Fall sexueller Diskriminierung endet vor Gericht

„Entlassen, weil ich keinen Minirock und keine Stöckelschuhe trug“

Montag, 23. November 2020 | 08:06 Uhr

Turin – Ein böser und unglaublicher Fall sexueller Diskriminierung, der sich in einem mittelständischen Betrieb in der Nähe von Turin zugetragen hatte, endete vor einem Gericht. Die 25-jährige Alice war von ihrem Chef nicht nur dazu gezwungen worden, einen Minirock und Stöckelschuhe zu tragen, sondern auch eine in einem Terrarium im Büro des Chefs gehaltene Schlange mit lebenden Beutetieren zu füttern. Nachdem sie „rebelliert“ hatte und entlassen worden war, erstattete sie Anzeige.

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Alice war 25 Jahre alt, als sie in einem mittelständischen Betrieb in der Nähe von Turin als Bürokraft angestellt wurde. Die Arbeit gefiel ihr gut und auch die Entlohnung war angemessen, aber die vom Chef vorgeschriebene Kleiderordnung für das weibliche Personal – Minirock und Stöckelschuhe – bereitete ihr einiges Kopfzerbrechen.

Eine „Aufgabe“ war aber besonders bizarr. „Am Morgen musste ich mich um eine Schlange kümmern, die in einem Terrarium im Büro des Chefs gehalten wurde. Dazu musste ich ein paar Stufen hochsteigen, um dem Reptil ein lebendes Beutetier geben. Es war eine Art Ritual, bei dem ich vom Chef beobachtet wurde. Diese von mir verlangte Aufgabe machte mich sprachlos, aber ich fand keinen Mut, mich dagegen zu wehren. Ich hatte Angst, vor dem Nichts zu stehen“, so die Schilderung von Alice.

Laut Darstellung des Chefs wurde die 25-Jährige später wegen Nichteinhaltung des Arbeitsvertrages entlassen. Aber Alice zufolge war die Realität eine ganz andere. „Ab einem bestimmten Zeitpunkt wollte ich die Avancen und die Ansprüche des Inhabers der Firma nicht mehr länger über mich ergehen lassen“, so Alice.

apa

Sie focht vor dem Arbeitsgericht die Entlassung an und schilderte den Richtern die ganzen von ihr erlittenen Erniedrigungen. „Ich hatte nie davon erzählt, weil ich meinen Arbeitsplatz nicht verlieren wollte. Gezwungenermaßen einen Minirock und Stöckelschuhe zu tragen, kam mir komisch vor und ärgerte mich. Aber ich hatte Angst, aufzubegehren. Ich fürchtete, von den anderen schlecht beurteilt und ausgegrenzt zu werden. Nach einer weiteren Ungerechtigkeit mir gegenüber, entschied ich, mich zu widersetzen“, so die Erzählung von Alice.

Das Schöne an der Geschichte ist, dass nach ihrer Anzeige sich einige ihrer ehemaligen Kolleginnen ebenfalls an das Gericht wandten, um dem Staatsanwalt von den psychologischen Erpressungen des Inhabers der Firma zu berichten. In der Tat hatte der Chef – ein 40-jähriger Mann aus der Nähe von Turin – alle weiblichen Angestellten dazu gezwungen, seine Schlange mit lebenden Beutetieren zu füttern.

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Rechtsanwältin Franca Zappata, die das Opfer im anstehenden Prozess vertreten wird, berichtete Lokalmedien, dass ihr in der Vergangenheit bereits mehrmals solche in verschiedenen Betrieben herrschende Zustände begegnet waren. „In den kleineren Betrieben herrscht unter den Frauen eine größere Angst, sich zu wehren. In einem solchen Ambiente sind es leider die Frauen, die am meisten leiden. Es überwiegt heute immer noch die Vorstellung, dass eine Frau auch vom psychologischen Standpunkt aus gesehen unbequeme Arbeitsverhältnisse annehmen müsse und dass bestimmte Wünsche und Verhaltensweisen normal seien“, so Rechtsanwältin Franca Zappata.

In diesem Fall ist die Beweislage erdrückend. Für den 40-jährigen Chef dürfte es nun knüppeldick kommen.

Von: ka