Von: bba
Bozen – Das Kompetenzzentrum für Regionalgeschichte der Freien Universität Bozen befasst sich in einer Internationale Tagung unter dem Titel „Verwandtschaft und Geschäft. Recht, Geschlecht und Generationsperspektiven (16.–20. Jahrhundert)” mit sozialen Beziehungen in wirtschaftlichen Kontexten.
Wirtschaften gestaltet sich in und über soziale Beziehungen. Bis heute werden zahlreiche Unternehmen von Gruppen miteinander verwandter Personen geführt oder durch deren Interessen als Kapitaleigner bestimmt. Geschäftliche Logiken und verwandtschaftliche Dynamiken können dabei immer wieder in neue Situationen führen, aber auch Konflikte generieren, die erhebliche Auswirkungen auf Unternehmen haben können.
Verwandtschaftsbeziehungen in Handelsunternehmen spielen seit jeher eine herausragende Rolle. Dabei ging es nicht nur um die Konsolidierung des Firmenbesitzes, sondern auch um die Organisation der unternehmerischen Tätigkeit. Die Zuweisung von Positionen und Funktionen an Familienmitglieder in Unternehmen diente zudem der Reduzierung der Transaktionskosten und stellte vielfach eine wichtige Strategie des Ausbaus und der Verankerung von Leitungskompetenzen und Wissen dar. Andererseits verhinderten fortdauernde enge Beziehungen zwischen Familie und Unternehmen in der Industriewirtschaft häufig deren Expansion, da der Zuwachs von Kapital und anderen Unternehmensressourcen beschränkt blieb.
In diesem Zusammenhang kam dem Ehegüterrecht, also der Frage, ob das eheliche Vermögen ein gemeinschaftliches oder ein getrenntes war, nicht weniger Bedeutung zu als der Besitznachfolge und dem Erbe. Ebenso wichtig war in diesem Zusammenhang die Bedeutung und der Umgang mit den von Frauen in die Ehe eingebrachten Erbteilen, Mitgiften oder Heiratsgütern. So konnte die Mitgift der Ehefrau die Kreditwürdigkeit des Ehemannes erhöhen, die nötigen Mittel für Investitionen oder eine Teilung des Unternehmens liefern oder Schulden bewältigbar machen; umgekehrt konnte die betriebliche Situation aber auch die Wahl der Ehepartnerin oder des Ehepartners beeinflussen. Welche unternehmerischen Möglichkeitsräume eröffneten sie und welche Konfliktpotenziale brachten sie mit sich?
Die Tagung stellt die umfassende Frage nach der Rolle von Verwandtschaft in der ökonomischen Praxis von der Frühen Neuzeit bis ins 20. Jahrhundert. Dabei geht sie von einer grundlegenden Verflechtung zwischen Verwandtschaft- und Wirtschaftsstrukturen aus und setzt „Recht“, „Geschlecht“ und „Generation“ als basilare Analysekategorien.
Die Internationale Tagung „Verwandtschaft und Geschäft. Recht, Geschlecht und Generationsperspektiven (16.–20. Jahrhundert)” wird vom Kompetenzzentrum für Regionalgeschichte der Freien Universität Bozen (Siglinde Clementi) in Zusammenarbeit mit dem Institut für Wirtschats- und Sozialgeschichte der Universität Wien (Margareth Lanzinger) und dem Dipartimento di Economia e Management der Universität Trient (Andrea Bonoldi) ausgerichtet und findet vom 16. bis 18. September 2021 an der Universität Bozen statt. Für das Publikum ist die Tagung online zugänglich. Registrierung unter: https://bit.ly/Verwandtschaft_ Geschäft
Im Anhang das Tagungsprogramm und ein Porträt der Bozner Kaufmannsfamilie Menz.