EU-Außenbeauftragter Borrell weist Orbán zurecht

EU-Außenbeauftragter rüffelt Orbán nach weiterem Alleingang

Sonntag, 07. Juli 2024 | 08:57 Uhr

Von: apa

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán sorgt weiter für Unruhe in der EU-Außenpolitik. Nach seiner umstrittenen Kreml-Visite hat er am Samstag auch an einem Gipfel der Organisation der Turkstaaten (OTS) im aserbaidschanischen Susa teilgenommen, bei dem auch die vom EU-Staat Zypern abtrünnige “Türkische Republik Nordzypern” vertreten war. EU-Außenbeauftragter Josep Borrell distanzierte sich am Samstagabend von Orbán, dessen Land derzeit den EU-Ratsvorsitz innehat.

Orbáns Teilnahme an dem Gipfel habe “ausschließlich im Rahmen der bilateralen Beziehungen zwischen Ungarn und dieser Organisation” stattgefunden, betonte Borrell in einer Aussendung. Ungarn habe derzeit den EU-Ratsvorsitz inne, doch gehe damit nicht die Vertretung der EU nach außen einher. Damit seien ausschließlich der ständige EU-Ratspräsident und der EU-Außenbeauftragte betraut. Ungarn habe zudem kein Mandat des EU-Rates erhalten, die Beziehungen zur OTS zu vertiefen, stellte der spanische Sozialist klar.

“Die Europäische Union weist den Versuch der Organisation der Turkstaaten zurück, die türkisch-zypriotische sezessionistische Entität, die international nicht anerkannte sogenannte ‘Türkische Republik Nordzypern’ als Beobachterin in der OTS zu legitimieren”, unterstrich Borrell. Die entsprechende Entscheidung der Staaten der Organisation sei “bedauerlich” und widerspreche der Unterstützung von mehreren ihrer Mitglieder für das Prinzip der territorialen Integrität und der UNO-Charta.

Ungarn zählt zu den Beobachtern der Organisation, der die Türkei, Aserbaidschan, Kasachstan, Usbekistan und Kirgistan angehören. Orbán hatte die OTS bei dem Gipfel als “wesentliche Säule” der Kooperation zwischen Ost und West gewürdigt. Wie die staatliche ungarische Nachrichtenagentur MTI berichtete, lobte der Regierungschef auch den Gastgeber des Gipfels, Aserbaidschans Präsident Ilham Aliyev. Dieser habe “hunderttausenden Menschen in der Kaukasusregion die Möglichkeit eines friedlichen Lebens zurückgegeben”, sagte Orbán in Anspielung auf die gewaltsame Rückeroberung der abtrünnigen Region Berg-Karabach durch die aserbaidschanische Armee im Herbst 2020. Der umstrittene Feldzug hatte den Exodus praktisch der gesamten ethnisch armenischen Bevölkerung des Gebiets zur Folge.

Die Stadt Susa war im Zuge des Krieges um Berg-Karabach von Aserbaidschan zurückerobert worden. Orbán zog diesbezüglich einen Vergleich zum Ukraine-Krieg. Die Rückkehr der Stadt “ermutigend aus dem Blickwinkel des Friedens für Ungarn”, das seit zweieinhalb Jahren im Schatten des Ukraine-Krieges lebe. Im russischen Aggressionskrieg gegen die Ukraine sieht Orbán eine Fortsetzung des militärischen Kräftemessens kritisch und macht sich für Friedensverhandlungen stark. Unmittelbar nach Beginn der ungarischen Ratspräsidentschaft hatte er den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Kiew sowie den russischen Machthaber Wladimir Putin in Moskau besucht. Putin ist wegen seines Eroberungskrieges gegen das EU-Beitrittswerberland Ukraine mit EU-Sanktionen belegt und wird vom Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag als mutmaßlicher Kriegsverbrecher gesucht. Neben der ukrainischen Halbinsel Krim, die er seinem Staat bereits vor zehn Jahren widerrechtlich einverleibt hat, ließ er nach Kriegsbeginn vier ukrainische Regionen zu russischem Staatsgebiet erklären ohne auch nur eine von ihnen militärisch vollständig erobert zu haben.