Autobranche sieht Entscheidung als wichtigen Schritt

Autobauer bekommen mehr Zeit für EU-Klimavorgaben

Donnerstag, 08. Mai 2025 | 15:36 Uhr

Von: APA/dpa

Angesichts drohender CO2-Strafen bekommen Europas Autobauer mehr Zeit, um EU-Klimavorgaben einzuhalten. Das Europaparlament stimmte in Straßburg für eine entsprechende Lockerung. Formell müssen die EU-Staaten die Entscheidung noch billigen, sie hatten sich am Mittwoch aber bereits für eine Verschiebung ausgesprochen. Am Verbrenner-Aus für Neuwagen ab 2035 hielten die Abgeordneten am Donnerstag fest.

Damit folgen die beiden Institutionen einem Vorschlag der EU-Kommission, wonach Grenzwerte nicht mehr jährlich eingehalten werden müssen, sondern die Unternehmen drei Jahre Zeit bekommen. Wenn VW, Mercedes, BMW oder andere Unternehmen die Vorgaben in diesem Jahr überschreiten, werden sie nicht automatisch zur Kasse gebeten. Sie können Strafen ganz vermeiden, wenn sie in den beiden Folgejahren die EU-Regeln übererfüllen.

Konträre Reaktionen der österreichischen EU-Abgeordneten

Die Einigung auf eine Lockerung der Emissionsregelung sorgt im europäischen Parlament für unterschiedliche Reaktionen: Die ÖVP-Europaabgeordneten Sophia Kircher und Alexander Bernhuber sehen in der Gesetzeslockerung “eine wichtige Atempause” für die Autobauer und einen gelungenen Spagat zwischen Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit. Dem freiheitlichen Europaparlamentarier und Verkehrssprecher der Patriots-Fraktion im Europaparlament, Roman Haider, ging die Änderung allerdings nicht weit genug. Er sieht zwar “einen kleinen Schritt in Richtung Vernunft”, hätte aber lieber ein komplettes Aufheben des Verbrennerverbots durchgebracht.

Eine komplett konträre Meinung nehmen die Grünen ein: Sie sehen durch die Aufweichung der Emissionsregelung den Klimaschutz ausgebremst und erkennen in der Änderung einen “Kniefall” der Parteien vor den Autokonzernen. Grünen-Europaabgeordneter Lukas Hammer erklärt zudem, die Konzerne würden Gefahr laufen, “am Weg in die E-Auto-Zukunft noch mehr ins Hintertreffen zu geraten”. Seine Kollegin Lena Schilling kritisiert insbesondere die ÖVP und bezeichnet sie als “Lobbyistin der fossilen Industrie”.

Autobranche sieht Entscheidung als wichtigen Schritt

Der deutsche Verband der Automobilindustrie (VDA) sieht in dem Aufschub einen ersten wichtigen Schritt. “Politisches Handeln bedeutet, nicht nur Ziele zu setzen, sondern auch deren Erreichung zu ermöglichen”, sagte Verbandspräsidentin Hildegard Müller der Deutschen Presse-Agentur. Die Rahmenbedingungen in vielen Bereichen seien unzureichend, Ziele sollten grundsätzlich flexibler gestaltet werden. Angesichts globaler Herausforderungen und der momentan schleppenden Nachfrage nach E-Autos gebe es weiteren Handlungs- und Gesprächsbedarf. Als Beispiele nannte Müller unter anderem den Ausbau der Ladeinfrastruktur, die Strompreise, die Halbleiterversorgung und die Batterieproduktion. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Standortes dürfe nicht weiter vernachlässigt werden.

Warum Strafen drohen Hintergrund der drohenden Strafen für die ohnehin angeschlagene Industrie sind Flottengrenzwerte, die einen Durchschnittswert an CO2-Ausstoß pro Auto erlauben. Mit Beginn des Jahres haben sich diese gesetzlichen Vorgaben verschärft. Im Schnitt aller in der EU in einem Jahr zugelassenen Fahrzeuge darf dieser Grenzwert nicht überschritten werden. Für zu viel ausgestoßenes CO2 müssen die Hersteller Strafe zahlen. Weil sich unter anderem der Absatz für E-Autos nicht so gut entwickelt hat, wie früher prognostiziert wurde, könnten Autobauer die Grenzwerte deutlich überschreiten.

Autoindustrie unter Druck

Die vor allem für die deutsche Wirtschaft entscheidende Branche steht unter Druck. Zunehmend machen den Herstellern Firmen aus China und den USA Konkurrenz. Dort haben Unternehmen die Umstellung auf die E-Mobilität schneller geschafft. Hinzu kommt, dass die Autohersteller derzeit stark vom Handelskonflikt mit den USA betroffen sind. Die von US-Präsident Donald Trump ausgesprochenen Zölle auf Autos und Automobilteile von 25 Prozent waren Anfang April in Kraft getreten. Die Vereinigten Staaten sind für die deutsche Automobilbranche einer der wichtigsten Handelspartner: Laut Zahlen des Statistischen Bundesamts nahmen die USA mit 13,1 Prozent der Exporte so viele Pkw ab wie kein anderes Land. Fast jeder dritte Porsche und jeder sechste BMW wurde 2024 in Nordamerika verkauft, bei VW, Audi und Mercedes-Benz lag der Anteil jeweils bei 12 bis 15 Prozent. Aber auch auf dem deutschen Markt ist die Lage angespannt. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr laut Kraftfahrt-Bundesamt rund 2,8 Millionen Autos in Deutschland neu zugelassen. Das war etwa ein Prozent weniger als im Jahr davor und rund ein Viertel weniger als 2019, dem letzten Jahr vor der Corona-Pandemie.

Verkehr ist Sorgenkind beim Klimaschutz Im Verkehrssektor gibt es bisher deutlich weniger Fortschritt beim Klimaschutz im Vergleich zu anderen Bereichen. Zwar sanken die Emissionen im Verkehr in Deutschland nach Angaben der Denkfabrik Agora Energiewende um zwei Millionen Tonnen gegenüber dem Vorjahr. Das sei aber etwa auf geringeren Lkw-Verkehr wegen der Wirtschaftsflaute zurückzuführen. “Der CO2-Flottengrenzwert ist das wichtigste Instrument des Klimaschutzes im Verkehrsbereich und erweist sich als effektiv”, teilte Felix Creutzig vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung mit. Dies zeige sich vor allem darin, dass Autohersteller Elektroautos vermehrt und verbilligt anböten, um Werte zu erreichen. Eine Flexibilisierung bedeute, dass mehr CO2 ausgestoßen werde. Creutzig war Mitglied im Expertenbeirat Klimaschutz von Ex-Verkehrsminister Volker Wissing und ist Mitglied des Nachhaltigkeitsbeirats von Mercedes.

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