Lithium aus Österreich wird wohl in Saudi-Arabien verarbeitet

Lithium von der Koralm wird in Saudi-Arabien verarbeitet

Freitag, 02. Juni 2023 | 08:41 Uhr

Die australische Firma European Lithium treibt die Vorbereitungen für einen Lithium-Abbau auf der Koralm voran. Noch im Juni sollen die Abbaurechte in ein Unternehmen an der US-Technologiebörse NASDAQ eingebracht werden – mit einer Marktkapitalisierung in der Nähe der Milliarde Dollar. Dafür zeichnet sich ab, dass die Weiterverarbeitung des Erzes zu batteriefähigem Lithium in Saudi-Arabien statt in Wolfsberg stattfindet, sagte CEO Dietrich Wanke im Gespräch mit der APA.

Denn European Lithium hat eine verbindliche Vereinbarung mit der saudi-arabischen Firma Obeikan zur Herstellung batteriefähigen Lithiums abgeschlossen, wie es in einer Mitteilung am Freitag hieß. Gegen die Verarbeitung des Erzes zu hochwertigem Lithium in Kärnten hätten vor allem die “ausufernden Energiekosten” gesprochen, so Wanke. Die Gewinnung von reinem Lithium aus dem Erz sei energieintensiv und brauche Gas. Die jüngsten Preisexplosionen hätten “eine dreiviertel Milliarde Dollar Mehrkosten” bedeutet. “Da muss man knallhart sagen, dass Europa für diese Industrien zur Absicherung der Energiewende nicht wettbewerbsfähig ist.”

Laut heutiger Mitteilung erwartet sich European Lithium durch die Vereinbarung signifikante Einsparungen bei den laufenden operativen Kosten inklusive den Ausgaben für Energie, bei den Kapitalkosten und eine deutlich niedrigere Besteuerung. Die ganze Kostenrechnung für das Projekt werde nun aktualisiert. Insbesondere erspart sich European Lithium laut Wanke rund 350 Mio. Euro, die für den Bau der Lithiumanlage in Wolfsberg geplant waren. Laut Vereinbarung soll das Lithiumhaltige Erz aus Wolfsberg (Zone 1) zur Gänze nach Saudi-Arabien gehen.

Geplant war der Bau eines Hydrometallurgischen Werks südlich der Bezirksstadt Wolfsberg, wo jährlich 70.000 Tonnen konzentriertes Erz (Spodumen) zu knapp 9.000 t batteriefähigem Lithium (LHM) verarbeitet werden sollten. Dort hätten laut Ankündigung von 2018 etwa 130 Stellen im Drei-Schicht-Betrieb entstehen sollen, in Summe also an die 400 Jobs. Dieser Arbeitsschritt soll nun voraussichtlich in Saudi-Arabien erfolgen. Wanke betont, dass weder die für das Werk in Wolfsberg nötige UVP noch steuerliche Vorteile in Saudi-Arabien für die Neuausrichtung ausschlaggebend gewesen seien. Aber die US-Partner hätten gesagt “Finger weg von energieintensiven Industrien in Europa”.

Statt dessen soll das Spodumen nun in Containern nach Saudi-Arabien verschifft werden. Die Kosten seien “marginal”, müsse das Erz doch nur per Lkw 20 Minuten zum Koralmtunnel gebracht und dann per Bahn und Schiff abtransportiert werden, sagt Wanke.

Die Lithium-Vorkommen auf der Koralm stehen unterdessen vor dem nächsten Wertschub. 1992 waren die Rechte daran um einen symbolischen Schilling (7,3 Cent) an die Kärntner Montanindustrie GmbH (KMI) gegangen. Diese verkaufte sie 2011 um 10 Mio. Euro an australische Investoren. Diese Rechte liegen inzwischen beim Unternehmen “European Lithium AT Limited” mit Sitz auf den Virgin Islands, einer Tochterfirma der australischen Firma European Lithium. Diese Tochterfirma soll nun in eine an der NASDAQ notierte Unternehmenshülle (Sizzle) eingebracht werden, sodass eine neue Firma namens “Critical Metals” entsteht. Diese soll zum Start eine Marktkapitalisierung von 972 Mio. Dollar (907 Mio. Euro) haben, wie aus Börsenunterlagen hervorgeht. European Lithium wird daran 80 Prozent halten, die Aktionäre der Unternehmenshülle die restlichen 20 Prozent. Sizzle bringt 159 Mio. Dollar in den Deal ein.

European Lithium ist derzeit an der australischen Börse rund 82 Mio. Euro wert – ein gutes Zehntel des US-Börsenneulings. Für Wanke ist das nicht überraschend. European Lithium sei als Explorationsunternehmen “massiv unterbewertet”. Die von der US-Börsenaufsicht streng geprüften Unterlagen würden einen erwartbaren Gewinn von 1,5 Mrd. Dollar zeigen. Wobei Wanke angesichts des Ausbaus der Elektromobilität von einer steigenden Nachfrage nach Lithium bei knappem Angebot und damit von weiter steigenden Preisen ausgeht.

Das Unternehmen rechnet in seiner Machbarkeitsstudie mit Gestehungskosten von 19.000 Dollar je Tonne reinem Lithium, die sich noch verringern würden, wenn Feldspat und Quarz ertragreich verkauft werden können, und Verkaufspreisen bei 50.000 Dollar. Der stark schwankende Lithium-Preis liegt derzeit bei etwa 30.000 Dollar, hatte Ende 2022 aber auch schon 80.000 Dollar erreicht. Bis 2021 war der Lithiumpreis zwar noch unter den Gestehungskosten von European Lithium gelegen, Wanke weist aber darauf hin, dass sich schon lange abzeichne, dass die Nachfrage steigen wird, auch wenn das Angebot begrenzt bleibt.

Auch wenn Wanke keine Sorge hinsichtlich der Nachfrage hat, gibt es bereits einen Vertrag mit BMW zur Abnahme des batteriefähigen Lithiums. Demnach zahle BMW 15 Mio. Dollar im Voraus und erhalte vorerst für fünf Jahre das batteriefähige Lithium mit einem Abschlag von 10 Prozent auf den Spotmarktpreis, heißt es im endgültigen Machbarkeitsbericht zum Erzabbau auf der Koralm, den European Lithium vor kurzem vorgelegt hat. Der Autobauer selber bestätigte auf Anfrage der APA lediglich, dass es ein Abkommen mit European Lithium gebe, wollte sich aber nicht zu den Details äußern.

Mit dem Börsengang sollen auch die Schürfrechte in der Weinebene und in den Ostalpen an die US-Börse gehen – nicht aber die Rechte an den Lithium-Explorationsprojekten Bretstein-Lachtal (Bezirke Murtal bzw. Murau), Klementkogel (Bezirke Voitsberg bzw. Wolfsberg) und Wildbachgraben (Bezirk Deutschlandsberg), die sich European Lithium kürzlich gesichert hat. Sollten sich diese als nachhaltig abbaubar erweisen, sieht sie European Lithium als zukünftigen “Wachstumsbereich”. Das Australische Unternehmen hat auch Lithium-Rechte in der Ukraine und in Grönland.

Aus heutiger Sicht soll 2025 mit der Erzgewinnung auf der Koralm begonnen werden, Ende 2026 oder Anfang 2027 soll das erste batteriefähige Lithium auf den Markt kommen, sagte Wanke. Allerdings hat das Unternehmen noch einen steinigen Behördenweg vor sich. Denn es hat zwar das Recht nach Lithium zu suchen und auch das grundsätzliche Recht, Lithium abzubauen (Bergbauberechtigung). Es fehlt aber noch der konkrete Gewinnungsbetriebsplan, der Schritt für Schritt die nötigen Maßnahmen festschreibt und genehmigt. Offen sind davor noch der konkrete Finanzierungsplan aber auch einige Umweltprüfungen. Außerdem wäre es denkbar, dass Nachbarn Einspruch erheben und so zu einer jahrelangen Verzögerung führen, selbst wenn sie am Ende nicht recht bekommen sollten.

Wanke hält dem entgegen, dass oberirdisch weder Lärm noch Emissionen entstehen und dass European Lithium seit Jahren Daten zum Wasserfluss und anderen Umweltaspekten sammle. Auch gebe es laufende Gespräche mit Grundbesitzern, der größte, die Glock-Stiftung, habe einen Einspruchsverzicht unterschrieben. Sollte es aber dennoch zu Einsprüchen oder zusätzlichen behördlichen Forderungen kommen, wäre das höhere Gewalt und würde eine Verzögerung rechtfertigen.

Auch ist sich European Lithium sicher, oberirdisch mit weniger als 10 ha Grundverbrauch auszukommen – damit entfällt eine UVP für die Erzgewinnung. Die Mine soll 15 Jahre lang betrieben werden. Von den 12 Mio. Tonnen Gestein, die dabei abgebaut werden, soll knapp 1 Mio. Tonnen auf Spodumen entfallen und aus heutiger Sicht wahrscheinlich in Saudi-Arabien zu 129.000 t reinem Lithium verarbeitet werden. Die Trennung des Spodumen vom Rest des Gesteins soll gleich auf der Koralpe erfolgen, dabei anfallender Feldspat und Quarz sollen idealerweise verkauft werden, zum Beispiel an die Glasindustrie. Gespräche mit Interessenten gebe es, Verträge noch nicht, sagt Wanke. Der Rest des tauben Gesteins soll in den Stollen gelagert werden, aus denen es ursprünglich gefördert wurde, sodass keine oberirdischen Gesteinshalden entstehen.

Aus Sicht der Bergbaubehörde ist ein Projekt innerhalb von sechs Monaten zu genehmigen – wenn es in einer genehmigungsfähigen Form eingereicht wurde. Ein Jahr für die Abarbeitung eines Antrags ist realistischer aber auch ambitioniert. Sollte es noch Rückfragen geben, kann sich der Prozess entsprechend verzögern. Außerdem ist die Bergbaubehörde nur für den Aufschluss und den Abbau zuständig – Nötige Bergwerkseinrichtung, wasserrechtliche Bescheide, Transporte sind von anderen Behörden zu genehmigen – damit sprechen Land, Bezirk oder Gemeinde auch noch mit.

Sollte es doch noch zu einer Verzögerung kommen, wäre dies aber für den Lithiumabbau auf der Koralpe keine neue Situation: Als das Projekt 2011 an Australier ging, sollte 2013 mit dem Erzabbau begonnen werden.

Von: apa