Von: APA/Reuters/dpa/AFP
Nach dem verheerenden Hochhausbrand in Hongkong ist die Zahl der bestätigten Todesopfer auf 55 gestiegen. Rund 250 weitere werden vermisst. Die Polizei hat drei Mitarbeiter einer Baufirma festgenommen und vermutet grobe Fahrlässigkeit und unsichere Baumaterialien als Ursache für die Katastrophe. Das Feuer war Mittwochnachmittag im Wohnkomplex Wang Fuk Court im Stadtteil Tai Po ausgebrochen und wütete auch am Donnerstag noch.
Unter den Toten ist auch ein Feuerwehrmann (37). Nach Behördenangaben wurden 61 Verletzte in Krankenhäusern behandelt. 15 von ihnen befanden sich in Lebensgefahr und 27 sind schwer verletzt. Einsatzkräfte durchkämmten die Hochhäuser auf der Suche nach Vermissten. Der Regierungschef der chinesischen Sonderverwaltungszone, John Lee, hatte Donnerstagfrüh (Ortszeit) von 279 Vermissten gesprochen. Nach Angaben der Feuerwehr konnten einige von ihnen inzwischen aber ausfindig gemacht werden.
Den Ermittlern zufolge könnten Verantwortliche der Baufirma grob fahrlässig gehandelt haben. Dies habe zu dem Unfall geführt und eine unkontrollierte Ausbreitung des Feuers verursacht, sagte Polizeisprecherin Eileen Chung. Bei den Festgenommenen handle es sich um zwei Direktoren und einen beratenden Ingenieur. Ihnen werde fahrlässige Tötung vorgeworfen, sagte die Sprecherin.
Gebäude waren für Renovierungsarbeiten eingerüstet
Die Gebäude waren für Renovierungsarbeiten mit Schutznetzen und Bambusgerüsten verkleidet. Die Ermittler prüfen, ob diese Materialien nicht den Brandschutzstandards entsprachen. Zudem sei an einem unversehrten Gebäude festgestellt worden, dass Fenster mit einem Schaumstoffmaterial versiegelt waren. Auch die Hongkonger Antikorruptionsbehörde hat eine Untersuchung eingeleitet.
In dem dicht besiedelten Komplex aus den 1980er-Jahren mit acht Wohnblöcken leben mehr als 4.600 Menschen. Die Flammen breiteten sich auch durch Wind rasch aus und griffen auf sieben der Gebäude über, die alle mehr als 30 Stockwerke hoch sind. In der Anlage befinden sich fast 2.000 Wohnungen. Hunderte Anrainerinnen und Anrainer wurden in Notunterkünften untergebracht. Vor Ort spielten sich dramatische Szenen ab. Eine Frau suchte verzweifelt nach ihrer Tochter und deren Vater: “Sie sind immer noch nicht herausgekommen.”
Dem Vize-Feuerwehrchef zufolge breiteten sich die Flammen aufgrund des Windes und herumfliegender Trümmerteile rasend schnell aus. Einige Stockwerke konnten laut ihm wegen der extrem hohen Temperatur am Brandort zunächst nicht erreicht werden. Mehrere Bewohner des Gebäudekomplexes sagten der Nachrichtenagentur AFP, sie hätten keinen Feueralarm gehört. Stattdessen hätten sie von Tür zu Tür gehen müssen, um Nachbarn zu warnen. “Läuten, an Türen klopfen, die Nachbarn alarmieren, ihnen sagen, sie sollen gehen – so war die Situation”, sagte ein Anrainer.
Erinnerungen an Grenfell-Katastrophe
Der Brand weckt Erinnerungen an die Grenfell-Tower-Katastrophe, bei der 2017 in London 72 Menschen starben. Dort wurde der Einsatz brennbarer Fassadenverkleidungen als Hauptursache ermittelt.
Chinas Präsident Xi Jinping forderte die Behörden auf, alle Anstrengungen zu unternehmen, um das Feuer zu löschen und die Zahl der Opfer möglichst gering zu halten. Die Brandkatastrophe ist die folgenschwerste in Hongkong seit 1948. Sie trifft die Stadt vor den für Anfang Dezember angesetzten Wahlen und dürfte die Unzufriedenheit über die seit langem grassierende Wohnungsnot anheizen. Der betroffene Komplex ist Teil eines staatlich subventionierten Wohnungsbauprogramms. Die Regierung ordnete zudem eine Überprüfung aller Großbaustellen in Hongkong an.
In Hongkong stehen einige der bewohnerreichsten und höchsten Wohnblöcke der Welt. Früher gehörten tödliche Feuer zum Alltag, insbesondere in ärmeren Stadtvierteln. In den vergangenen Jahrzehnten wurden die Sicherheitsmaßnahmen verschärft, sodass Brände in Wohngebieten heute viel seltener vorkommen.




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