Von: luk
Bozen – Heute Morgen wurde die Debatte zu den zu den drei Gesetzentwürfen zum Haushalt eröffnet: Landesgesetzentwurf Nr. 39/19: Bestimmungen in Zusammenhang mit dem Stabilitätsgesetz; Landesgesetzentwurf Nr. 40/19: Landesstabilitätsgesetz für das Jahr 2020; Landesgesetzentwurf Nr. 41/19: Haushaltsvoranschlag der Autonomen Provinz Bozen 2020-2022.
Der Sitzungsbeginn musste um eine halbe Stunde verschoben werden, da die Sitzung der Landesregierung noch andauerte, wie Gerhard Lanz erklärte. Kritik dazu gab es von Alessandro Urzì und Sven Knoll.
Vor Beginn der Arbeiten erinnerte Präsident Josef Noggler an den vor zwei Tagen verstorbenen ehemaligen Landtagsabgeordneten Umberto Montefiori, der von Juni 1996 bis Dezember 1998 Präsident des Landtags war: “Dieser Aufgabe kam er mit seiner Erfahrung als Carabiniere auf sehr korrekte und disziplinierte Art und Weise, aber gleichzeitig auch mit großer Menschlichkeit nach, was ihm alle Fraktionen parteiübergreifend hoch anrechneten.”
Präsident Noggler teilte auch mit, dass Carlo Vettori die neue Fraktion “Alto Adige Autonomia” gegründet hat. Die Lega Alto Adige – Südtirol hat ihren Namen geändert zu “Lega Salvini Alto Adige – Südtirol” und Rita Mattei zur Fraktionsvorsitzenden bestimmt.
Alessandro Urzì (L’Alto Adige nel cuore – Fratelli d’Italia) erinnerte in seiner Stellungnahme zur Generaldebatte ebenfalls an den ehemaligen Präsidenten Montefiori, dessen Menschlichkeit über die Parteigrenzen hinweggeholfen habe. In diesem Geiste wolle er auch die Debatte angehen. In Kompatschers Haushaltsrede sehe er mehr Visionen als Details. Er hingegen wolle sich mehr den Details widmen, zum Beispiel der Sanität. Er wundere sich über Kompatschers Kritik an den Bürgern, die zu wenig auf ihre Gesundheit schauten, als wären sie die Ursache für die Probleme des öffentlichen Gesundheitswesens. Eines der Probleme sei die Schwierigkeit, Personal zu finden. Urzì kritisierte die Weigerung der Landesregierung, auch bei den italienischen Basisärzten Abstriche von der Zweisprachigkeitspflicht zu machen. Bei der Zulassung von Ärzten ohne Italienischkenntnisse sei man hingegen kulant und riskiere auch die Anfechtung vor dem Verfassungsgericht.
Beim Kapitel zur Wohnbaupolitik vermisste Urzì ein Programm für den öffentlichen Wohnbau, mit den man auch die Preise auf dem Mietmarkt senken könnte. Bozen widme Kompatscher nur eine Zeile, in Zusammenhang mit Verkehrsinfrastrukturen wie der Nordumfahrung, die wie die Tram mehr den Pendlern zugutekämen. Von der Südumfahrung, die es brauchen würde, sei nicht die Rede. In Bozen lebe immerhin ein Fünftel der Südtiroler Bevölkerung.
Bei den Finanzen betone Kompatscher die Exterritorialität Südtirols, mit dem Sicherungspakt, der vor staatlichen Zugriffen schütze und mit dem Anspruch, dass römische Steuersenkungen nicht den Landeshaushalt belasteten. Man sollte das den Südtiroler Unternehmern sagen, dass man die Flat Tax nicht haben wolle. Man freue sich nicht über eine Entlastung der Bürger, sondern sorge sich um den eigenen Haushalt. Das sei auch mangelnde Solidarität gegenüber dem Koalitionspartner Lega, zu dessen Programm die Flat Tax gehöre.
Urzì bekannte sich zur Integration der Einwanderer, fragte aber, wen Kompatscher mit seinem Verweis auf populistische Politik meine. Etwa seinen Koalitionspartner? Kompatscher sei, nach seiner Rede, eindeutig links einzuordnen. Hätte das Team K italienische Abgeordnete, hätte Kompatscher in ihm den Koalitionspartner.
Kompatscher wolle die Pflege von Tradition und Identität, aber auch Öffnung und Toleranz. Urzì fragte, ob die Toleranz auch jene betreffe, die nicht im Lande sein dürften und sich nicht an die Regeln hielten.
Im Dreijahreshaushalt sei eine Kürzung der Mittel für Investitionen von 1,2 Mrd. auf 900 Mio. Euro vermerkt. Das bedeute eine Zunahme der laufenden Ausgaben und ein Wachsen des Verwaltungsapparats.
Kompatscher spreche vom Vertrauen der Opposition und sage nicht, wen er meine. Er spreche auch das Vertrauen der Bürger in die Institutionen an, und das nachdem das Land in den italienweiten Statistiken abgerutscht sei.
Urzì kritisierte Kompatschers Zugang zur Identitätsfrage. Er sage, dass zwei Drittel der Bevölkerung den Doppelpass ablehne, und sehe ihn dennoch als Ziel. Das habe keinen Sinn, auch weil Südtirol für diese Frage nicht zuständig sei. Ebenso verfehlt sei es, wenn er für die Polemik um den Namen des Landes jenen die Schuld zuweise, die zurecht auf eine Provokation reagiert hätten. Kompatscher habe den Mut zum Kompromiss gelobt – er hätte auch Respekt und Fair Play einfordern sollen.
Südtirol stehe gut da, stellte Brigitte Foppa (Grüne) eingangs fest. Das Land werde als Modell gesehen, die Wirtschaftsdaten seien gut, auch wenn das Land angeblich schlecht erreichbar sei, die Geburtenrate sei im Vergleich hoch. Man könnte stolz darauf sein, man müsse aber auch die Schattenseiten sehen. Man könne nicht Nachhaltigkeit predigen, ohne die Rückseite der Produktionsmaschinerie anzuschauen. Die jungen Leute, die auf dem Magnagoplatz demonstrierten, wollten keine Korrekturen, sondern einen Richtungswechsel. Wer zum Beispiel Monokultur und Industrialisierung in der Landwirtschaft anspreche, begehe bereits Tabubruch. Die Bedeutung der Landwirtschaft, insbesondere der Berglandwirtschaft dürfe nicht geschmälert werden, aber es gebe eben auch Schattenseiten.
Kompatscher wolle die digitale Autonomie und verabschiede sich gleichzeitig vom Projekt FUSS für freie Software. Die digital angebotenen Dienste seien für die Bürger nicht leicht erreichbar.
Man dürfe auch nicht übersehen, dass das Südtiroler Erfolgsmodell auch von vielen unterbezahlten, armutsgefährdeten und unterrepräsentierten Frauen geschultert wird. 17 Prozent der Bevölkerung seien armutsgefährdet. Zu den Schattenseiten gehörten auch die Zunahme der Einsamkeit und des Leistungsdrucks. Für eine echte Nachhaltigkeit seien neben der Wirtschaft auch Umwelt, Soziales und Kultur zu berücksichtigen. Man könnte sich öfter die Frage stellen: “Brauchen wir das wirklich?” Foppa nannte in diesem Zusammenhang als Beispiele den Glasturm unterm Rosengarten und den Flughafen. Der Volksentscheid sei klar gewesen: Man wolle keinen Flughafen.
Es gebe auch andere Gefahren für die Demokratie. Es herrsche weiter die Angst, dass eine Kandidatur für Oppositionsparteien persönliche Nachteile bringe. Kompatscher habe sich für mehr Partizipation ausgesprochen, dennoch wolle man die Volksabstimmung über Landesgesetze bremsen. Die politische Debatte werde geringgeschätzt, allerdings auch von jenen Oppositionsparteien, die lieber in den Medien präsent seien als in der Landtagsdebatte. Gefährlich sei auch der Umgang mit der Provokation zum Streit um den Namen “Alto Adige” gewesen.
In diesem ersten Jahr der neuen Regierung hätten Visionen und Mut zum Kompromiss gefehlt. Der Landeshauptmann lasse sich auf Kleinkriege ein, er werde von Gatterer und Athesia regelmäßig gemaßregelt. Die Haushaltsrede sei mehr eine Antwort an die Opposition gewesen als ein Programm. Das Jahr sei von unnötigen Polemiken gekennzeichnet gewesen, auch innerhalb der Mehrheit. Mut schaue anders aus.
Maria Elisabeth Rieder (Team K) fragte sich, ob sie zu naiv sei, wenn sie die Vertretung der Bürgerinteressen als ihre erste Aufgabe sehe und daher auch das Angebot Kompatschers zur Zusammenarbeit in Erwägung gezogen zu haben. Tatsache sei, dass die Vorschläge der Opposition regelmäßig abgelehnt würden.
Vieles in der Haushaltsrede könne man mittragen. Aber die dort genannten Prioritäten habe man im vergangenen Jahr vermisste. Bei der Sanität habe man sich auf Ankündigungen und schöne Worte beschränkt, aber nie von jenen geredet, die diesen wesentlichen Dienst in den Krankenhäusern aufrechterhielten. 471 von ihnen hätten in den letzten zwei Jahren gekündigt. Es brauche auch gute Arbeitsbedingungen, aber der Vertrag für das nichtärztliche Personal sei längst verfallen, während viele bald in Rente gingen.
Für die Senioren brauche es nicht nur Betreuung, sondern auch geeignete Wohnungen und anderes. Initiativen zur Erhöhung der Mindestrente seien versandet, der Landessozialplan sei 2009 verfallen und immer noch nicht erneuert worden. In zehn Jahren sei ein Viertel der Bevölkerung über 65, und es fehlten Plätze und Personal in Seniorenheimen. Auch bei der Pflege daheim gebe es viele Schwierigkeiten. Ein diesbezüglicher Vorschlag des Team K sei einfach niedergestimmt worden.
Man wolle die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, aber eine angemessene Bezahlung für die Mitarbeiterinnen in den Betreuungseinrichtungen sei ausständig. Eine Tagesmutter verdiene 4 Euro die Stunde. Auch hier wurden ihre Vorschläge abgelehnt.
Je mehr Menschen von ihrem Lohn leben können, desto weniger brauche es Sozialleistungen. Hier seien neue Wege einzuschlagen. Es klinge gut, wenn man die Irap-Reduzierung an bessere Löhne kopple, aber die Umsetzung sei genau zu beobachten. Im Koalitionsprogramm stehe ein Fonds für Frauen, um gleiche Bedingungen in der Arbeitswelt zu ermöglichen. Sie hoffe, dass die Mehrheit das auch unterstütze.
In der Haushaltsrede sei auf Nachhaltigkeit Wert gelegt worden. Das müsse auch im Konkreten bewiesen werden, zum Beispiel bei der Schottergrube Gais.
Kompatscher fordere Vertrauen ein, um schneller von der Ankündigung zur Tat zu kommen. Der Umgang miteinander im Landtag gehe in eine andere Richtung. Es sei immer wieder versucht worden, die wenigen Instrumente der Opposition zu entschärfen.
Ulli Mair (Die Freiheitlichen) bemerkte einen starken Trend zum Individualismus, der aber auch zu einem unreflektierten Kollektivismus führe. Was Kompatscher tue und sage, weiche nicht ein bisschen vom Mainstream ab. Unabhängigkeit und Eigenständigkeit seien etwas anderes. Lieber wäre ihr ein Landeshauptmann, der anecke. Wer die Tatsachen beim Namen nenne, werde lächerlich gemacht und als Populist ausgegrenzt. Man warte, bis der Mediensturm vorbei sei, und mache dann gleich weichgespült weiter.
Kompatscher propagiere Nachhaltigkeit und befürworte gleichzeitig den Flughafen. Er sehe die EU als Handlungsrahmen, aber das zeuge von wenig politischer Autonomie. Die neue Generation der SVP lehne jeden Unabhängigkeitsgedanken ab und wolle nur in Rom und Brüssel Gefallen finden.
Der Bozner Bahnhofspark zeuge vom mangelnden Interesse für die Sorgen der Bevölkerung. Hierzu habe man auch Vorschläge gemacht, nicht populistische Stellungnahmen. Kompatscher reagiere erst, wenn ein Thema medial aufgeheizt werde. Ein entschiedenes Vorgehen wäre nicht nur im Sinne der Bevölkerung, sondern auch jener Ausländer, die hier arbeiten und sich an die Gesetze halten. Die Gesetzgebung müsse dem Zusammenhang zwischen unkontrollierter Einwanderung und Kriminalität Rechnung tragen. Mehr Sicherheit gebe es nur durch die Abschiebung von Straffälligen und Null-Toleranz-Politik, welche nun auch der Landeshauptmann einfordere. Man könnte nun ihm Populismus vorwerfen, meinte Mair und fragte, warum man nicht schon früher gehandelt habe. Statt diese Entwicklung im Keim zu ersticken, würden wirkungslose Projekte wie “hamet2” finanziert. Sie habe gehofft, dass die SVP mit der Lega eine Koalition eingehe, aber bisher sei die Regierungsbeteiligung der Lega für die Katz, ihre Themen landeten auf Facebook statt in der Landesregierung.
Im Bericht werde Angst als Nährboden für populistische Politik bezeichnet, aber Kompatschers Politik sei mitte-links-populistisch, die auf Zuspruch schiele, statt Lösungen anzustreben. Nun freuten sich viele auf die schwarz-grüne Koalition in Österreich, denn jetzt werde das Klima gerettet. Die wahren Probleme blieben aber auf der Strecke, auch in Südtirol: jene der Familien oder des Mittelstands. Hier gäbe es Möglichkeiten der Erleichterungen über die Steuern: die Abschaffung des kommunalen Irpef-Zuschlags, vor allem aber wäre das Familiensplitting hilfreich. Besser seien Steuersenkungen als Beiträge. Die Ansässigkeitsklausel sei auf zehn Jahre zu erhöhen, auch auf 15 Jahre. Dies auch im Sinne des Minderheitenschutzes und der Autonomie. Die Entscheidungsfreiheit in der Kinderbetreuung sei immer noch nicht gegeben, die Betreuung daheim werde weniger unterstützt. Die Bezahlung der KiTa-Mitarbeiterinnen sei zum Teil schon Ausbeutung.
Der Mangel an Arbeitskräften sei vor allem hausgemacht. Die Baby-Boomer kämen ins Pensionsalter, und die Politik habe entscheidende Maßnahmen versäumt, um die Geburtenrate zu heben. Um Südtirol als Arbeitsplatz attraktiver zu machen, müssten vor allem die einheimischen Familien mehr unterstützt werden. Wenn es dann noch Arbeitskräfte von außen brauche, müsse man genau darauf achten, wen man ins Land lasse. Südtirol brauche nicht eine Politik der offenen Türen, sondern eine geregelte Einwanderung. Es sei auch endlich eine Kosten-Nutzen-Analyse zur Einwanderung zu erstellen. Man müsse vermeiden, dass die einen Arbeitskräfte ins Land holen, während alle anderen die Folgekosten zahlen müssen.
Stellungnahmen von Nicolini, Vettorato, Repetto und Staffler
Diego Nicolini (5 Sterne Bewegung) hat aus der Haushaltsrede den Ökologen Arno Kompatscher herausgehört, der mehrmals auf Nachhaltigkeit pocht. Leider hänge der ganze Diskurs in der Luft, biete einfache Lösungen zu komplexen Problemen und umgekehrt. Es bräuchte mehr Mut zu neuen Möglichkeiten des Zusammenlebens und der Mitbestimmung. Nachhaltigkeit hänge auch von Beteiligung ab. Kompatschers Rede habe einen väterlichen Einschlag: “Wir entscheiden für euch.” Er verlange mehr Vertrauen, um schneller zu den Fakten zu kommen. Ein Miteinander würde eine stärkere Einbeziehung der Bürger bedeuten, indem man sich zum Beispiel mehr an der Schweiz orientiert. Die “Fridays vor Future” würden als Gegenüber gesehen, nicht als Partner. Der Nachhaltigkeit in der Rede fehlten die entsprechenden Zahlen im Haushalt. Die Energiepolitik setze auf die Kraftwerke, nicht auf die Selbsterzeuger, und die Kontrolle sei schwach. Man rede vom Umstieg auf die Schiene, plane aber neue Straßen.
Zu behaupten, dass 80 Prozent der Bevölkerung sich sicher fühlten, gehe an den Tatsachen vorbei. Es sei gut, die Steuersenkungen beizubehalten und auf die Kontinuität der Einnahmen zu achten, aber unter den Einnahmen seien auch jene aus dem Glücksspiel. In der Sanität seien die Wartezeiten das größte Problem, und der Angriff auf die Ärztekammer sei nicht im Sinne der Sache. Bei all den Problemen der Sanität den Bürgern die Schuld zu schieben, sei eine Frechheit.
Zu den sozialen Problemen gehörten auch die teuren Wohnungen; dazu könne man keinen Plan erkennen. Wenn man von den Gehältern rede, so müsse man bedenken, dass das Land der größte Arbeitgeber sei. Nicolini kritisierte die Abkehr von der freien Software und den Mangel an Willen, von den Pestiziden in der Landwirtschaft abzukommen. Hier brauche es auch mehr Forschung und Entwicklung, die sich die bäuerlichen Kleinbetriebe nicht leisten könnten.
Giuliano Vettorato (Lega Salvini Alto Adige – Südtirol) zitierte aus dem Koalitionsprogramm, dessen Ausfluss auch die programmatische Erklärung des Landeshauptmanns sei. Damals hätten manche das Regierungsprogramm als Lega-lastig bezeichnet, heute werde der Lega vorgeworfen, sie komme im Haushaltsprogramm nicht vor. Im Koalitionsabkommen stünden bereits viele Dinge, etwa zur Beteiligung der Bürger, zur Familie, zum friedlichen Zusammenleben, zu Immigration und Integration, die auch in der Haushaltsrede vorkämen. Es seien nicht SVP- oder Lega-Themen, sondern Ergebnis eines Abkommens. Man versuche, die Koalition durch Interpretationen auseinanderzudividieren, in Wahrheit sei sie aber sehr geschlossen. Man unterstelle der Lega Faschismus, eine persönliche Stellungnahme zur Krippe sei als Brief an die Schuldirektoren ausgegeben worden. Beides sei nur eine Unterstellung.
Sandro Repetto (Demokratische Partei – Bürgerlisten) sah einige positive Aspekte in der Haushaltsrede, etwa den Bezug auf das Mailänder Abkommen, das von einer anderen Regierung ausgearbeitet wurde, oder die Steuersenkungen. Er kritisierte aber einen unterschiedlichen Bezug zum Bozner Krankenhaus, das einen viel größeren Einzugsbereich habe, und zu den anderen Spitälern. Die Übertragung der Zuständigkeiten für die Krankenhausbauten sei vorgenommen worden, als sei das nichts Besonderes, dabei sei es ein bedeutender Verlust. Die Lega habe keinen Bezug zur Wirtschaft, zum Sozialen und zur Sanität, das sein ein großes Manko, wenn man so wichtige Entscheidungen treffen müsse. In Kompatschers Rede werde nicht vom Sozialen oder vom Wohnbau gesprochen, und es werde keine Unterscheidung zwischen Stadt und Land gemacht. Man schiebe den Gemeinden die Schuld zu, die keine Baugründe ausweisen würden, während ein Wohnbauprogramm des Landes fehle. In der Wirtschaft brauche es eine Mischung, nicht nur Tourismus und Landwirtschaft, es könne auch nicht sein, dass Wolf und Bär die einzigen Probleme seien.
Repetto vermisste auch einen Bezug zum Autonomiekonvent, der aus dem Gedächtnis verschwunden sei. Er hätte sich dazu mehr erwartet, wenigstens eine Richtungsangabe. Auch zur Migration werde in der Haushaltsrede nicht viel gesagt. Aber auch hier wäre ein strategischer Plan gefragt, ebenso ein Wohnbauprogramm. Man hätte sich auch Gedanken machen können über die Auswirkungen des Brennerbasistunnels. Bei den Wohnungen bräuchte es mehr Augenmerk auf den Mietmarkt, aber davon sei nicht die Rede, ebenso wenig von den Beziehungen mit den Lokalkörperschaften. Die Gemeinden bräuchten Mittel und Personal, nicht nur Bürgermeisterrenten. Repetto sprach sich gegen eine Ansässigkeitsklausel von 10 Jahren aus. Vettorato habe von einer sehr aktiven Landesregierung gesprochen, was man z.B. beim Bibliothekszentrum nicht erkennen könne, ebenso wenig beim neuen Gefängnis. Die Verkehrslösungen für Bozen würden immer von der Konzessionsverlängerung für die Autobahn abhängig gemacht und daher vertagt.
Hanspeter Staffler (Grüne) sah erst jetzt den Beginn der wirklichen Landtagsarbeit gekommen, vorher habe man mit einem provisorischen Haushalt gearbeitet. Aus den Bergen von Papier, die zum Haushalt mitgeliefert wurden, die Maßnahmen herauszufiltern, die in der Haushaltsrede angesprochen wurden, sei schwierig. Kompatscher habe für ein Klima des Vertrauens gesprochen. Aber ein solches Klima schaffe man von oben nach unten: Das Vertrauen der Eltern ins Kind, das Vertrauen des Vorgesetzten in seien Mitarbeiter, das Vertrauen der Landesregierung in den Landtag. Bei letzterem sei man oft gerade noch über der Gürtellinie gelegen. Für ein Vertrauen brauche es auch Vertrauenswürdigkeit: Schon oft sei die A22-Konzession versprochen worden.
Schön zu hören, dass der Klimaschutz zur Priorität wurde, meinte Staffler. Aber die entsprechenden Maßnahmen müsse man mit der Lupe suchen, Vorschläge der Grünen dazu seien versenkt worden. Ansätze, Verkehr zu vermeiden, seien nicht vorhanden: stattdessen Straßenbau, Eventkultur, Flughafen. Über 50 Prozent der Futtermittel seien importiert, auch aus Südamerika, wenn man alles hier produzieren wollte, müsste man die Obstwiesen roden. Stattdessen rede die Politik von der Biodiversität, vom Lebensstil und Technologie. Ohne Richtungswechsel werde man die Ziele nicht erreichen. Die Aussage Kompatschers, dass Südtirol nicht die Welt retten könne, habe ihn verwundert; auch Südtirol könne seinen Beitrag leisten.
In Südtirol seien die sozialen Unterschiede nicht so hoch wie anderswo, aber viele Bürger erreichten nur schwer das Monatsende. Staffler kritisierte den Widerstand der Landesregierung beim Kollektivvertrag fürs Personal und forderte Anreize für Zusatzverträge. Die volle Irap für Betriebe, die wenig Lohn zahlen, sei nur selbstverständlich. Die meisten Südtiroler, die im Ausland studierten, blieben auch dort, weil hier die Karrieremöglichkeiten fehlten und eine verschlossene Mentalität herrsche, was nur langsam zu ändern sei. Die Anpassung von Löhnen und Gehältern könnte hingegen schnell vor sich gehen. Es sei gelungen, eine riesige Kampagne gegen Wolf und Bär zu finanzieren und umzusetzen. Im Ausland sei dadurch aber der Eindruck von einem Land hinter den Bergen entstanden, wo sich Fuchs und Has’ gute Nacht sagten.
Die Vorsätze zur technologischen Aufrüstung der Verwaltung seien gut, aber lösten nicht das eigentliche Problem. Viele Mitarbeiter würden in den nächsten Jahren in Rente gehen. Man müsste nachdenken über die Attraktivität der Arbeitsplätze, über ein gutes Betriebsklima und über die Kollektivverträge. Ausländische qualifizierte Arbeitskräfte, die man anwerben möchte, würden sich auch lieber in anderen Ländern niederlassen.
Die Eigenverantwortung sei in der Haushaltsrede mehrmals genannt worden. Dahinter stecke auch ein neoliberales Konzept, wonach jeder sich selbst um seine Bedürfnisse und seine Vorsorge kümmern solle. Den Krankenhäusern sei Autonomie genommen worden, was sich schädlich auswirken werde. Und nun komme auf leisen Sohlen der Umstieg auf die Privatmedizin, die durch Einzelmaßnahmen schmackhaft gemacht werde, etwa zum Abbau der Wartezeiten.
Kompatscher wolle die Artenvielfalt schützen, aber der Umbau der zuständigen Landesabteilung sei für die Mitarbeiter eine zusätzliche Belastung, während der Druck der Bauwirtschaft steige. Die weitere Liberalisierung der Bagatelleingriffe sei dazu nicht hilfreich.
Denkmalschutz und Raumordnung seien höher dotiert worden, und der Stolz auf das öffentliche Nahverkehrssystem sei berechtigt. Gleichwohl sei es nicht gelungen, den Individualverkehr zu verringern. Eine Verkehrsvermeidung erreiche man nur, wenn man mit der Eventkultur aufhöre, mit dem organisierten Besuch von mehreren Hotspots durch die Touristen.
Das Haushaltsvolumen verfüge mit 6,2 Mrd. auf hohem Niveau, 1,1 Mrd. seien für Investitionen reserviert. Daher seien die Klagen aus der Wirtschaft nicht nachvollziehbar. Investitionen und Transferzahlungen an die Wirtschaft seien dann sinnvoll, wenn der Wirtschaftsmotor stottere, aber das tue er derzeit nicht. In Zeiten des wirtschaftlichen Booms sollten die Mittel mehr in Soziales und Bildung investiert werden. Die Mobilität werde gut dotiert, aber auch für viele Straßenprojekte. Auch der Landesrat für Hochbau und die Bauwirtschaft könnten zufrieden sein. Auf der anderen Seite warte das Sanitätspersonal seit Jahren auf den neuen Kollektivvertrag, die Gebühren für die Altersheime seien erhöht worden, beim Wohnbau gebe es Einsparungen. Bei der Wohnbauförderung könne man nicht gleichzeitig die Vorschriften lichten und die Treffsicherheit erhöhen. Die Bildungsquote könne sich mit 15 Prozent sehen lassen. Die Geldmittel für den ländlichen Raum seien vorhanden.
Man freue sich über die vollen Kassen und auch darüber, dass keine blinden Passagiere in den Haushalt aufgenommen wurden. Staffler sah die Anpassung der Löhne an die hohen Lebenshaltungskosten als Gebot der Stunde. Die Betonung der Nachhaltigkeit sei löblich, aber konkret vermisse man die Taten, während man den Gegenwind aus der Mehrheit spüre. Mit dieser Regierungsmannschaft sei Kompatschers Ziel nicht zu erreichen. Vertrauensbildende Maßnahmen sähen anders aus. Es gelte das Sprichwort: “Versprich wenig, halte viel!”
Die Stellungnahmen von Knoll, A. Ploner und Locher
Die Haushaltsdebatte sei das Ritual, in dem die Landesregierung sich selbst lobe und die Opposition kritisiere, meinte Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit). Kritik könne auch mit harten Bandagen geführt werden, aber wer kritisiere, müsse auch sagen, was er besser machen würde. Er möchte daher eine alternative Haushaltsrede halten.
Heimat sei nicht nur ein Gebiet, sondern auch eine Emotion. Heimat sei auch, wo man gut lebe, und das hänge von vielen Faktoren ab. Der Brexit zeige, wie schnell sich die Lage in Europa ändern könne. Das lehre uns, dass nichts beständig sei. Daher müsse man Alternativen bereithalten. Heuer sei ein besonderes Gedenkjahr: 1919 mit dem Vertrag von Versailles, 1939 mit der Option, 1989 mit dem Mauerfall. Alles könne sich ändern. Man wisse nicht, ob es in zehn oder 100 Jahren noch eine Autonomie geben werde. Zu den Menschenrechten gehöre auch die Selbstbestimmung. Wäre sie 1919 zugelassen worden, sähe die Geschichte ganz anders aus. 1989 habe auch eine Selbstbestimmung stattgefunden, und sie werde positiv gesehen. Auch in Osteuropa und auf dem Balkan habe es Selbstbestimmung gegeben. Gestern habe sich Bougainville für unabhängig von Neuguinea erklärt. Die Selbstbestimmung zeige sich als ein wichtiger Motor der Geschichte. Den Schotten, die sich von England trennen wollten, sei ein europafeindlicher Kurs vorgeworfen worden – stattdessen seien die Schotten die größten EU-Befürworter, während die Engländer für den Austritt seien. Die EU habe zu dieser Entwicklung beigetragen, da ihr die Nationalstaaten wichtiger seien. Südtirol habe auch eine Verantwortung in Europa, wenn es die Selbstbestimmung ablehne, weil sie angeblich zur Spaltung führe. In einer Demokratie sei Spaltung natürlich – die einen für etwas, die anderen dagegen – nur in einer Demokratie gebe es keine. Das Zusammenleben in Südtirol stehe auf tönernen Füßen, weil viele Altlasten aus der Geschichte nicht aufgearbeitet seien. Die Identität spiele da eine wichtige Rolle. Die Freiheit, selbst entscheiden zu können, was man sein wolle, sei der Kern der Selbstbestimmung. Menschen änderten sich nicht durch die Verschiebung der Grenzen. Wie Urzì sich als Italiener fühle, so habe er das Recht sich als Italiener zu fühlen. Das Denken, wonach in einem Staat nur Menschen mit gleicher Sprache und Kultur leben dürften, sei verfehlt. Ebenso verfehlt sei es, wenn man jenen, die es wünschten, die doppelte Staatsbürgerschaft verweigern wolle. Bei der vielzitierten Umfrage hätte sich die Mehrheit der Jugend für den Doppelpass ausgesprochen. Es komme aber nicht auf die Zahl an, sondern darauf, dass es Menschen gebe, die dies möchten. Derzeit habe nur die italienische Volksgruppe das Recht auf jene Staatsbürgerschaft, die sie sich wünschten. Er wäre auch dafür, allen die hier lebten, die österreichische Staatsbürgerschaft zu gewähren, aber das sei rechtlich nicht möglich. Die doppelte Staatsbürgerschaft wäre im europäischen Sinne, die Südtiroler könnten z.B. bei den EU-Wahlen grenzüberschreitend wählen. Die doppelte Staatsbürgerschaft sei ein individuelles Recht: Wer sie nicht wolle, müsse sie nicht haben.
Beim Heimatschutz sei auch die Verkehrsbelastung ein Thema. Als die Brennerautobahn gebaut wurde, sei der Transit noch nicht als Gefahr gesehen worden. Jetzt sei er eines der Hauptprobleme. Der Brennerbasistunnel könnte Entlastung bringen, werde aber ohne Zulaufstrecken nicht funktionieren. Der beste Klimaschutz wäre die Verlagerung auf öffentliche Verkehrsmittel. Hier brauche es höhere Ansprüche. Der BBT sei ein Beispiel für misslungene europäische Verkehrspolitik. Bei Innsbruck brauche es jetzt eine Überschneidung des Tunnels, da man sich zwischen Italien und Österreich nicht zwischen Rechts- und Linksverkehr entscheiden konnte. Dazu kämen unterschiedliche Stromnetze und Sicherheitsbestimmungen.
Auch die Sicherheit gehöre zum Heimatschutz. Wenn man sich nicht sicher fühle, leide die Lebensqualität. Vor allem in Bozen habe man ein Problem, das auch von der Rechtssituation abhänge. Immer wieder würden Täter auf freien Fuß gesetzt.
Gesundheit nehme eine ebensowichtige Rolle ein. In den letzten Jahren habe man oft über Missstände geredet. Ärzte, die nicht Deutsch sprächen, würden nicht zugelassen, jene, die die Mehrheitssprache der Bevölkerung nicht beherrschten, aber schon. Wichtig wäre auch, die Bedingungen zu schaffen, damit Südtiroler Jungärzte aus dem Ausland zurückkämen.
Soziale Gerechtigkeit sei das Bindeglied einer Gesellschaft. Ungerechtigkeit führe zu Spannungen, auch zu ethnischen. Man müsse sich auch auf Zeiten vorbereiten, in denen der Wohlstand nicht mehr kitten könne. Damit Südtirol auch in Zukunft eine lebenswerte Heimat bleiben könne, müsse man anpacken.
Alex Ploner (Team K) sah im üppigen Haushalt die Rahmenbedingungen für ein glückliches Leben. Es sei eine schwierige Aufgabe, 6,2 Mrd. zu verteilen. Es habe ihm Gefallen, dass Kompatscher zu Beginn das gesellschaftliche Klima angesprochen habe, das zunehmend rauer werde. Kompatscher habe auch das Misstrauen im Hause angesprochen, aber Vertrauen müsse man sich auch verdienen. Das raue Klima beunruhige auch ihn, erklärte Ploner, und es werde besonders rau, wenn es ums Geld gehe. Die 6,2 Mrd. gehörten nicht der SVP, sondern den Bürgern. Man vermisse im Haushalt neue Ansätze. Bildung stelle das Fundament einer Gesellschaft dar, aber das Bildungsbudget sei eher durchschnittlich. Eine Digitalisierung der Schule, wie etwa in Estland, sei noch weit entfernt. Zur Förderung der Mehrsprachigkeit hätte man mehr sagen können. Kunst und Kultur seien ebenfalls wichtig für die Nachhaltigkeit, für ein funktionsfähiges Gemeinschaftsleben. Das Kulturbudget um 85 Mio. Euro, weniger als Städte wie Freiburg oder Genf. Man finde keine kulturpolitischen Ziele, kein mehrjähriges Kulturkonzept. Es gebe auch einen kulturellen “brain drain”. Sportmannschaften unterstütze das Land mit Millionen, Künstler nur mit wenig. Für Kultur werde nur 1,5 Prozent des Haushalts ausgegeben, und das solle in den nächsten Jahren noch weniger werden.
Kompatscher habe zu Recht den Tausenden Ehrenamtlichen gedankt. Menschliche Beziehungen seien den Bürgern laut Umfragen am wichtigsten, und der Nährboden dafür finde sich in den Vereinen und Freiwilligenorganisationen. Deren Probleme seien seit Jahren bekannt: Sie bräuchten finanzielle Planungssicherheit und weniger Bürokratie. Das zuständige Amt sei unterbesetzt. Ploner plädierte dafür, auch Spinner und Visionäre zu fördern, denn diese hätten die Welt verändert.
Franz Locher (SVP) wies darauf hin, dass man in dieser Debatte viele Wünsche geäußert, aber noch keinen Dank an die Steuerzahler ausgesprochen habe. Einen wichtigen Beitrag zu unserer Lebensgrundlage leiste auch der Wald, der mehr als die Hälfte der Landesfläche ausmache und auch für unsere Luft und unseren Wasserhaushalt wichtig sei. Eine gepflegte Natur sei der größte Reichtum unseres Landes, nicht nur das Geld, und dazu würden auch die Bauern beitragen, zum Beispiel mit einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung. Die 76 Fernheizwerke und die Kläranlagen seien die beste Investition gewesen. Im umwelttechnischen Bereich passiere in Südtirol sehr vieles.
Der Verkehr werde zunehmend zum Problem, und hier hinke die Politik nach. Ein besonderes Problem sah Locher im Freizeitverkehr über die Pässe, der mehr Schäden anrichte als die Bauern mit der Gülle. Ein bisschen mehr Verursacherprinzip wäre sinnvoll. Das gelte aber auch für den öffentlichen Nahverkehr, wenn es nicht um arbeitsbedingte Fahrten gehe. Die Autosteuer sei sehr günstig, wenn man sie etwas erhöhe, könnte man auch Verkehrsprojekte wie Umfahrungen finanzieren. 40 Prozent der Südtiroler wohnten im Einzugsgebiet von Bozen, in diesem Gebiet bestehe absoluter Handlungsbedarf. Der Hörtenbergtunnel sei wichtig, aber auch die Fertigstellung des Küchelbergtunnels in Meran. Mit diesen Projekten sei man viel zu langsam.
Locher lobte die Ankündigung Kompatschers, die Berggebiete mehr zu unterstützen. Diese seien wichtig für die Lebensqualität, aber die Bergbauern würden vielfach im Tal eine Arbeit annehmen und schließlich dort bleiben. Jedes Jahr würden 150 Betriebe zusperren. Eine Investition in die Berglandwirtschaft sei unterm Strich nicht teuer. Das Pendeln zwischen Hof und Arbeit im Tal sei nicht förderlich für den Erhalt der Höfe. Die Landwirtschaft produziere gesunde Lebensmittel, ob bio oder nicht. Eher als die Schafe sollte man den Wolf einzäunen, denn dieser jage dann halt andere Schafe, erklärte Locher und kündigte an, morgen seien Rede fortzusetzen.
Die Debatte wird morgen um 10.00 Uhr wieder aufgenommen.