Alberto Zangrillo: Frühe Gabe von Kortison erhöht Mortalität – VIDEO

„Nein zum Kortison bei der ersten Linie Fieber – so wird Italien rot“

Montag, 15. März 2021 | 08:02 Uhr

Mailand – Der bekannte Primar der Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin des Krankenhauses „San Raffaele“ von Mailand, Alberto Zangrillo, geht mit der gängigen Praxis, bereits bei den ersten Anzeichen einer Infektion mit dem Coronavirus Kortison zu verabreichen, hart ins Gericht.

„Die Mehrheit der Covid-19-Patienten, die die Notaufnahmen aufsuchen, kann auf eine fehlende oder zu Hause falsch angewandte Therapie zurückgeführt werden. Italien wird ‚rot‘, weil wir die Betreuung der Corona-Patienten vernachlässigen und bei der ersten Linie Fieber Kortison verabreichen“, so das Fazit von Alberto Zangrillo. Zur Unterstützung seiner These zitiert der bekannte Mailänder Arzt eine internationale Studie, nach der eine zu frühe Gabe von Kortison zu einem Ansteigen der Mortalität führt.

Facebook/Alberto Zangrillo

Es ist nicht das erste Mal, dass Alberto Zangrillo den Finger in die Wunde legt. „Zwischen den Varianten, der Reproduktionszahl R, den Neuansteckungen, den Farben der Regionen und Lockdowns wird dem wichtigsten – die richtige Therapie – nur geringe Beachtung geschenkt“, so der bekannte Mailänder Experte, der auf die frühe und internationale Richtlinien missachtende missbräuchliche Anwendung von Kortikosteroiden Bezug nimmt. Eine Person, die ihre an Corona erkrankte Cousine zu Hause pflegt, hatte in den sozialen Netzwerken die Liste der der Covid-19-Patientin verschriebenen Medikamente gepostet und Alberto Zangrillo um seinen Rat gebeten. Der Mailänder Arzt hob mit gelber Farbe den „häufigsten Fehler“ – die Gabe eines Kortisonpräparats – hervor und riet von einer Verabreichung ab.

Um seine These zu untermauern, zitierte Alberto Zangrillo eine medizinische Studie. Laut der im „Journal of Cardiothoracic and Vascular Anesthesia“ veröffentlichten wissenschaftlichen Forschungsarbeit, an der Mediziner verschiedener Länder teilnahmen, geht hervor, dass die Verabreichung von Kortikosteroiden an Covid-19-Patienten, die keiner Sauerstofftherapie bedürfen, ihre Mortalität spürbar erhöht. Aus diesem Grund raten die Autoren der medizinischen Studie bei Patienten, die keine künstliche Sauerstoffzufuhr benötigen, von einer Gabe von Kortisonpräparaten ab.

Facebook/Alberto Zangrillo

Der bekannte Virologe und Immunologe Roberto Burioni pflichtet Alberto Zangrillo bei. „Die Impfstoffe sind wichtig, aber ebenso wichtig ist es, Patienten keine Therapien zu verabreichen, die nicht nur nutzlos, sondern sogar gefährlich sind. In den frühen Stadien von Covid-19 ist Kortison kontraindiziert“, so Roberto Burioni.

Facebook/Medical Facts di Roberto Burioni

In einem vor wenigen Tagen verschickten Rundschreiben kritisieren auch mehrere Infektiologen des Krankenhauses „Sant’Orsola“ von Bologna die Verschreibung von Kortisonpräparaten in der Frühphase von Covid-19. Laut den Medizinern riskiert eine Behandlung mit Kortison, die innerhalb der ersten Woche nach dem Auftreten der Symptome begonnen wird, die Vermehrung der Viren zu begünstigen. Dies – so die Infektiologen des „Sant’Orsola“ – führt dazu, dass die Infektion beschleunigt anstatt zurückgedrängt wird, was schwere Konsequenzen zur Folge haben kann. Während Kortison die Symptome der Entzündung kaschiert, können sich die Coronaviren in aller Ruhe weiterhin vermehren. Dies hat zur Folge, dass sich der Patient selbst zwar besser fühlt, aber zugleich sein Immunsystem schwer geschädigt wird. Sofern nicht besondere frühere Krankheiten bestünden – so die Mediziner aus Bologna –, müsse das Immunsystem junger Corona-Patienten ganz von alleine dazu imstande sein, das Virus zu besiegen.

Facebook/Alberto Zangrillo

Aber leider wird dieser Fehler auch in Bologna begangen. „Überall in Bologna kommen Patienten mit schweren Covid-19-Symptomen in die Notaufnahmen – unter ihnen auch junge Patienten –, deren einziger Risikofaktor der verfrühte Beginn einer Kortisontherapie ist“, erklären die Infektiologen. Die Mediziner aus Bologna erinnern daran, dass auch das Gesundheitsministerium – mit Ausnahme bei jenen Covid-19-Patienten, die in ihrem eigenen Zuhause einer Sauerstofftherapie unterzogen werden – außerhalb der Krankenhäuser von der Verabreichung von Kortisonpräparaten abrät.

Die Debatte um das Für und Wider der Gabe von Kortison an Corona-Patienten stieß in der italienischen Öffentlichkeit auf reges Interesse. Eine Mehrheit der Experten vertritt dabei die Ansicht, dass Kortison, dessen Gabe ab einem bestimmten Zeitpunkt der Krankheit durchaus seine Berechtigung haben kann, nur unter ärztlicher Aufsicht im Krankenhaus verabreicht werden sollte.

Von: ka