Südkoreas Wirtschaft hängt vom Wohlergehen weniger Mischkonzerne ab, die in Familienhand liegen – den Chaebols. Allen voran Samsung, der größten Unternehmensgruppe Südkoreas, die allein 15 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftet, sagte der österreichische Wirtschaftsdelegierte Wolfgang Köstinger bei einem Pressegespräch. Diese Abhängigkeit sorgt immer wieder für Unmut in der Bevölkerung. Reformen seien von der aktuellen konservativen Regierung aber nicht zu erwarten.
In Korea können die Menschen mit Hilfe von Samsungs Medizintechnologien auf die Welt gebracht werden, in Samsung-Apartments mit Samsung-Fernsehgeräten und -Kühlschränken leben, bei Samsung arbeiten und schließlich auch von Samsung beerdigt werden. Die oft bereits in dritter Generation geführten Mischkonzerne sind in vielen Branchen tätig. Sie profitieren von historisch gewachsenen Wettbewerbsvorteilen und guten Beziehungen zu Banken und zur Politik.
Rund zwanzig große Konglomerate in Familienbesitz gibt es, so Köstinger. Die Aktien der fünf größten Chaebols – Samsung, LG, Hyundai, SK und Lotte – machen laut “Bloomberg” die Hälfte des koreanischen Aktienmarktes aus. Obwohl die Chaebols sowohl im Inland als auch auf dem internationalen Markt stark sind, werden sie oft für systembedingte Probleme kritisiert. So werden die Konzerne häufig noch von den Gründerfamilien und nicht von Fachleuten geleitet. Außerdem wird ihnen eine unangemessene Nähe zur Politik nachgesagt.
Ein Korruptionsskandal brachte 2017 die frühere konservative Präsidentin Park Geun-hye ins Gefängnis und zeigte, wie nah sich Politik und Chaebols stehen. Reformbestrebungen gebe es zwar immer wieder mal, würden derzeit aber an der konservativen Regierung scheitern, sagte Köstinger. Die Ex-Präsidentin und der damals in die Korruptionsaffäre verwickelte Samsung-Erbe seien mittlerweile begnadigt.
Südkorea ist ohne einen einzigen Lockdown durch die Pandemie gekommen, erzählte der Wirtschaftsdelegierte weiter. Samsungs Halbleitergeschäft profitierte davon auf zwei Arten – einerseits vom steigenden Bedarf an Halbleitern durch vermehrtes Homeoffice, andererseits von den mitunter strengen Corona-Beschränkungen in anderen Teilen der Welt. So konnte nach Angaben der Wirtschaftskammer die Halbleitersparte von Samsung jüngst den US-Chip-Hersteller Intel vom ersten Platz verdrängen. Gemeinsam mit Südkoreas zweitgrößtem Chiphersteller SK Hynix halten die beiden Konzerne nun einen Weltmarktanteil von 60 Prozent bei Speicherchips. Korea ist nach Japan und China Österreichs drittgrößter Handelspartner in Asien.
Immer öfter ist auch von “neuen” Chaebols die Rede. Damit sind Digitalunternehmen mit großem Marktanteil gemeint, wie zum Beispiel der koreanische Technologieriese Kakao. Vergangenes Wochenende legte ein Brand im Datenzentrum des Digitalkonzerns weite Teile des gesellschaftlichen Lebens in Korea lahm. Kakao betreibt mehrere Online-Dienste, unter anderem KakaoTalk, den größten Messagingdienst Koreas. Aber auch Bankdienste, eine Suchmaschine sowie Navigations-, Taxi-, Musikstreaming- und Glückspieldienste, die sich alle über eine “Super-App” bedienen lassen.
Das 2010 gegründete Unternehmen ist laut mehreren Medienberichten Quasimonopolist, was einige Bereiche der koreanischen Onlinewirtschaft anbelangt. Demnach kommt das Kakao-Imperium in Südkorea auf 45 Millionen Kundinnen und Kunden bei einer Bevölkerungszahl von 52 Millionen Menschen. Der Brand im Datenzentrum entfachte neue Diskussionen über den großen Einfluss einzelner Unternehmen, Rufe nach Reformen und zwang jüngst auch Kakao-Chef Whon Namkoong zum Rücktritt. Durch die digitalen Oligopole sind neue Abhängigkeiten entstanden, auf deren Tragweite vergangene Woche bereits ein Vorgeschmack gegeben wurde.
Von: apa