Studie “Traces” startet ins zweite Forschungsjahr

Sexualisierte Gewalt: Das Schweigen brechen

Dienstag, 19. März 2024 | 09:33 Uhr

Schlanders – Das Team der Studie “Traces” hat am 18. März 2024 alle Stakeholder im Vinschgau eingeladen, um über den aktuellen Stand der Forschung zu berichten und gemeinsam nächste Schritte zu planen. Schon mit 15 Frauen aus verschiedenen Generationen, die entweder selbst oder deren Familienmitglieder, sexualisierte Gewalt erfahren haben, konnte das Team von der Universität Trient, dem Forum Prävention, dem Frauenmuseum Meran und medica mondiale sprechen. Es werden noch weitere Teilnehmerinnen gesucht.

Forum Prävention

Das Hauptziel der Forschung ist es, gemeinsam mit betroffenen Frauen die Schweigekultur über sexualisierte Gewalt zu durchbrechen, die Aufarbeitung erlebter Gewalterfahrungen anzustoßen und präventiv dem Kontinuum von Gewalt in Familien entgegenzuwirken. Dafür untersucht die Studie die Langzeitfolgen von sexualisierter Gewalt in Familien über drei Generationen hinweg. Nicht aufgearbeitete Traumata können sich durch Familiensysteme ziehen und Spuren hinterlassen. Die Erlebnisse einiger Teilnehmerinnen konnten bereits zeigen, wie sexualisierte Gewalt in den Familien verschwiegen oder bagatellisiert wird und wie sie auch Jahrzehnte später noch in ihrem Alltag auf die Täter treffen, deren Ansehen in den Dörfern teilweise ungebrochen hoch ist.

Das partizipative Forschungsdesign von “Traces” sieht ein enges Zusammenarbeiten mit lokalen Diensten vor. Das ermöglicht es, Bedürfnisse vor Ort zu diskutieren, sexualisierter Gewalt auf institutioneller Ebene zu begegnen und das Schweigen darüber nachhaltig zu brechen. So können auch breite Einblicke in verschiedene Lebensrealitäten erlangt werden. In Erinnerungsrunden haben Bewohnerinnen der Seniorenwohnheime von Laas und Mals beispielsweise wertvolle Einblicke in die Lebensumstände der Frauen im Vinschgau gegeben. Die historischen Lebensumstände, geprägt durch Krieg und daraus resultierenden Traumata, großer Armut, ökonomischen Abhängigkeiten und dem Einfluss von patriarchalen Strukturen wie der katholischen Kirche, sind entscheidende Faktoren, die das Entstehen von sexualisierter Gewalt begünstigt und das Schweigen in den Familien gefördert haben.

Ältere Frauen, insbesondere über 80, werden daher ermutigt, ihre Lebensgeschichten mit dem Forschungsteam zu teilen. Ihr Beitrag ist sehr wichtig, um die Erlebnisse der Einzelnen in den gesamtgesellschaftlichen Kontext einzubetten. Es haben sich schon zahlreiche Frauen gemeldet und es werden für die Studie noch weitere Betroffene, ihre Töchter und ihre Enkelinnen gesucht. Die Gespräche finden in einem geschützten Rahmen und durch traumasensibel-geschulte Interviewerinnen statt. Interessierte Frauen können sich für die Teilnahme direkt bei der Leiterin der Studie Andrea Fleckinger unter andrea.fleckinger@unitn.it oder telefonisch unter 0464/808438 melden. Alle Gespräche sind vertraulich, und personenbezogene Daten werden anonymisiert.

Die Universität Trient, die internationale Frauenrechtsorganisation medica mondiale, das Forum Prävention und das Frauenmuseum Meran haben im vergangenen Jahr das gemeinsame Forschungsprojekt “Traces” (TRAnsgenerational ConsEquences of Sexual violence) gestartet. Finanzielle Unterstützung erhalten die Projektpartnerinnen von der Autonomen Provinz Bozen, Abteilung Soziales, sowie von der Stiftung Sparkasse.

Von: mk

Bezirk: Vinschgau

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