Millionenfache Vogelmorde aus Tradition

Italien ist die Todesfalle Nummer eins in Europa

Mittwoch, 05. November 2025 | 07:22 Uhr

Von: idr

Rom – Zig Millionen Vögel nutzen die Route über Italien entweder als Zwischenstopp auf ihrer Reise Richtung Süden oder verbringen die kalte Jahreszeit bei moderaten Temperaturen zum Beispiel in der Toskana. Für viele Vögel endet die Reise jedoch unfreiwillig, da viele Exemplare in Italien im wahrsten Sinne des Wortes vogelfrei sind. Die Folge: circa 5,6 Millionen Vogelmorde pro Jahr – so viele wie in keinem anderen europäischen Land.

Italien ist das gefährlichste Land Europas für Zugvögel: Rund 600.000 Jäger gehen jährlich auf die Vogelpirsch. Weil Paarhufer wie Rehe und Hirsche früher selten waren, hat sich eine jahrhundertealte Tradition der Zugvogeljagd entwickelt. Insgesamt 39 Vogelarten sind zum Abschuss freigegeben – darunter neben Tauben, Enten und Watvögeln auch fünf Singvogelarten: Feldlerche, Amsel, Wacholderdrossel, Rotdrossel und Singdrossel.

Illegal oder egal?

Die Feldlerche, überall in der EU als gefährdet eingestuft, darf in Italien legal geschossen werden. Die Tageslimits sind dabei hoch bemessen: meist drei Waldschnepfen, zehn Feldlerchen und 25 Singdrosseln pro Tag. Saisonale Limits liegen bei der Feldlerche bei 50 Tieren – theoretisch. In der Praxis bleiben Kontrollen weitgehend aus.

Zusätzlich erlauben manche Regionen über Ausnahmegenehmigungen den Abschuss eigentlich geschützter Arten wie Stare, Buchfinken und Bergfinken – eine nach EU-Recht höchst zweifelhafte Praxis. Jäger können von Tarnhütten aus mit lebenden Lockvögeln jagen.

Das eigentliche Problem ist die illegale Jagd. In kaum einem anderen EU-Land ist die Schnittmenge zwischen lizenzierten Jägern und kriminellen Wilderern so groß. Das Komitee gegen den Vogelmord wird bei seinen Vogelschutzcamps fast täglich Zeuge nicht ordnungsgemäßer Jagd.

Hobby-Killer Trump Jr.

Wie selbstverständlich die Vogeljagd praktiziert wird, zeigte sich Anfang dieses Jahres: Donald Trump Jr., Sohn des US-amerikanischen Präsidenten, machte in der Lagune von Venedig Jagd auf Wildvögel und prahlte in einem Video mit Dutzenden toten Wildgänsen, Enten und Wachteln. Unter den Opfern befand sich auch eine seltene Rostgans, die nur noch äußerst selten in Europa anzutreffen ist.

Die Szenen entstanden im Schutzgebiet Valle Pirimpie, wo die Jagd für Ausländer eigentlich verboten ist. Während mehrere Umweltschutzorganisationen Trump Jr. verklagten, verteidigte der zuständige Regionalrat den Präsidentensohn. Beide gaben an, dass Trump Jr. eine Erlaubnis zum Jagen der Vögel gehabt habe.

Für viele Zugvögel bleibt die Italienroute weiter alternativlos. Das hat zur Folge, dass sich einige Arten weiterhin bedrohlich reduzieren. Durch den fortschreitenden Klimawandel könnten sich zunehmend mehr Vögel den weiten Weg bis nach Afrika sparen und bei milden Temperaturen in dem Mittelmeerland bleiben. Ob Italien bis dahin die Gesetze nachschärft und besser gegen Wilderer vorgeht, bleibt abzuwarten.

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