Von: idr
Rom – Weihnachten gilt in Italien als unantastbar. Familie, Kirche, Tradition – all das scheint fest verankert. Doch in den 1920er- und 1930er-Jahren geriet selbst dieses Fest unter Druck. Das faschistische Regime Benito Mussolinis betrachtete religiöse Feiertage zunehmend mit Skepsis – nicht aus Glaubensfeindlichkeit, sondern aus Machtkalkül.
Der Faschismus wollte den „neuen Italiener“ formen: diszipliniert, produktiv, dem Staat verpflichtet. Religiöse Rituale, die Loyalität zur Kirche stärkten, galten als konkurrierende Autorität. Weihnachten – mit seinen Gottesdiensten, Familienzusammenkünften und der Betonung christlicher Nächstenliebe – passte nur bedingt zur Ideologie von Opferbereitschaft und nationaler Stärke.
Faschistische Feiertage: Der „Weihnachts-Duce“
In den 1930er-Jahren begann das Regime daher, traditionelle Feste umzudeuten. Statt der Geburt Christi rückte der Staat sich selbst ins Zentrum. Öffentliche Feiern, Schulprogramme und Jugendorganisationen wie die Opera Nazionale Balilla propagierten eine „faschistische Festkultur“. Kinder beschenkten nicht mehr das Christkind, sondern den Duce. In manchen Städten wurden Weihnachtsferien verkürzt, kirchliche Symbole aus Schulen entfernt, Krippen durch staatstreue Inszenierungen ersetzt.
Besonders sichtbar wurde der Konflikt im Alltag: Betriebe wurden angehalten, rund um Weihnachten produktiv zu bleiben, statt „unnötige“ Feiertage zu pflegen. Zeitungen berichteten weniger über religiöse Inhalte, dafür umso mehr über militärische Erfolge und nationale Errungenschaften. Weihnachten sollte entemotionalisiert, entprivatisiert und in den Dienst der Nation gestellt werden.
Vatikan rettete das Fest und behielt Einfluss
Ganz abschaffen konnte Mussolini das Fest jedoch nie. Mit den Lateranverträgen von 1929 hatte sich das Regime offiziell mit dem Vatikan arrangiert. Die Kirche blieb mächtig – und Weihnachten zu tief in der Gesellschaft verwurzelt.
Doch der Versuch, das Fest ideologisch zu kontrollieren, zeigt: Selbst scheinbar unangreifbare Traditionen sind nicht immun gegen politische Machtansprüche. Weihnachten überlebte den Faschismus – aber nicht ohne zuvor an den Rand gedrängt worden zu sein.




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