Von: apa
Das Spitzenkandidatenprinzip soll mehr Menschen für die Europawahlen interessieren. Jede Partei, die für das Europaparlament kandidiert, soll eine Spitzenkandidatin oder einen Spitzenkandidaten benennen, der oder die dann in ganz Europa wahlkämpft. Dies soll die Wahlen grenzüberschreitender machen und den Parteien europaweit ein Gesicht und eine Stimme geben. Der Kandidat der stärksten Partei soll auch Anwärter für den Topjob des EU-Kommissionsvorsitzes sein.
Worum geht es eigentlich?
Das Spitzenkandidatenprinzip wurde erstmals 2014 bei Europawahlen angewandt. Vor zehn Jahren funktionierte es: Der luxemburgische EVP-Spitzenkandidat Jean-Claude Juncker wurde damals Kommissionspräsident. 2019 klappte es hingegen nicht: Spitzenkandidat der stimmenstärksten EVP war der deutsche CSU-Politiker Manfred Weber. Von den EU-Staats- und Regierungschefs wurde aber trotzdem nicht er, sondern die deutsche CDU-Politikerin Ursula von der Leyen zur Kommissionspräsidentin bestimmt. Auf nationaler Ebene stellen alle im EU-Parlament vertretenen Parteien Spitzenkandidaten auf, die den Wahlkampf anführen und üblicherweise Delegationsleiter werden, wenn sie ins Parlament gewählt werden.
Warum ist das wichtig?
Das Europäische Parlament kennen viele Europäer nicht gut. Obwohl es in den vergangenen Jahren an Einfluss gewann und mehr mitbestimmen kann, interessieren sich relativ wenige Menschen für die EU-Wahlen. In Österreich gaben 2019 rund 60 Prozent, EU-weit nur rund die Hälfte aller Wahlberechtigten ihre Stimme ab. EU-weite Spitzenkandidierende sollen die Wahlen europäischer und wichtiger machen: Jede Bürgerin und jeder Bürger kann theoretisch mitbestimmen, wer die EU-Kommission leitet, – auch wenn dies nicht in den EU-Verträgen steht. Die europäischen Parteien wiederum wollen mit einem Gesicht und einer Stimme, das sie repräsentiert, den Menschen näherkommen und Stimmen sammeln.
Wer stellt wie Spitzenkandidierende auf?
Derzeit sind im EU-Parlament sieben Parteien vertreten. Nicht alle dieser Parteien haben europaweite Spitzenkandidaten aufgestellt. Die Delegierten von Europäischer Volkspartei (EVP), Sozialdemokraten, Liberalen, Grünen und Linken haben nach unterschiedlichen Nominierungsprozessen bei Wahlkongressen im Februar und März ihre Spitzenkandidaten gewählt. Die “Europäischen Konservativen und Reformer” (EKR) und die rechts-nationalistische “Identität und Demokratie” (ID) sind gegen das Spitzenkandidatenprinzip, da es nicht im EU-Vertrag verankert und damit ihrer Meinung nach eine Täuschung der Wähler ist. Nicht alle Spitzenkandidaten treten automatisch für das EU-Parlament an. Es ist auch möglich, lediglich als Kandidat für den Kommissionsvorsitz eine Liste anzuführen.
Wer sind die Spitzenkandidierenden 2024?
Die Europäische Volkspartei (EVP) ist die größte Fraktion, ihr gehört die ÖVP an. Ihre Spitzenkandidatin für die Kommissionspräsidentschaft ist Amtsinhaberin Ursula von der Leyen. Sie ist die Bekannteste, aber auch in ihrer Partei nicht unumstritten. Von der Leyen hat gute Chancen, nochmals für fünf Jahre die EU-Kommission anzuführen. Die Sozialdemokraten werden vom luxemburgischen EU-Kommissar für Arbeit und Soziales, Nicolas Schmit, angeführt. Die Liberalen (“Renew Europe”) ziehen mit der deutschen FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, ihrer Fraktionsvorsitzenden Valérie Hayer und EDP-Generalsekretär Sandro Gozi in den Wahlkampf. Die Grünen treten mit einem Duo an: Die Deutsche Terry Reintke und der Niederländer Bas Eickhout sitzen seit 2014 bzw. 2009 im EU-Parlament. Europas Linke wird von einem Österreicher ins Rennen geführt: Ihr Spitzenkandidat ist der Vorsitzende der Partei und Ex-KPÖ-Chef Walter Baier.
In Österreich führt die ÖVP-Liste erstmals der ehemaliger Klubobmann Reinhold Lopatka an. Bei SPÖ und FPÖ hat sich nichts geändert: Andreas Schieder bleibt an der Spitze der SPÖ-Delegation, Harald Vilimsky bei der FPÖ. Sowohl die Grünen mit Klimaaktivistin Lena Schilling als auch die NEOS mit Ex-Journalist Helmut Brandstätter haben sich dagegen für neue Gesichter entschieden.