Generaldebatte zum Corona-Landesgesetz

Für Team K ist Sommerbetreuung die große Unbekannte

Donnerstag, 07. Mai 2020 | 13:37 Uhr

Bozenm Zum Gesetzentwurf zur Wiederaufnahme der Tätigkeiten fand heut die Generaldebatte im Landtag statt. Nachfolgend die Erläuterungen von Landeshauptmann Kompatscher, der Minderheitenbericht von Urzì, die Stellungnahmen von Dello Sbarba, Staffler, Foppa, Knoll, Köllensperger und Rieder.

Landesgesetzentwurf Nr. 52/20: Maßnahmen zur Eindämmung der Verbreitung des Virus SARS-COV-2 in der Phase der Wiederaufnahme der Tätigkeiten (vorgelegt von der Landesregierung auf Vorschlag des Landeshauptmannes Kompatscher). Es gehe in diesem Gesetz darum, die Voraussetzungen, Termine und Modalitäten für die Wiederaufnahme der Tätigkeiten zu regeln, wie Landeshauptmann Arno Kompatscher erklärte, zum zweiten gehe es – in der Anlage zum Gesetz – um die Sicherheitsauflagen, Abstände, Schutzmaßnahmen usw. Für jene Bereiche, zu denen das Gesetz nichts sage, würden weiterhin die Landesverordnungen bzw. die Staatsverordnungen gelten. Es gehe um Schritte zurück in die Freiheit, aber gebündelt mit Verantwortung.

Während Vorsitzende Magdalena Amhof auf die Verlesung des Berichts des I. Gesetzgebungsausschusses verzichtete, las Alessandro Urzì (L’Alto Adige nel cuore – Fratelli d’Italia) seinen Minderheitenbericht zum Entwurf vor.

Riccardo Dello Sbarba (Grüne) wies darauf hin, dass sich die Lage dauernd und sehr schnell ändere. Ganz Europa beschäftige sich jetzt mit Phase zwei, die länger und komplizierter sein werde. Alle Regionen verlangten eine Differenzierung, Kalabrien habe den Anfang gemacht. Das sollte Anlass sein, die Rhetorik etwas herunterzufahren, auch bei der SVP. Alle seien enttäuscht von der Erklärung Contes am Sonntag gewesen. Heute werde es bei der Regionenkonferenz einen Vorstoß zu einer regionalen Differenzierung geben. Er hoffe, das Dokument werde angenommen, denn dann werde die Differenzierung Prinzip – auf einen Tag mehr oder weniger komme es nicht an. Südtirols Umgang mit der Epidemie sei nicht optimal gewesen, die Sterberate sei höher als in den meisten anderen Regionen, die dritthöchste in Europa, weit höher als in Österreich und Deutschland. Es habe nicht die geeigneten Schutzmaßnahmen für Krankenhäuser und Altenheime gegeben. Man müsse klar vor einem weiteren Lockdown bei schlechteren Zahlen warnen. Bereits Churchill habe gewarnt, dass man eine Krise nicht vergeuden dürfe. Südtirol müsse sich Gedanken über das Gesundheitswesen und über das Recht auf Gesundheitsschutz machen. Die Erfahrung dieser zwei Monate lehre uns, dass es Dinge gebe, auf die man verzichten könne, aber auch, dass diese Krise nur ein Vorgeschmack auf die Umweltkrise sei, die sich abzeichne. Es brauche einen Wandel in der Lebensführung.

Hanspeter Staffler (Grüne) zweifelte, ob die Autonomie, die mit diesem Gesetz eingeforderte werde, mit der Autonomie des Statuts zu tun habe. Der Ansatz, eine Fachkommission zu schaffen, die Daten und Maßnahmen bewertet, sei nachvollziehbar. Aber die Kommission werde erst aktiv, wenn das Gesetz mit seinen Maßnahmen und Terminen bereits in Kraft sei. Die Logik würde verlangen, dass das Gesetz auf der Expertise der Kommission aufbaut. Verfassungsrechtler und ehemalige Abgeordnete, die er gehört habe, stuften diesen Entwurf als verfassungswidrig ein. Er habe den Eindruck, dass die Landesregierung dies wisse, aber mit diesem Gesetz Zeit gewinnen wolle. Dieses Gesetz greife in die Öffnungszeiten im Handel ein, also in eine staatliche Zuständigkeit. Der Landeshauptmann sei laut Statut für die öffentliche Sicherheit nur in genau aufgezählten Bereichen zuständig. Es gehe bei der Verabschiedung dieses Gesetzes auch um die rechtliche Verantwortung; bei Verordnungen liege sie beim Landeshauptmann, bei Landesgesetzen beim Landtag, und jeder Landtagsabgeordnete habe seinen Eid auf die Verfassung abgelegt. Es sei ihm recht, wenn die Betriebe wieder öffnen könnten, inhaltlich teile er die Maßnahmen des Gesetzes, aber er habe Zweifel zur Form. Wenn die Landesregierung diese Zweifel nicht ausräumen könne, tue er sich mit der Entscheidung schwer.

Dieses Gesetz ändere unseren Alltag ab morgen, und das Kind in ihr jubiliere, erklärte Brigitte Foppa (Grüne). Aber sie spüre auch das Dilemma, das Staffler aufgezeigt habe. In diesen zwei Monaten habe man einen enormen Rückschritt in drei wichtigen Feldern feststellen könne. Es sei einmal die Rückkehr der starken Männer gewesen, die Frauen seien in den privaten Raum zurückgedrängt worden. Die Millionen, die in diesem Zusammenhang genehmigt wurden, würden erst zuletzt zu den Frauen gelangen. Einen Rückschritt habe es auch beim Frieden zwischen den Sprachgruppen gegeben, das habe man auch bei den Diskussionen über die Sicherheitsauflagen gemerkt. Die Debatte sei innerhalb der Sprachgruppen homogenisiert worden, andere Stimmen seien zu Volksverrätern deklariert worden. Der Grundton sei autoritär geworden. Der dritte Rückschritt liege im Umweltbereich. Dieses Thema werde nun als Luxus angesehen. Das Virus bringe mehr Raumbedarf mit sich, Abfälle würden wieder auf die Straße geworfen, Wegwerfgeschirr werde mehr verwendet. Auch sie habe sich von Conte mehr Öffnung erwartet, erklärte Foppa. Aber sie frage sich, ob das ein Autonomiethema sei, denn alle Regionen wünschten sich in dieser Sache mehr Entscheidungsfreiheit.

Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) fand es bemerkenswert, wie leicht es sei, Bürger in Marionetten zu verwandeln und Grundfreiheiten einzuschränken. Hier hätten Politiker über privates Leben entschieden, und das sei hingenommen worden, aus Angst. Knoll bestätigte Foppas Eindruck, dass Kritiker zu Nestbeschmutzer gestempelt würden. Ein Politiker müsse seinem Gewissen folgen und aufstehen, wenn bei den Einschränkungen der Grundrechte eine Grenze überschritten werde. Man habe während der Krise schnell bemerkt, dass wir Südtiroler nicht die Besten der Welt seien. Knoll kritisierte die Eigenerklärung, die in anderen Ländern nicht verlangt werde. Die Vorschriften seien nur effizient, wenn sie von den Bürgern verstanden würden. Hier habe es zahlreiche Ungereimtheiten gegeben, etwa die Erlaubnis, Lebenspartner zu besuchen, aber mit 1 m Distanz. Manche Länder seien besser, manche schlechter mit der Krise umgegangen. Umso mehr müsse Südtirol hier seinen eigenen Weg gehen. Die hochgelobte Autonomie sei schnell vom Virus aus den Angeln gehoben worden. Gerade deswegen müsse man gegenüber dem Staat wieder darauf pochen. Südtirol habe eine andere Situation und ein anderes Gesundheitssystem als andere Regionen. Knoll kündigte eine Reihe von Abänderungsanträgen sowie seine Zustimmung zu einem Gesetz an, das Südtirol mehr Eigenständigkeit bringe.

Paul Köllensperger (Team K) sah einen Südtiroler Weg aus der Krise als das Ziel. Er kündigte eine Reihe von Änderungsanträgen an. In einigen Bereichen würden die Auflagen des Gesetzes, die präziser seien als die römischen, schwer einzuhalten sein. Viele Betriebe würden schließen und andere mitziehen. Jede Region sollte die Sache nach der eigenen Situation regeln können. Rom scheine diesbezüglich jetzt einzulenken. Wenn das Team K für dieses Gesetz stimme, dann, weil man Verbesserungen für alle Sprachgruppen wolle. Ohne Vertrauen in die Bürger und ohne Eigenverantwortung werde es nicht gehen. Die Betriebe bräuchten nun schnelle Hilfe. Die Beiträge würden jetzt ankommen, bei den Banken stocke es noch. Es zeichne sich eine Arbeitslosigkeit ab, die mit einem Gesetz nur abgemildert werden könne. Wenn man öffne, werde es mehr Neuinfektionen geben, daher brauche es viel mehr Tests, um die Infizierten isolieren zu können. Die SVP müsse sich entscheiden, ob es ihr Gesetz sein solle oder ein Gesetz des Landtags und damit aller Bürger. Wenn sie andere einbinde, werde es zu einem guten Ergebnis kommen.

Eine Demokratie lebe davon, dass es auch andere Meinungen gebe und dass alle gehört würden, meinte Maria Elisabeth Rieder (Team K). Die Regeln, die man den Bürgern vorgebe, müssten klar und verständlich sein. In diesem Entwurf seien zu viele Möglichkeitsformen, etwa bei der Kinderbetreuung. Es sei unverständlich, wenn Tagesmütter nun nur noch vier statt fünf Kinder betreuen dürften. Ein Notdienst werde für Grundschüler, aber nicht für Mittelschüler vorgesehen. Die große Unbekannte sei die Sommerbetreuung, die für viele Familien auch ein finanzielles Problem sei. Wichtig wäre auch, wenn die Sozialdienste sofort wieder starten könnten. Auch das Gespräch mit den Gewerkschaften sei zu suchen.

Die Sitzung wird um 14.30 Uhr wieder aufgenommen.

Von: luk

Bezirk: Bozen