Thriller mit offenem Ende

Warum der Netflix-Hit „House of Dynamite” keine Antworten liefert

Mittwoch, 29. Oktober 2025 | 11:21 Uhr

Von: idr

Bozen – Der neue Atomkrieg-Thriller „House of Dynamite“ von Regisseurin Kathryn Bigelow schoss nach seinem Start am Freitag direkt an die Spitze der Netflix-Charts. Doch während viele Zuschauer von dem beklemmenden Szenario gefesselt waren, sorgte das offene Ende für kontroverse Diskussionen. Drehbuchautor Noah Oppenheim hat nun erklärt, warum er sich bewusst für diesen Cliffhanger entschieden hat. Die Aktualität des Themas könnte kaum größer sein. Achtung: Es folgen Spoiler.

Der Film mit Rebecca Ferguson als Mitarbeiterin im Weißen Haus und Idris Elba als US-Präsident zeigt dieselben panischen 18 Minuten aus drei verschiedenen Perspektiven. So lange hätten Amerikas Entscheidungsträger Zeit, auf eine vom Pazifik abgefeuerte Interkontinentalrakete zu reagieren. „Es ist eine unmöglich kurze Zeit, um irgendeine Entscheidung zu treffen, geschweige denn eine, von der das Schicksal der gesamten Menschheit abhängt“, erklärte Oppenheim gegenüber RadioTimes.

Ausgang soll diskutiert werden

Das Ende lässt die entscheidenden Fragen bewusst offen: Während hochrangige Regierungsmitglieder in einen autarken Bunker flüchten, muss der Präsident zwischen verschiedenen Vergeltungsoptionen wählen. Doch welche Entscheidung er trifft, erfahren die Zuschauer nicht. „Wir wollten dem Publikum keine saubere und ordentliche Lösung bieten“, so Oppenheim. Ein klares Ende hätte den Zuschauern ermöglicht, zur Tagesordnung überzugehen. Stattdessen wolle man zu einer Diskussion einladen über die reale Welt mit mehreren Tausend Atomwaffen.

Die Brisanz des Themas zeigt sich derzeit auf mehreren Schauplätzen: Russland hat im Zuge des Ukraine-Kriegs wiederholt mit dem Einsatz taktischer Atomwaffen gedroht und seine Nukleardoktrin verschärft. In Europa diskutiert man die Ausweitung des französischen Atomschirms, nachdem die USA sich zunehmend unzuverlässig zeigen, während der Iran sein Atomprogramm vorantreibt und aus dem IAEA-Programm ausgetreten ist. Rebecca Ferguson betonte: „Eines der größten Dinge ist, dass die Menschen nicht verstanden haben, dass eine Person die Macht hat. Ein einzelner Mensch hat die Macht, einen Atomkrieg zu beginnen.“

„Wir wollen uns verteidigen können, damit wir uns nie verteidigen müssen.“

Ivan Zaccagnini, Sicherheitsexperte am Center for Security Studies der ETH Zürich, hält den im Film gezeigten Abschuss einer einzelnen, nicht identifizierten Rakete zwar für eher unrealistisch. Dennoch lobt er die Darstellung der militärischen Abläufe als grundsätzlich realitätsnah. Trotz aktueller Spannungen sieht er keinen konkreten Atomangriff am Horizont – die Gefahr der totalen nuklearen Zerstörung halte die Atommächte weiterhin von einem Erstschlag ab.

Ein paradoxes, aber nach wie vor unumgängliches System der Abschreckung, oder um es mit den Worten des deutschen Bundeskanzlers zu sagen: „Wir wollen uns verteidigen können, damit wir uns nie verteidigen müssen.“

Kommentare

Aktuell sind 6 Kommentare vorhanden

Kommentare anzeigen