Für „unerwartete“ Tochter werden in 25 Jahren 90.000 Euro fällig – VIDEO

Fehlgeschlagene Sterilisation: Krankenhaus muss Eltern entschädigen

Mittwoch, 22. Juli 2020 | 07:05 Uhr

Brescia – Eine missglückte Sterilisationsoperation kommt dem Krankenhaus von Brescia teuer zu stehen.

Das Gericht von Brescia verurteilte den zuständigen Sanitätsbetrieb, den Eltern, die vor knapp sieben Jahren trotz der Sterilisation der Mutter ein viertes Kind – eine Tochter – bekommen hatten, bis zur Vollendung des fünfundzwanzigsten Lebensjahres ihres Kindes monatlich eine Summe von 300 Euro zu überweisen. Die Richter von Brescia sahen es als erwiesen an, dass durch den Operationsfehler „das Selbstbestimmungsrecht der Eltern, die Zeugung von Nachkommen zu beenden“ verletzt worden war. Zusammen mit einer weiteren Entschädigung wurden den Eltern mehr als 90.000 Euro als Schadenersatz zugesprochen.

APA/APA (dpa)/Arne Dedert

Ein Paar aus Brescia, das bereits drei Kinder bekommen hatte, entschloss sich aufgrund finanzieller Überlegungen schweren Herzens dazu, die Familienplanung zu beenden. Um nicht noch einmal schwanger zu werden, unterzog sich die damals 39-jährige Mutter im Jahr 2011 einem Routineeingriff – einer Eileitersterilisation. Diese Form der Sterilisation besteht darin, den Eileiter unpassierbar zu machen, wodurch die Eizelle die Gebärmutter nicht mehr erreichen kann.

Zur Überraschung des Paares wurde die Frau aber kaum mehr als zwei Jahre darauf trotzdem schwanger. Neun Monate später erblickte ein „unerwartetes“, aber schönes und gesundes Mädchen das Licht der Welt. Ihre Eltern freuten sich dennoch. Allerdings geriet durch das letzte Kind des Paares die Finanzplanung der Familie gehörig ins Wanken. Da laut Meinung der Eltern der Fehler von den Ärzten begangen worden war, zogen sie vor Gericht.

Fünf Jahre später beendete die Richterin des Tribunals von Brescia, Elisabetta Arrigoni, den Rechtsstreit und verurteilte den zuständigen Sanitätsbetrieb – die „Spedali Civili di Brescia“ – den Eltern bis zur Vollendung des fünfundzwanzigsten Lebensjahres ihrer Tochter monatlich eine Summe von 300 Euro zu überweisen. Allein durch dieses Urteil beläuft sich die Schadensersatzsumme auf 90.000 Euro. Zudem wurden der Mutter, die als Folge der Operation eine Diastase der Bauchdeckenmuskulatur erlitten hatte, ein weiterer Schadenersatz von 1.513 Euro zugesprochen.

Das Gericht von Brescia sah es in seiner Urteilsbegründung als erwiesen an, dass durch den Operationsfehler „das Selbstbestimmungsrecht der Eltern, die Zeugung von Nachkommen zu beenden“, verletzt worden war. Das Urteil fußt unter anderem auch auf die Artikel 2 und 13 der italienischen Verfassung und auf „das Recht auf eine verantwortungsbewusste Fortpflanzung“. In dieser Hinsicht spielte das Bewusstsein der Eltern, sich wirtschaftlich kein weiteres Kind mehr leisten zu können, eine herausragende Rolle.

APA/APA (Archiv/Pfarrhofer)/HERBERT PFARRHOFER

Der Einwand des Gesundheitsbetriebs, der auf das „Restrisiko“ dieser Art von Eingriffen hingewiesen hatte, wurde hingegen vom Gericht abgewiesen. Den endgültigen Ausschlag zugunsten der Eltern erfolgte durch die Meinung des technischen Experten, der in seinem, dem Gericht vorgelegten Bericht von einer „chirurgischtechnisch unangemessenen Ausführung“ gesprochen hatte. Wie der Experte im Laufe der Verhandlung anmerkte, war die endgültige, beidseitige Entfernung eines Teils der Eileiter erst im Zuge der Geburt der Tochter vorgenommen worden.

APA/HANS KLAUS TECHT – Symbolbild

Justizexperten beschrieben das Urteil von Brescia als bahnbrechend. Gleich wie in einem ähnlichen Fall in Udine, der vom gleichen Rechtsanwalt betreut worden war, erging bereits der zweite Richterspruch, bei dem Eltern von „unerwarteten“ Kindern recht bekamen und Schadenersatz erhielten.

Von: ka