Mord an Giulia Cecchettin [22] macht fassungslos

Filippo hat mit blutigem 20-Euro-Schein an Tankstelle bezahlt

Sonntag, 19. November 2023 | 16:23 Uhr
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Von: mk

Bei den Ermittlungen um den Mord an einer italienischen Ingenieurstudentin Giulia Cecchettin (22) aus Vigonovo bei Venedig, deren Leiche am Samstag in einer Schlucht zwischen dem Berggebiet des Barcis-Sees und Piancavallo in der friaulischen Provinz Pordenone entdeckt wurde, ist es zu einer Wende gekommen. Der mutmaßlicher Täter Filippo Turetta, ein Ex-Freund des Opfers, wurde nach acht Tagen Flucht in Deutschland gefasst, wie der Anwalt seiner Familie am Sonntag mitteilte.

Der Anwalt, Emanuele Compagno, informierte die Familie des mutmaßlichen Täters, dessen Auto auch in Tirol und in Kärnten lokalisiert worden war. Der 22-Jährige, der wegen Mordes mit europäischem Haftbefehl gesucht war, wurde auf der Autobahn A9 bei Bad Dürrenberg (Sachsen-Anhalt) nahe Leipzig festgenommen und befindet sich auf einer Polizeistation, wie italienische Medien berichten. Der italienische Außenminister Antonio Tajani begrüßte die Festnahme. Er dankte der deutschen Polizei für die Zusammenarbeit und versicherte, dass die Auslieferung des Festgenommenen nach Italien in wenigen Tagen erfolgen werde.

Der 22-Jährige ist offenbar in seinem Wagen aufgehalten worden. Bei seiner Festnahme leistete er keinen Widerstand. Im Gegenteil: Er wirkte resigniert und nahezu erleichtert, dass seine Flucht ein Ende gefunden hat. Dies soll er auch den Behörden gegenüber erklärt haben. Laut einem Bericht der Bild-Zeitung ist es zur Festnahme am Samstagabend gegen 22.00 Uhr bei einer Straßenkontrolle gekommen. Der Polizei sei ein unbeleuchtetes Fahrzeug auf dem Pannenstreifen aufgefallen.

Ermittler vermuten, dass die Leiche der Studentin etwa 50 Meter tief in eine Schlucht hinunter gestoßen wurde. Die Frau sei mit mehreren Messerstichen am Hals getötet worden. Die Leiche wies außerdem zahlreiche Abwehrverletzungen an Händen und Armen auf. Ob die Frau bereits tot war, als sie in die Schlucht gestürzt wurde, konnte noch nicht festgestellt werden. Die Leiche war von der Straße aus nicht zu sehen, da sie von einem großen Felsbrocken verdeckt war.

Bei der Analyse der Computer der mutmaßlichen Täters wurde festgestellt, dass er im Internet nach Bergausrüstung sowie nach Routen, Karten und Wegen in Tirol gesucht hatte. Es ist nicht bekannt, wann diese Recherchen durchgeführt wurden, aber vieles deutete darauf hin, dass die Flucht in die Berge geplant war.

Laut Ermittlerkreisen war das Auto des Verdächtigten, der vor einer Woche mit seiner Ex-Freundin verschwunden war, am Mittwoch in Lienz von einer Kennzeichenlesekamera für die Straßenkontrolle registriert worden. Auch in Kärnten soll der schwarze Punto gesichtet worden sein.

Der Student hatte seine Ex-Freundin am späten Samstag der vergangenen Woche in Vigonovo abgeholt. Die beiden wurden noch gegen 20.00 Uhr zusammen in einem Einkaufszentrum gesehen. Die Studentin schickte ihre letzte SMS um 22.43 Uhr an ihre Schwester, und das Handy ihres Ex-Freundes war zuletzt gegen 23.00 Uhr in der Gemeinde Fossó an der Riviera del Brenta ortbar – nicht weit vom Ort entfernt, an dem die junge Frau mit ihrer Familie lebte.

Gegen 23.30 Uhr hatten die Überwachungskameras im Industriegebiet von Fossò, wenige Kilometer von Vigonovo entfernt, heftige Phasen des Angriffs von Filippo auf Giulia aufgezeichnet: ein erstes Handgemenge außerhalb des Autos, Tritte gegen die am Boden liegende junge Frau, ihr Hilferuf “Du tust mir weh”. Giulia versuchte, sich zu entfernen. Doch ihr Ex-Freund erwischte sie von hinten, schlug auf sie ein und warf sie erneut zu Boden. Die Polizei hat in Fossò ein zerbrochenes Messer sichergestellt. Dass es sich um die Tatwaffe handelt, wird nicht ausgeschlossen. Auf dem Parkplatz wurden außerdem Blutspuren und ein Klebeband mit Haaren gefunden.

Mit blutigem 20-Euro-Schein an Tankstelle bezahlt

Auf seiner Flucht soll Filippo außerdem mit einem blutigen 20-Euro-Schein an einer Tankstelle bezahlt haben. Die Aufnahme einer Überwachungskamera vom letzten Sonntag zeige, wie er die blutbefleckte Banknote in den Automaten gibt. Der Besitzer der Tankstelle entdeckte den Geldschein allerdings erst einige Tage später.

Die beiden Studierenden waren eineinhalb Jahre ein Paar gewesen, bevor sie sich im vergangenen Sommer trennten; der Kontakt zwischen beiden riss jedoch nie ganz ab. Beide Familien erstatteten am vergangenen Sonntag Vermisstenanzeige bei den Carabinieri.

Der tragische Tod der Studentin löste Bestürzung in Italien aus. Viele Menschen pilgerten zum Haus der jungen Frau in Vigonovo und hinterließen Blumen. Die Nachricht des Mordes sei herzzerreißend, so Premierministerin Giorgia Meloni auf ihren Sozialnetzwerken. “Ich habe den Fall mit Besorgnis verfolgt und bis zuletzt auf einen anderen Ausgang gehofft. Ich hoffe, dass bald volles Licht in dieses unfassbare Drama gebracht werden kann. Ruhe in Frieden”, schrieb Meloni. Davor hatte die Vorsitzende der oppositionellen Mitte-Links-Partei (PD), Elly Schlein, ihren Aufruf an Meloni erneuert, sich gemeinsam gegen Gewalt gegen Frauen einzusetzen.