In Kiew erinnert derzeit sehr viel an den Krieg

Ukraine will Militärinfrastruktur Russlands vernichten

Sonntag, 11. August 2024 | 13:49 Uhr

Von: APA/AFP/Reuters/dpa

Nach einem neuen tödlichen russischen Luftangriff in der Nähe von Kiew will die Ukraine Russlands militärische Infrastruktur dauerhaft vernichten. Um die Tötung von Zivilisten zu stoppen, sei es nötig, Russland die Fähigkeit zum Töten zu entziehen, sagte der Leiter des Präsidentenbüros, Andrij Jermak, in Kiew. Er veröffentliche ein Video, das Einsatzkräfte in einem Trümmerfeld zeigte. Die Russen hätten mit dem Angriff ein vier Jahr altes Kind und seinen Vater getötet.

Demnach schlug eine Drohne in das Haus der Familie ein. Zuvor hatten ukrainischen Behörden von einem russischen Raketenangriff berichtet. Laut den Luftstreitkräften Kiews wurden dabei auch vier nordkoreanische Raketen eingesetzt. Die Abwehr habe 53 von 57 Drohnen abschießen können.

“Es ist notwendig, seine militärische Infrastruktur zu zerstören, weil der Feind andere Argumente nicht akzeptiert”, sagte Jermak über den russischen Angriffskrieg. Die Ukraine hofft dazu auf eine baldige Erlaubnis westlicher Verbündeter für den Einsatz von Raketen mit größerer Reichweite auch gegen russisches Gebiet. Zuvor hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj gesagt, er habe große Erwartungen an die Entscheidungen dazu in den USA, Großbritannien und Frankreich. “Wir freuen uns auf starke Beschlüsse, die den gerechten Frieden näherbringen.”

Selenskyj bekräftigte am Sonntag auf X, dass die Beschränkungen für den Einsatz westlicher Waffen aufgehoben werden sollen. Russland habe auch keine Einschränkungen für den Einsatz seiner Raketen, deshalb müsse die Ukraine uneingeschränkte Fähigkeiten erhalten, argumentierte er. Allein in der vergangenen Woche habe der Aggressor 30 Raketen und 800 Gleitbomben auf die Ukraine abgefeuert.

Bei dem russischen Luftangriff auf Kiew wurden laut den Rettungskräften ein Mann und sein vierjähriger Sohn getötet sowie drei Menschen verletzt. Unklar war, welches Geschoß in das Haus eingeschlagen war. Selenskyj sprach von einer nordkoreanischen Rakete, sein Berater Jermak von einer iranischen Drohne. Wie Journalisten berichteten, gab es Explosionen im Zentrum und im Osten der Stadt. In Kiew heulten die Warnsirenen. Am Nachthimmel waren demnach mindestens zwei Blitze zu sehen. Die Kiewer Militärverwaltung teilte mit, dass die Luftabwehrsysteme der Stadt aktiviert worden seien, um die Angriffe abzuwehren. Opfer oder Schäden wurden zunächst nicht gemeldet.

Nach Angaben der ukrainischen Luftwaffe waren außer Kiew auch andere ukrainische Regionen von russischen Luftangriffen betroffen. In fünf weiteren Regionen habe es Drohnenangriffe gegeben, erklärte die Luftwaffe. Auch nach Angaben des Bürgermeisters der ukrainischen Hauptstadt, Vitali Klitschko, waren Luftabwehrsysteme im Einsatz.

Russland zerstörte eigenen Angaben zufolge mehrere von der Ukraine abgefeuerte Drohnen und ballistische Raketen über seinem Territorium. 14 Drohnen und vier Raketen seien am Sonntag über der Region Kursk abgeschossen worden, schreibt das russische Verteidigungsministerium auf Telegram. 16 Drohnen seien über der Region Woronesch abgefangen worden, drei über der Region um Belgorod, jeweils eine über Brjansk und Orlow.

Zuvor hatte es geheißen, dass in der Stadt Kursk mindestens 13 Menschen durch Trümmer einer abgeschossenen ukrainischen Rakete verletzt wurden, zwei von ihnen schwer. Das Kernkraftwerk Kursk arbeitet indes nach Angaben des staatlichen russischen Atomenergiekonzerns Rosatom normal.

Russland kündigte indes eine “harte Reaktion” auf die neuerlichen Angriffe an. “Eine harte Reaktion der russischen Streitkräfte wird nicht lange auf sich warten lassen”, erklärte die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, am Sonntag im Onlinedienst Telegram. Sie kündigte an, die Auftraggeber und die Täter der “Verbrechen” in Kursk zu Rechenschaft zu ziehen. Laut dem Verteidigungsministerium wurde der Vorstoß an mehreren Stellen gestoppt. Soldaten und Ausrüstung des Gegners seien teils 30 Kilometer von der Grenze entfernt attackiert worden, hieß es am Sonntag.

Der Vorstoß der ukrainischen Armee in die Grenzregion Kursk dauert bereits seit fünf Tagen an. Selenskyj äußerte sich am Samstagabend in seiner abendlichen Ansprache erstmals zu der Offensive und sagte, Kiew versuche, den Krieg nach Russland zu “verlagern”. Ein ukrainischer Sicherheitsverantwortlicher sagte am Samstagabend der Nachrichtenagentur AFP, der Vorstoß diene dazu, Russland zu “destabilisieren”. “Tausende” Soldaten seien daran beteiligt. “Das Ziel ist es, die Stellungen des Feindes auseinander zu ziehen, ihm maximale Verluste zuzufügen und die Lage in Russland zu destabilisieren”, sagte er. “Wir befinden uns in der Offensive.”

Russland startet fast jede Nacht massive Drohnen- und Raketenangriffe auf Städte in der Ukraine. Die Ukraine verteidigt sich seit Februar 2022 gegen den russischen Angriffskrieg. Staatschef Selenskyj drängt die Verbündeten seit Wochen, schnell neue Luftabwehrsysteme zu liefern.

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