalgelehrter
23 Tage 26 Min

Und ewig grüsst…

So ist das
22 Tage 14 h

Nur der LH hält sich zurück, man weiss ja nie, wann man wem braucht 🫢

pingoballino1955
pingoballino1955
Universalgelehrter
22 Tage 12 h

Das nenne ich : Unentschlossenheit.

Neumi
Neumi
Kinig
22 Tage 12 h

Ständige Drohungen, aber kein Handeln. Am Ende sind sich die Drohenden vielleicht gar nicht so sicher über einen Erfolg des Vertragsverletzungsverfahrens … denn wenn dieses stattfindet und Österreich am Ende als “Sieger” hervorgeht, dann ist es vorbei mit diesem Druckmittel.

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