AFI zweifelt an der Flat-Tax?

Einkommen: Reise ins Ungewisse

Montag, 20. August 2018 | 12:20 Uhr

Bozen – Im September will die italienische Regierung ihr Konzept für eine radikale Steuerreform vorlegen. „Ob die Steuerreform rund um ihr Kernelement Flat-Tax erstens finanzierbar und zweitens zu mehr Steuergerechtigkeit führt als heute, ist stark zu bezweifeln“, sagt AFI-Präsidentin Christine Pichler. Es sei nämlich belegbar, dass das derzeitige System der Einkommensbesteuerung deutlich zum Ausgleich der Einkommensunterschiede beitrage, so die Präsidentin. Grund dafür sind nicht nur „No-Tax Area“, Abzugs- und Freibeträge, sondern auch die progressiv ausgerichteten Steuersätze, wie es das AFI in seiner jüngsten Veröffentlichung aufzeigt.

Die italienische Regierung will noch im September mit dem Bilanzgesetz 2019 ihr Konzept für ein neues Steuersystem vorstellen, welches das derzeitige völlig auf den Kopf stellen dürfte. Kernelement der Steuerreform wäre die sogenannte Flat-Tax: ein fixer Steuersatz auf Einkommen von 15 bzw. 20 Prozent. Während die Flat-Tax für Unternehmen bereits mit 2019 starten soll, soll jene für Familien erst 2020 in Kraft treten. Weitere Neuigkeiten: Die Besteuerung erfolgt nicht mehr auf der Ebene von Einzelpersonen, sondern von Familien. Das heutige System von Steuerfrei- und -Absetzbeträgen sollte einem fixen Abzug von der Steuergrundlage von 3.000 Euro pro Familienmitglied weichen, zumindest für Einkommen unter 35.000 Euro.

Weniger Ungleichheit nach Steuern

Wie stark der Umverteilungshebel im derzeitigen italienischen Steuersystem wirkt, wird im heute veröffentlichten AFI-Zoom sichtbar. Nachweisen lässt sich, dass nach Abzug von Steuerfreibeträgen und Steuerabsetzbeträgen sowie nach Begleichung der Einkommenssteuer die Ungleichheit geringer ist als im Ursprungszustand.

Um das nachzuweisen, hat das AFI | Arbeitsförderungsinstitut die Einkommenssteuerdaten des Wirtschafts- und Finanzministeriums (MEF “Ministero dell’Economia e delle Finanze“) betreffend 417.998 Südtiroler Steuerzahler unter die Lupe genommen und den Gini-Koeffizienten berechnet, einmal auf das Brutto- und einmal auf das Nettoeinkommen, sowie den Differenzbetrag ermittelt.

Hier geht es zur Gini Zeitreihe

Dieser bildet das Ausmaß der ausgleichenden Wirkung des Steuersystems ab. Der Gini-Koeffizient misst die Ungleichheit einer Verteilung zwischen Null (alle haben gleich viel) und Eins (einer hat alles). „Wir kommen in unserer Studie auf einen Gini-Index von 0,465 berechnet auf das Bruttoeinkommen und von 0,405 auf das Nettoeinkommen – ein klarer Beleg dafür, dass das italienische Einkommenssteuerungssystem ausgleichend wirkt“, stellt AFI-Direktor Stefan Perini fest. „Im Zeitverlauf zeigt sich die Verteilung der Nettoeinkommen 2016 sogar etwas ausgewogener als dies noch 2011 der Fall war. Ein Ergebnis der Wirkung von Steuerfreibeträgen, Absetzbeträgen, der progressiven Besteuerung, aber auch der sogenannten kalten Progression“, fügt Perini hinzu.

Freibeträge, Absetzbeträge, Progression

Die Steuerfreibeträge reduzieren die Steuergrundlage. Im Steuerjahr 2016 sind 20,5 Prozent der Südtiroler Steuerzahler in den Genuss von Steuerfreibeträgen gekommen, entsprechend einem Gesamtwert von 400.172.131 Euro, bzw. 4.663 Euro pro anspruchsberechtigtem Steuerzahler im Schnitt. In den meisten Fällen handelt es sich um Vor- und Fürsorgebeiträge (79,8 Prozent). Es folgen Freibeiträge für die Zusatzvorsorge (15,8 Prozent) und für die Hauptwohnung (11,0 Prozent).

Freibeträge und Absetzbeträge

Die Steuerabsetzbeträge hingegen reduzieren die Bruttosteuer. Diese Möglichkeit hat beinahe die Gesamtheit der Südtiroler Steuerzahler beansprucht (97,2 Prozent), entsprechend einem Gesamtwert von 710.128.592 Euro, bzw. 1.748 Euro pro anspruchsberechtigtem Steuerzahler im Schnitt. In 59,0 Prozent der Fälle werden Beträge für Einkommen aus lohnabhängiger Arbeit, Rente und gleichgestellte Einkommen abgesetzt. Es folgen Absetzbeträge für Familienlasten (14,6 Prozent) und Sanierungsarbeiten (12,2 Prozent), aber auch Sanitätsspesen, Bildungs- und Begräbniskosten.

Aufgrund der Steuerprogression – d.h. mit dem Einkommen progressiv ansteigende Hebesätze – reicht der durchschnittliche Steuersatz von 3,0 Prozent für die Einkommensstufe von 5.000 Euro bis 10.000 Euro brutto im Jahr bis auf 40,4 Prozent für Einkommen über 300.000 Euro. Im Schnitt beträgt der Steuersatz für die Südtiroler Steuerzahler 21,1 Prozent.

Von: mk

Bezirk: Bozen