Von: ka
Mapello – Weniger als einen Monat nachdem die Leiche der 62-jährigen Stefania Rota in ihrer Wohnung in Mapello bei Bergamo aufgefunden worden war, wurde ihr Cousin Ivan Perico wegen Mordes festgenommen. Zunächst hatten die Ermittler angenommen, dass die sehr zurückgezogen lebende Frau, die mehr als zwei Monate lang tot in ihrer Wohnung gelegen hatte, eines natürlichen Todes gestorben war, aber die Autopsie der bereits stark verwesten sterblichen Überreste der 62-Jährigen ergab, dass Stefania Rota ermordet worden war. Minutiöse Ermittlungen und sein verdächtiges Verhalten führten die Carabinieri zum 71-Jährigen.
Nachdem Verwandte und Freundinnen, die lange nichts mehr von der 62-Jährigen gehört hatten, Anzeige erstattet hatten, brachen am 21. April die Carabinieri von Mapello die Tür zur Wohnung von Stefania Rota auf. Kurz darauf machten sie eine schreckliche Entdeckung. Auf dem Teppich im Wohnzimmer lag die Leiche der seit mehreren Wochen vermissten Frau. Die Leiche, die bereits stark verwest war, lag auf dem Rücken und wies einer ersten Untersuchung zufolge keine Anzeichen von äußeren Verletzungen auf. Zunächst ging man sogar davon aus, dass sie eines natürlichen Todes gestorben war, weshalb die Erlaubnis für ihre Beerdigung erteilt wurde.
Den Carabinieri fielen aber schon während der ersten Durchsuchung der Wohnung mehrere Ungereimtheiten auf. Obwohl die Haustür komplett verriegelt war, fehlten die Hausschlüssel. Neben den Schlüsseln waren auch das Smartphone der Frau sowie ihre Geldbörse unauffindbar. Außerdem war das Auto des Opfers – ein blauer Ford Fiesta – nicht in der Garage unter dem Haus geparkt. All diese Details veranlassten die Justizbehörden, die Beschlagnahmung der Leiche zu veranlassen und eine Autopsie anzuordnen.
Letztere brachte endgültige Klarheit. Bei der Untersuchung der verwesten Leiche wurden mehrere Schädelfrakturen, ein Hämatom im Gesicht und Verletzungen des Schildknorpels festgestellt. Die Verletzungen ließen zweifelsfrei darauf schließen, dass Stefania Rota einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen war.
In ihrer Wohnung stellten die Carabinieri, die unter der Leitung der Staatsanwaltschaft von Bergamo die Ermittlungen durchführten, auch das Tagebuch der 62-Jährigen sicher. Stefania Rota hatte in diesem Buch, ohne auch nur einen Tag auszulassen, regelmäßig nicht nur ihre täglichen Besorgungen, sondern auch ihre Gedanken und Gefühle eingetragen. Nach dem Tod ihrer Eltern hatte die Frau, die in der Altenpflege tätig gewesen war, ein sehr zurückgezogenes Leben geführt.
Eindrücke aus ihrem Berufsalltag und Alltägliches wie der Einkauf im Supermarkt oder das Betanken ihres Fiesta hatte die 62-Jährige minutiös in ihrem Tagebuch festgehalten. Am 11. Februar hatte die Frau aufgehört, darin zu schreiben. Die Carabinieri und die Staatsanwaltschaft gehen davon aus, dass dieser Tag der letzte im Leben von Stefania Rota gewesen war.
Beim Durchblättern des Tagebuchs entdeckten die Carabinieri auch, dass Stefania sich vor einem Mann, ihrem Cousin zweiten Grades, gefürchtet hatte. „Stefania, nimm dich in Acht vor Ivan, aber das weißt du ja schon“, hatte sie in ihr Tagebuch geschrieben.
Neben ihren Freundinnen hatte der im Tagebuch genannte Cousin zweiten Grades des Opfers, Ivan Perico, zu den wenigen Menschen gehört, mit denen Stefania Kontakt gepflegt hatte. Mit dem in ihrer Nachbarschaft wohnenden 71-Jährigen hatte die Frau auch einige Bergwanderungen unternommen. Verdächtig war von Anfang an, dass sich Perico nie nach dem Verbleib von Stefania erkundigt hatte.
Mit seiner Aussage, dass Stefania ans Meer nach Ligurien gefahren wäre, um dort ältere Menschen zu pflegen, hatte er sogar versucht, ihre Angehörigen und Freundinnen auf eine falsche Fährte zu führen. Auch ein Gerücht, dass Stefania angeblich einen „unbekannten Mann“ kennengelernt hätte, könnte von ihm gestreut worden sein. Die Freundinnen und Verwandten der Frau hatten diesen Aussagen zunächst Glauben geschenkt und aus diesem Grund nicht sofort Alarm geschlagen.
Letztendlich war es aber der blaue Ford Fiesta, der Ivan Perico zum Verhängnis wurde. Der Kleinwagen, der im Gegensatz zur üblichen Gewohnheit des Opfers nicht in der Garage unter ihrer Wohnung, sondern rund 200 Meter entfernt auf einem Parkplatz abgestellt war, wurde bereits wenige Stunden nach dem Leichenfund von den Ermittlern entdeckt. In der Hoffnung, dass ihr Mörder das Fahrzeug verstellen würde, legten sich die Ermittler mehr als zwei Wochen lang auf die Lauer. Diesen „Gefallen“ machte der Täter ihnen zwar nicht, aber die Auswertung des GPS-Trackings der satellitengestützten Diebstahlsicherung des Fiesta ergab, dass der blaue Kleinwagen nach dem Tod der Frau mehrmals verstellt worden war.
Dank der GPS-Technologie konnten diese kleinen Bewegungen örtlich und zeitlich genau eingegrenzt werden. Ein Abgleich mit dem GPS-Track des Smartphones des Verdächtigen ergab, dass Ivan Perico punktgenau dieselben Strecken zurückgelegt hatte, was die Ermittler darauf schließen ließ, dass er es gewesen war, der den Fiesta gefahren hatte. Den Ermittlern zufolge hätte der Verdächtige dies getan, um das „normale Leben“ des Opfers, das zu diesem Zeitpunkt längst tot gewesen war, vorzutäuschen.
Diese aus Sicht der Ermittler erdrückende Beweislast veranlasste die Staatsanwaltschaft dazu, einen Haftbefehl zu beantragen. Mit dem dringenden Tatverdacht, Stefania Rota ermordet zu haben, wurde am Samstag Ivan Perico festgenommen. Der 71-Jährige gestand wenig später, seine Cousine ermordet zu haben. Um weitere Beweisstücke sichern zu können, durchsuchten die Carabinieri am Wochenende seine Wohnung. Ivan Perico wurde nach einem ersten Verhör in die Haftanstalt von Bergamo überstellt.