Von: luk
Orta San Giulio – Nicht der Comer See. Nicht der Gardasee. Nicht der Lago Maggiore. Wer in Italien wirklich zur Ruhe kommen will, fernab von Trubel, Instagram-Hotspots und Menschenmassen, fährt an einen See, den kaum jemand auf den Zettel hat: den Ortasee. Genauer gesagt: nach Orta San Giulio.
Dieses winzige Städtchen in Norditalien ist ein echter Geheimtipp – oder besser gesagt: ein Liebesbrief an das alte Italien. Kopfsteinpflastergassen, autofreie Wege, stille Plätze, der See schimmert wie ein Aquarell. Hier gibt es keine Top-Ten-Listen, keine Must-sees. Nur ein paar Trattorien, eine verträumte “Piazza” und ganz viel Zeit zum Durchatmen.
Die Italiener wissen längst, was sie an diesem Ort haben: Wenn das Leben laut wird, flüchtet man hierher.
Ein besonderes Erlebnis ist die Überfahrt in kleinen Holzfähren zur Isola San Giulio. Die Insel im See vor San Giulio wird von einem Benediktinerinnenkloster dominiert.
Die Isola San Giulio ist kaum mehr als ein schmaler Streifen Land im See und doch wirkt sie wie eine Welt für sich. Kaum angekommen, senkt sich eine spürbare Stille über den Besucher. Keine Hektik, keine Stimmen, nur das leise Klappern der Boote an den Stegen. Der Rundweg auf der Insel nennt sich passenderweise „Weg der Stille“ – ein schmaler Pfad, der einmal um das Benediktinerinnenkloster führt. An den Mauern stehen kleine Tafeln mit Zitaten über das Schweigen, das Hinhören, das Wesentliche. Es ist ein Ort zum Innehalten, man flüstert automatisch, als wäre man in einer lebendigen Meditation.
Wer zurück im Ort ist, sollte den Aufstieg zum Sacro Monte di Orta nicht scheuen. Der Weg schlängelt sich durch einen stillen Kastanienwald, in dem die Luft nach Moos und Licht riecht. Unterwegs stößt man immer wieder auf Renaissance-Kapellen, die das Leben des heiligen Franz von Assisi in ausdrucksstarken Terrakotta-Figuren darstellen. Jede Szene ist wie ein stilles Theaterstück aus einer anderen Zeit.
Oben angekommen, öffnet sich plötzlich der Blick über den Ortasee – weit, weich und leuchtend wie ein Gemälde. Man sitzt dort auf einer Bank, hört nur Wind in den Bäumen und Glockenläuten in der Ferne. Kein Instagram-Filter der Welt kommt da ran.
Hier spürt man, was Italien wirklich bedeutet: Schönheit ohne Lautstärke. Andacht ohne Religion. Zeit ohne Uhr. Das wahre Paradies ist manchmal ganz klein.
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