Von: ka
Bozen – Beschlussantrag Nr. 723/23 Wohnen in Not – Mieten fördern (eingebracht von den Abg. Foppa, Dello Sbarba und Staffler am 15.06.2023): Der Landtag möge die Landesregierung beauftragen, 1. sich dezidiert dem Grundsatz „Allen Menschen, die in Südtirol leben bzw. arbeiten, ein Dach über dem Kopf“ zu verschreiben; 2. sich als Ziel für das „Leistbare Wohnen“ zu setzen, dass in Südtirol durchschnittlich nicht mehr als 33% der Familienausgaben für die Wohnkosten anfallen dürfen; 3. die zunehmende Verwischung zwischen gefördertem Sektor und freiem Markt konsequent rückgängig zu machen und alle Bindungen, die durch Wohnbauförderung entstehen, auf mindestens 20 Jahre festzulegen und keinerlei vorzeitige Löschungsmöglichkeiten vorzusehen; 4. eine Beobachtungsstelle für den Leerstand und gezielt für die Entwicklung des Mietmarkts einzusetzen, die in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern Strategien für leistbares Mieten entwickelt und die Umsetzung monitoriert; 5. die Entwicklung der Kurzzeitvermietung (AirBnB etc.) speziell zu monitorieren und dem zuständigen Gesetzgebungsausschuss darüber Bericht zu erstatten. Zu diesem Thema soll auch ein Bericht über die verschiedenen Lösungen erarbeitet werden, die in den diversen Ländern angewandt werden, um das Phänomen der Kurzzeitmieten im Verhältnis zu den Langzeitmieten für Ansässige in den Griff zu bekommen. Auf dieser Grundlage sind Vorschläge für Südtirol auszuarbeiten; 6. mit dem Rat der Gemeinden eine Strategie zu entwickeln, wie der kommunale Wohnungsbau implementiert und ausgebaut werden kann; 7. für alle Neubauten von privaten Bauträgern, die auf der Basis von Raumordnungsverträgen genehmigt werden, vorzusehen, dass eine Quote von 20% für den Mietmarkt reserviert wird, für den der Landesmietzins angewandt wird; 8. für den Bedarf an Unterkünften für Studierende eine spezielle Task-Force einzusetzen, die mit maximaler Geschwindigkeit für die Bereitstellung von Studentenwohnungen sorgt und Wege erarbeitet, damit Studierende auch bei der Entscheidung für das private Wohnen und in Wohngemeinschaften unterstützt werden.
Brigitte Foppa (Grüne) schickte voraus, dass es interessant sei, was für einen Brennpunkt auf das Wohnen man am Ende der Legislaturperiode gesetzt habe und mit welch unterschiedlichen Lösungsansätzen und Blickpunkten auf das Thema zugegangen werde. Sie habe „Wohnen in Südtirol“ in Google gesucht und es hätten sich gar einige Immobilienportale geöffnet – Zeichen, eines reichen Wohnungsmarkts im Lande. Man müsse sich die Wohnungen nur leisten können. Es gebe 14.000 Zweitwohnungen im Land und von den 239.000 Wohnungen stünden 29.000 überhaupt leer, das seien 12%. Der Anteil des Wohnens im Verhältnis zu den Familienausgaben betrage in Südtirol laut Astat 2020 41%. Dieser Wert sei in den letzten 20 Jahren um 11% angestiegen. Rechnet man den Anstieg von Strom- und Heizkosten in den Jahren 2022/23 dazu, dürfte man bald bei einem Wert sein, der dazu führt, dass eine normale Südtiroler Familie die Hälfte ihrer Ausgaben für die Wohnkosten einrechnen muss. Das seien “Wahnsinnswerte”, die in keinem Land in Südtirols Nachbarschaft erreicht würden. Die Quadratmeterpreise in Südtirol erreichten in einigen Gemeinden – am stärksten betroffen seien die Gemeinden mit höchster Dichte an Hotelbetten – auch Durchschnittspreise über 8.500 Euro. Das seien für die Familie völlig unerreichbare Zahlen. Bliebe die Miete. Der Eigentumsanteil in Südtirol sei mit 70% sehr hoch, das werde auch so von der Wohnbaupolitik des Landes seit Jahrzehnten forciert. Die Situation der Miete sei sehr unterschiedlich und in erster Linie ein städtisches Phänomen. Während in Städten wie Bozen und Meran die Mietwohnungen 31,4% ausmachen, seien es in den mittleren Zentren 21,1% und in ländlichen Gemeinden gar nur 12%. Man habe sich mit dem vorliegenden Beschlussantrag auf den Bereich leistbares Mieten konzentriert.
Hanspeter Staffler (Grüne), Mitunterzeichner des Beschlussantrags, führte aus, dass laut Astat die Mietpreise für viele Menschen im Land nicht mehr erschwinglich seien. Die Familienstrukturen änderten sich, junge Menschen strebten eine höhere Lebensmobilität an, zudem würden in Südtirol Maßnahmen gesetzt bzw. wurden gesetzt, wo man von außen Menschen und Kompetenzen nach Südtirol geholt habe, um die Wirtschaftskraft zu stärken. Alles zusammen zeige auf, dass der Mietmarkt ein entscheidender Zukunftsfaktor im Land werden könne. Nun gelte es, alles zu tun, um den angespannten Markt zu entspannen. Dies könne wohl nur mit einer Wohnbauinitiative in den Griff gebracht werden; dies sei eine der größten Herausforderungen der kommenden Jahre.
Sandro Repetto (Demokratische Partei – Bürgerlisten) verwies darauf, dass der Mietmarkt ein sehr komplizierter Markt sei. Die staatliche Maßnahme der “Cedolare secca” habe sehr gutes auf diesem Markt bewirkt. Die Frage sei, was Südtirol tun könne, um den Mietmarkt zu fördern. Mit dem Antrag würde eine Reihe von Vorschlägen gemacht. Er bitte um eine separate Abstimmung der einzelnen Punkte, weil er zum Teil dafür, zum Teil dagegen sei – so sehe er die 20-jährige Bindung als zu streng. Die Einrichtung einer Monitorierungsstelle zur Beobachtung der Situation sei unbedingt notwendig. Wichtig sei auch eine Strategie mit dem Gemeindenverbandes. Mit 90 Prozent des Antrages sei er einverstanden.
Zu Punkt 1, so Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit), stelle er sich die Frage, was damit genau gemeint sei, wenn von einem “Dach über den Kopf” die Rede sei – er sei der Meinung, dass man sich keine Wohnungseinwanderung schaffen solle. Auch bei Punkt 8, den Wohnungen für Studierende, stelle er sich die Frage, ob nicht eine Ungerechtigkeit gegenüber den Einheimischen entstehe – wie werde eine Studentenwohnung eingestuft, dass diese nicht plötzlich in die Zweitwohnungskategorie eingestuft werde. Es sei zu überprüfen, dass das zu keinen Benachteiligungen führe.
Franz Ploner (Team K) erklärte, man werde dem Antrag zustimmen. Man habe in Wien gesehen, dass 70 Prozent für immer im Eigentum der Gemeinde bleibe – deshalb sei der Punkt 3 auch sinnvoll. Man müsse Studenten, wenn man sie ins Land hole, auch eine Unterkunft garantieren; und wenn eine Wohnung für 600-700 Euro Monatsmiete bei einem Stipendium von jährlich vielleicht 12.000 Euro koste, dann sei das viel. Der Abgeordnete erinnerte an Kitzbühel, wo überlegt werde, ein Oberflächenrecht einzuführen, das zu einer Entspannung führen könne.
Andreas Leiter Reber (Freiheitliche) führte aus, dass Punkt 3 in dieser Formulierung für seine Fraktion schwierig mitzutragen sei: Es gebe Spekulation, diese könnte – wenn jemand rausgehen wolle – über eine Regelung zum Wertzuwachs verhindert werden; die Bindung auf 20 Jahre aber sei unflexibel, wo doch die Flexibilität der Menschen immer mehr zunehme.
Peter Faistnauer (Perspektiven Für Südtirol) sagte, dass Punkt 8 des Beschlussantrags der Grünen in die Richtung ziele, die auch sein eigener Antrag zu den Tiny Houses habe. Die 10 Jahre stießen ihm bei den Wohnungen mit Preisobergrenze auf, das könne es nicht sein – er sei viel mehr für 30 Jahre.
LR Waltraud Deeg erklärte, sie tue sich etwas schwer mit dem Antrag – es seien sehr viele Punkte enthalten, die Absichtserklärungen seien und etwas wie ein Wahlkampfprogramm gelesen werden könnten. Sie könne einigen Punkten zustimmen, die Umsetzung von Punkt 1 beispielsweise würden sich wohl alle wünschen. Die Beobachtungsstelle für den Leerstand sei ein Thema, das LR Maria Hochgruber Kuenzer derzeit mit den Gemeinden angehe, es gebe auch eine diesbezügliche Astat-Erhebung. Die Quote für den Mietmarkt sei schwer umsetzbar, es gebe Gemeinden im Land, in denen Mietwohnungen nur wenig nachgefragt seien, beispielsweise Prettau. Ein gutes Beispiel für den kommunalen Wohnungsbau sei Glurns; es sei aber auch ein Finanzierungsthema der Gemeinden. Man könne dem Antrag nicht zustimmen, sie nehme aber sehr viele Anregungen mit – das Thema werde die Landespolitik weiter begleiten.
Brigitte Foppa (Grüne) bedankte sich für die Diskussion und merkte an, dass auch eine Absichtserklärung ein Ziel habe – nämlich sich einer Absicht zu verschreiben. Bei den Bindungen gehe es darum, dass es nicht richtig sei, dass der Wertzuwachs einem Privaten gehöre. Sie fände den Vorschlag von der Quote von 20%, die für den Mietmarkt reserviert werden sollen, sehr wichtig und in diesem Zusammenhang interessant, dass die Landesrätin das Beispiel Prettau, wo solche Wohnungen möglicherweise nicht nachgefragt bzw. gebraucht würden, gebracht habe, wo dies nicht möglich sei. Gerade auch in Anbetracht dessen, dass die Grünen in der Vergangenheit einen solchen Vorschlag für Bozen gemacht hätten, der aber von der Mehrheit ebenso abgelehnt worden sei.
Die einzelnen Punkte des Antrags wurden, in getrennter Abstimmung, mehrheitlich abgelehnt.
Beschlussantrag Nr. 728/23 Pflegemangel in Südtirol (eingebracht von den Abgeordneten Knoll und Atz Tammerle am 16.06.2023): Der Landtag möge die Landesregierung auffordern, den Vorschlag des ASGB ─ mit welchem angehende Krankenpfleger Ausbildungsverträge erhalten sollen ─ eingehend zu prüfen und umzusetzen.
Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) zitierte eine Stellungnahme des ASGB: “Südtirols Gesundheitssystem befindet sich in einer ernsten Krise. Die traurige Realität ist, dass ein massiver Mangel an ausgebildeten Krankenpflegern vorherrscht, ein Mangel, der in vielerlei Hinsicht vermeidbar ist.” Tony Tschenett, Vorsitzender des ASGB, sage unverblümt über den Status quo im Hinblick auf den Pflegemangel im Sanitätsbetrieb: „Dies ist kein Zufall, dies ist das Resultat jahrelanger Vernachlässigung und fehlender Proaktivität von denen, die dazu bestimmt sind, unser Gesundheitssystem zu leiten und zu schützen. Es ist ein eklatanter Mangel an Verantwortung, den wir nicht länger hinnehmen können.” Die Sachlage sei eindeutig, meinte Knoll: “Nordtirol ist für unsere Studenten attraktiver, finanziell gesehen und aufgrund der Unterrichtssprache. Dies führt zu einer Auswanderung unserer angehenden Pflegekräfte, die in Nordtirol studieren und nicht zurückkehren. Es ist ein Braindrain, den wir uns nicht leisten können und dürfen.” Der ASGB habe bereits konkrete Lösungen vorgeschlagen, um die Wettbewerbsfähigkeit von Südtirol zu erhöhen und den Mangel an Pflegekräften zu beheben. „Wir haben vorgeschlagen, dass angehende Krankenpfleger Ausbildungsverträge erhalten, die ihnen nicht nur finanzielle Sicherheit, sondern auch Rentenversicherung bieten würden.” Jeder Tag der Untätigkeit verschlimmere die Situation nur. Es brauche jetzt dringend Maßnahmen, um die Attraktivität Südtirols für Pflegestudenten zu steigern und den bevorstehenden Zusammenbruch unseres Gesundheitssystems zu verhindern. In Nordtirol bekomme man nicht nur ein Stipendium, sondern auch Job- und Wohnungsangebote. In Südtirol würden Pflegekräfte schlechter bezahlt und könnten nicht einmal in ihrer Muttersprache miteinander reden, aus Rücksicht auf Kollegen aus Italien, die nicht Deutsch sprächen. Der Standort Südtirol sei derzeit nicht mehr wettbewerbsfähig, es fehle die Willkommenskultur für Südtiroler, die nach dem Studium zurückkommen möchten.
Marco Galateo (Fratelli d’Italia) erklärte sich mit den Ausführungen Knolls einverstanden. Das Pflegepersonal sei wesentlich für das ganze Gesundheitssystem. Es sei richtig, wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen für Interessierte zu schaffen. Er frage sich, warum die Ausnahme von der Zweisprachigkeitspflicht nur Ärzten gewährt werde. Von den Claudiana-Studierenden habe er vernommen, dass sie die Absicht hätten, in die Schweiz zu gehen, weil man dort mehr verdiene.
Maria Elisabeth Rieder (Team K) erinnerte an einen Beschlussantrag des Team K vom Februar, mit dem das Thema bereits ausführlich besprochen worden sei. Damals sei der Antrag abgelehnt worden, weil es geheißen habe, es werde bereits etwas gemacht. Nun berichteten die Medien, dass es 600 Euro monatlich für die Studenten geben solle – entspreche das den Tatsachen und gebe es das Geld für die gesamte Ausbildungszeit oder nur für die Zeit des Praktikums? Wenn die Landesrätin in der Presse sage, man sei in der Pflege nicht auf die Zukunft vorbereitet und würde das System irgendwann an die Wand fahren, dann müsse die Regierungsbank bei sich selbst ansetzen. Es sei sehr, sehr wichtig, dass die Mitarbeiter endlich gut bezahlt würden. Man sollte sich auch fragen, wie viele Pflegekräfte nicht mehr im Beruf tätig seien und was man tun könne, um diese wieder zurückzugewinnen.
Myriam Atz Tammerle (Süd-Tiroler Freiheit) verwies auf Daten der Arbeitsmarktstelle des Landes, wonach Südtirol alljährlich 1.000 junge Leute verliere, zur Hälfte Akademiker, zur Hälfte Fachkräfte. Ein Grund dafür sei, dass die Entlohnung hierzulande nicht attraktiv genug sei. Weitere Probleme seien die Anerkennung der Studientitel und die hohen Lebenshaltungs- und Wohnkosten. Man müsse die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass die jungen Menschen in ihren jungen Jahren zurückkehren möchten und gute Startbedingungen hätten. Man könne diese Menschen nicht mit irgendwelchen niedrigen Löhnen abspeisen. Viele Jahre sei in Mauern investiert worden, nun sei es an der Zeit, in Menschen zu investieren.
LH Arno Kompatscher schickte voraus, dass es gut sei, dass die Thematik hier angesprochen werde. Südtirol stehe bei den Pflegekräften im Wettbewerb mit Österreich, das wiederum in Konkurrenz zur Schweiz stehe. Es gehe um die Ausbildung, den Wohnraum etc. Man habe dem Sabes den Auftrag erteilt, Unterkünfte für Mitarbeiter zu schaffen. Die 600 Euro monatlich würden während der Ausbildung bezahlt, es seien 15 Euro pro Praktikumsstunde – das sei mehr als in Österreich gezahlt werde. Dies im ersten und dritten Ausbildungsjahr, im dritten Ausbildungsjahr würden in 600 Euro plus Sozialabgaben im Ausbildungsvertrag vorgesehen, zudem übernehme das Land die Studiengebühren. Ziel sei es, dies bereits im kommenden Studienjahr in Umsetzung zu bringen. Damit werde an der Wettbewerbsfähigkeit gearbeitet. Die Mittel dazu seien im Nachtragshaushalt vorgesehen und würden sich auf 2,5 Millionen Euro jährlich belaufen. Man sei bezüglich zusätzlicher Ausbildung in Südtirol in Kontakt mit dem Land Tirol und Umit, doch dem Projekt müssten drei Ministerien zustimmen – es werde wohl bis zur Umsetzung etwas dauern. Was die Zweisprachigkeit anbelange, werde versucht, jene zu begleiten, die diese nicht hätten. Im Ausbildungsvertrag solle B2 für die Einstellung vorgesehen werden; es seien jedoch noch rechtliche Überprüfungen notwendig. Bei Pflegehelfern habe man derzeit wieder eine berufsbegleitende Ausbildung; die sei auch für Wiedereinsteiger in den Beruf interessant. Diese würden auch über das Recruiting angesprochen. Weil das im Antrag Geforderte also bereits umgesetzt werde, werde man diesen ablehnen.
Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) sagte, man hätte ein positives Signal an den ASGB geben können – und den Vorschlag der Gewerkschaft annehmen sollen. Aber weil der Vorschlag nicht vonseiten der SVP gekommen sei, habe man sich wohl dagegen entschieden. Jeder Vorschlag und jeder Beitrag, der zum Thema gemacht werde, sei wertvoll. Denn das Ziel aller sei letztlich dasselbe: Alle wollten, dass die Ausbildung auf hohem Niveau stattfinde und die Pflege gegeben sei. Heute sei die Situation – leider -, dass viele junge Menschen Südtirol den Rücken kehrten – das dürfe so nicht hingenommen werden.
LH Arno Kompatscher ergänzte, dass gestern in der Gesundheitskommission der Regionenkonferenz eine gemeinsame Position beschlossen wurde, die nun an das Ministerium gehe: Man fordere dieses auf, die Anerkennung der Berufsqualifikationen aus anderen europäischen Ländern zu beschleunigen; bis dies umgesetzt werde, solle die Anerkennung an die Regionen delegiert werden.
Der Antrag wurde mit 14 Ja und 16 Nein abgelehnt.
Die Arbeiten im Plenum wurden damit für heute geschlossen; sie werden morgen (Donnerstag, 6. Juli) ab 10 Uhr wieder aufgenommen.