Das strategisch wichtige Pokrowsk ist hart umkämpft

Unklare Lage in Pokrowsk und Kupjansk

Mittwoch, 05. November 2025 | 13:56 Uhr

Von: APA/Reuters

Russland rückt nach eigenen Angaben in der strategisch wichtigen Stadt Pokrowsk weiter nach Norden vor und will die vollständige Kontrolle über den für die Ukraine wichtigen Verkehrsknotenpunkt erlangen. Das Verteidigungsministerium in Moskau forderte die in der Stadt verbliebenen ukrainischen Truppen am Mittwoch zur Kapitulation auf. Die Ukraine hat eine schwierige Lage für ihre Truppen in der Stadt im Osten des Landes eingeräumt, sie bestreitet aber eine Einkesselung.

“Angriffsgruppen der 2. und 51. Armee zerstörten weiterhin eingekesselte Einheiten der ukrainischen Streitkräfte im Wohngebiet des Stadtteils Prigorodny, im östlichen Teil des Zentralbezirks”, teilte das russische Verteidigungsministerium mit. “Die Offensive in Richtung Norden wird fortgesetzt.” Zudem seien zahlreiche ukrainische Versuche, aus der Einkesselung auszubrechen, abgewehrt worden. Das ukrainische Militär hatte am Dienstag mitgeteilt, dass in einem für die Frontlogistik Kiews wichtigen Teil von Pokrowsk heftige Kämpfe tobten. Zusätzliche Spezialeinheiten seien dort eingetroffen, weitere Waffen und Ausrüstung würden entsandt. Die Angaben beider Seiten konnten von der Nachrichtenagentur Reuters unabhängig nicht überprüft werden.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte am Montag erklärt, das Gebiet um Pokrowsk stehe zwar unter starkem Druck, die bis zu 300 russischen Soldaten in der Stadt hätten jedoch keine Geländegewinne erzielt. Das russische Verteidigungsministerium warf Selenskyj daraufhin vor, entweder die Lage vor Ort nicht zu verstehen oder die prekäre Situation seiner Streitkräfte absichtlich zu verschleiern. Die ukrainischen Einheiten seien in “Kesseln” gefangen. Sie hätten keine Chance auszubrechen.

Russisches Militär setzt auf Zangenbewegungen

Für Russland gilt die Eroberung von Pokrowsk als Tor zur Einnahme der verbleibenden zehn Prozent der Industrieregion Donbass, was eines der Hauptziele des im Februar 2022 begonnenen Angriffskriegs ist. Die Einnahme der Stadt wäre der bedeutendste einzelne Gebietsgewinn Russlands seit der Eroberung der zerstörten Stadt Awdijiwka Anfang 2024. Sie würde Moskau zudem eine Ausgangsbasis für einen Vorstoß nach Norden in Richtung der beiden größten verbliebenen ukrainisch kontrollierten Städte in der Region Donezk, Kramatorsk und Slowjansk, verschaffen.

Anders als bei früheren Frontalangriffen setzte das russische Militär zuletzt auf Zangenbewegungen, um die ukrainischen Streitkräfte einzukesseln. Gleichzeitig störten kleine, hochmobile Einheiten und Drohnen die Logistik. Russische Militärblogger bezeichneten die durch diese Taktik entstandene Lage als eine “Grauzone”, in der keine Seite die volle Kontrolle habe, die für die Ukraine jedoch extrem schwer zu verteidigen sei.

Pokrowsk, ein Straßen- und Eisenbahnknotenpunkt, hatte vor dem Krieg etwa 60.000 Einwohner. Die meisten Menschen sind inzwischen geflohen, alle Kinder wurden evakuiert. Inmitten der zerstörten Wohnhäuser und von Kratern übersäten Straßen harren nur noch wenige Zivilisten aus. Nach eigenen Angaben kontrolliert das russische Militär inzwischen mehr als 19 Prozent der Ukraine, was etwa 116.000 Quadratkilometern entspricht. Landkarten aus dem pro-ukrainischen Lager zufolge hat Russland in diesem Jahr bisher mehr als 3.400 Quadratkilometer ukrainisches Territorium erobert.

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