Von: apa
Die angepeilte Mitte-Rechts-Fünferkoalition in Südtirol von Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP) bestehend aus Südtiroler Volkspartei (SVP), Südtiroler Freiheitlichen, Fratelli d’Italia, Lega und La Civica ist fix. Nach zähen Verhandlungen einigten sich die Koalitionäre in der Nacht auf Mittwoch auch in Sachen Personal und paktierten eine Landesregierung bestehend aus elf Mitgliedern. Die italienischen Parteien Fratelli d’Italia und Lega stellen jeweils einen Landesrat.
Die kleine Bürgerliste La Civica wird indes nicht in der Landesregierung vertreten sein. Ihr Landtagsabgeordneter Angelo Gennacaro soll laut einer Aussendung der Koalitionäre Mittwoch früh für das Amt des Landtagspräsidenten vorgeschlagen werden. Und zudem auch für jenes des Regionalassessors, ausgestattet mit Zuständigkeiten für die Städte Meran und Bozen. Auch soll er der italienische Vertreter in der 6er bzw. 12er Kommission werden. Im Koalitionsausschuss würden alle Parteien paritätisch vertreten sein, hieß es.
Ein entsprechendes Dokument über die neue “11er-Regierung” wurde unterzeichnet und Landtagspräsident Josef Noggler übermittelt. Damit ist nach der bereits Anfang Jänner erfolgten Einigung auf ein Koalitionsabkommen nun alles unter Dach und Fach. Am Donnerstag wird die Wahl von Landeshauptmann Kompatscher im Landtag erfolgen. “Anbrennen” sollte nichts: Es wird offen abgestimmt, das neue Bündnis verfügt über eine komfortable Mehrheit von 19 von 35 Mandaten. Der seit dem Jahr 2014 amtierende Landeschef geht in seine letzte Amtsperiode.
Zuletzt hatte es noch einige Verhandlungsturbulenzen hinsichtlich des Personalpakets gegeben. Die Gespräche zogen sich wie ein Kaugummi. Im Raum stand sowohl eine achtköpfige Landesregierung – von Kompatscher ventiliert, aber von den “Italienern” abgelehnt – als auch eine 11er-Variante. Zuletzt zeigte sich die SVP offen für beides, spielte den Ball aber in das Feld der Italiener. Diese müssten entscheiden, wen sie in die Regierung schicken. Zudem dürfe kein italienischer Partner ausscheren, die Mehrheit von 19 Mandaten im Landtag müsse stehen. Sonst sei nur eine Regierung aus acht Personen – inklusive Landeshauptmann – möglich.
Auf italienischer Seite werden Marco Galateo von Fratelli d’Italia und Christian Bianchi von der Lega der Regierung angehören. Wer für die “Sammelpartei” SVP in die Landesregierung einziehen wird, war indes vorerst noch nicht ganz klar. Dies werde erst bekanntgegeben, nachdem der Parteiausschuss am kommenden Montag getagt habe, sagte Landessekretär Martin Pircher zur APA. Kompatscher und Parteiobmann Philipp Achammer würden in das Gremium mit einem gemeinsamen Personalvorschlag gehen. Größere Rochaden dürfte es nicht geben. Die bisherigen Landesräte Arnold Schuler (unter anderem Tourismus und Landwirtschaft) sowie Waltraud Deeg (Soziales, Wohnbau) galten zuletzt als Wackelkandidaten.
Die Freiheitlichen werden wohl die erfahrene Landtagsabgeordnete Ulli Mair entsenden. Für die Partei stelle die Regierungsbeteiligung eine wichtige Weiterentwicklung dar, meinte diese gegenüber Rai Südtirol: “Die Freiheitlichen sind immer mit dem Ziel angetreten, irgendwann einmal Verantwortung in der Regierung anzunehmen.” Die Koalition sei “klar keine Liebeshochzeit mit Schmetterlingen im Bauch”. Es handle sich um eine “reine Arbeitskoalition und keine Wahlallianz”, so Mair.
Die oppositionelle und bei der Landtagswahl massiv gestärkte “Süd-Tiroler Freiheit” hatte indes bereits einen Rekurs gegen eine 11-köpfige Landesregierung mit zwei italienischen Landesräten angekündigt. Der Landtagsabgeordnete Sven Knoll verwies darauf, dass es nicht darum gehe, einen Italiener zu verhindern sondern dass Gesetze und die Autonomiebestimmungen eingehalten werden müssten. Aufgrund der aktuellen Besetzung des Landtages, also aufgrund der Stärke der italienischen Sprachgruppe im Landtag, sei bei einer elfköpfigen Landesregierung nur ein italienischsprachiger Vertreter vorgesehen, argumentierte Knoll.
Bei einer Pressekonferenz am Mittwoch in Bozen ging Knoll mit der künftigen Koalition hart ins Gericht. Es handle sich um eine “Koalition der Verlierer und Faschisten.” Um selbst an der Macht zu bleiben, sei “Autonomiegefährder” Kompatscher “sogar bereit, Faschisten und Autonomiefeinde in die Regierung zu holen.” Essenzielle Fragen zur Wiederherstellung der Autonomie, wie kriminelle Ausländer abgeschoben werden sollen oder wie das Leben wieder leistbar gemacht werden soll, würden zudem im Regierungsprogramm nicht beantwortet.
Das angestrebte Bündnis, über das seit Anfang Dezember verhandelt worden war, hatte der SVP zuletzt einigen Gegenwind aus der Zivilgesellschaft eingehandelt. 224 Wissenschafter der autonomen Provinz waren mit einem “Offenen Brief” gegen die Koalition mit den Rechtsparteien auf die Barrikaden gegangen. Auch rund 200 Künstler wandten sich gegen eine Regierungsbeteiligung der als postfaschistisch bezeichneten Fratelli d’Italia, der Partei von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Die SVP-Parteibasis stand aber mehrheitlich hinter dem Kurs von Kompatscher, der mitunter auch Unbehagen artikulierte, und Obmann Achammer.
Kompatscher war bemüht, den Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen bzw. sie zu beruhigen. Er betonte unter anderem, dass es an der SVP liege, “dafür zu garantieren, dass eine Koalition eine klare Ausrichtung der Mitte hat.” Man sei schließlich die Partei, die “die Mitte vertritt und deren Politik eindeutig mittig ist.” Teil des Abkommens, das noch nicht näher bekannt war, soll eine Präambel sein, in der sich die Partner zu Werten wie Europa, Autonomie, Nachhaltigkeit und Nicht-Diskriminierung bekennen.
Die Südtiroler Volkspartei brauchte nach ihrer empfindlichen Niederlage bei der Landtagswahl Ende Oktober zwei weitere Koalitionspartner, um auf eine Landtagsmehrheit zu kommen bzw. jedenfalls auch einen deutschsprachigen Partner. Ein Novum in der Südtiroler Geschichte. Zuletzt regierte man nur mit der Lega. Dass eine italienischsprachige Partei bzw. deren Proponenten in einer Landesregierung vertreten sind, ist ohnehin zwingend vorgeschrieben.