Von: mk
Bozen – Der Landtag hat sich heute zunächst mit dem Beschlussantrag Nr. 711/16: Neuausrichtung von Rai Südtirol! (eingebracht von den Abg. Zimmerhofer, Atz Tammerle und Knoll am 30.11.2016) befasst. Die Landesregierung wird aufgefordert, 1. im Rahmen der Euregio die Voraussetzungen für einen gemeinsamen Sender zu schaffen; 2. alle rechtlichen, technischen und finanziellen Voraussetzungen für die Einrichtung eines in jeder Hinsicht eigenständigen Südtiroler Senders zu schaffen, sollte Punkt 1 nicht realisierbar sein; 3. eine enge Zusammenarbeit mit den bereits bestehenden lokalen Anbietern zu suchen, um Synergien zu nutzen.
“Nach dem Rücktritt des Chefredakteurs von Rai-Südtirol, Wolfgang Mayr, ist es notwendig, dass sich auch der Landtag mit der Zukunft bzw. zukünftigen Ausrichtung des Senders befasst”, erklärte Bernhard Zimmerhofer (Süd-Tiroler Freiheit). “Immerhin fließen jährlich 20 Millionen Euro vom Land an die Rai-Zentrale in Rom. Das Geld wird laut Konvention zwischen Rai und Land für die deutsche und ladinische Redaktion sowie für die Programmabteilung ausgegeben. Eine moderne Führung bzw. Ausstattung eines erfolgreichen lokalen Fernseh- und Radiosenders wie Rai Südtirol ist mit dem Staatsapparat Rai in Rom aber kaum durchführbar, da dieser an übertriebener Bürokratie und an allgemeiner Trägheit krankt. Genau diese Schwerfälligkeit des römischen Rai-Apparates verhindert immer noch, dass Rai Südtirol zeitgemäß arbeiten kann. Die Entscheidungsabläufe bleiben zentralistisch ausgerichtet. Ein moderner Sender muss flexibel und kundennah arbeiten können. Südtirol hat auch diesbezüglich andere Bedürfnisse als die römische Zentrale oder verschiedene italienische Regionalsender. Rom hält sich außerdem bis heute nicht an die Vorgaben, wonach in der deutschen und ladinischen Abteilung auch das technische Personal der entsprechenden Sprachgruppe angehören soll. Zudem ist zu bemängeln, dass eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen Rai und Land kaum stattfindet.” Zimmerhofer nannte auch die jüngste Zuseherumfrage des Astat, bei der der Sender Bozen schlecht abgeschnitten habe. Auch Chefredakteurin Kessler habe jüngst bemängelt, dass zu vieles von Rom abhänge und sie wenig entscheiden könne.
Walter Blaas (Freiheitliche) bezeichnete sich nicht als Freund der Rai, aber so schlecht finde er sie auch nicht. Kritik an der Programm- und der Musikauswahl liege in der Natur der Dinge. Ein einheitlicher Sender für Nord- und Südtirol scheine ihm derzeit nicht möglich.
Alessandro Urzì (L’Alto Adige nel cuore) warnte davor, den Sender zu sehr unter Kontrolle zu stellen. Die Abhängigkeit von Rom gewähre ihm auch Unabhängigkeit in der lokalen Berichterstattung.
Den Angriff auf die Rai fand auch Sigmar Stocker (F) nicht gerecht. Er mache auch gute Sendungen, wenngleich er politisch nicht mit allem einverstanden sei. Der ORF sei vergleichsweise hyperzentralistisch, das wäre bei einem gemeinsamen Sender zu berücksichtigen. Südtirol Heute gewinne Zuschauer, habe aber andere Inhalte, weniger Politik – die Pressekonferenzen der Parteien würden da z.B. weniger berücksichtigt. Rai und ST Heute würden sich gut ergänzen.
Der Antrag sei kein Angriff auf die Rai, betonte Myriam Atz Tammerle (STF), aber bestimmte Probleme seien zu benennen, wie etwa der Seherschwund. Ziel sei eine gezieltere Einsetzung der Mittel, die das Land dafür ausgibt, und eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Die Rai solle mehr Unabhängigkeit bekommen.
Die Rai sei kein Staatsfunk, sondern ein öffentlicher Dienst, präzisierte Riccardo Dello Sbarba (Grüne). Die sog. vierte Gewalt müsse klar von der politischen Macht getrennt bleiben. Die 20 Mio., die das Land an die Rai überweist, hätten zu Reformen geführt, die auch sichtbar seien. Das Land könne mit der Rai einen Dienstvertrag für zusätzliche Dienste abschließen. Die Vision eines selbständigen Senders sei nicht finanzierbar, das habe auch Durnwalder einsehen müssen.
Wenn Südtirol die Rai Südtirol selbst verwalten könnte, könnte man vieles machen, meinte Andreas Pöder (BürgerUnion), der das derzeitige Angebot allerdings als nicht so schlecht bezeichnete. Der Informationsinhalt sei vielleicht nach politischen Kriterien nicht immer wunschgemäß. Wer immer vorne stehen wolle, fühle sich benachteiligt. Eine Eigenfinanzierung wäre sinnvoll, sie müsse aber von einem überparteilichen Rundfunkrat begleitet werden.
Eines sei die Berichterstattung, mit der an mehr oder weniger einverstanden sein könne, etwas anderes die Struktur, meinte Sven Knoll (STF). Er wolle lieber einen lokalen Sender als einen staatlichen Sender mit lokalen Sendungen. Wenn die Chefredakteurin vom Dreierlandtag in Innsbruck berichten wolle, müsse sie in Rom um Genehmigung für die Entsendung von Journalisten ansuchen. Sie habe auch gesagt, dass die 20 Mio. im Rahmen des Finanzabkommen der Redaktion nicht mehr Spielraum oder Mittel gebracht habe.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk übe in Südtirol eine zentrale Rolle aus, meinte Hans Heiss (Grüne), was gerade in einer Minderheitensituation wichtig sei und ebenso als Kontrast zu den Fake-News. Die Astat-Umfrage habe aber gezeigt, dass ein Umbau nötig sei. Mehr Eigenverwaltung sei wünschenswert, man sollte aber auch die Steigerung der Qualität im Auge behalten, auch beim Musikprogramm.
Im Antrag gehe es nicht um Inhalte, sondern um organisatorische Aspekte, betonte LH Arno Kompatscher. Das Mailänder Abkommen bedeute in diesem Fall nur, dass das Land und nicht der Staat den Sender Bozen finanziert, damit sei der Sender aber vor allfälligen Kürzungen sicher. Das Geld lande zunächst in Rom, müsse aber für Rai Südtirol ausgegeben werden, wobei die Verhandlungen mit der Rai-Zentrale sehr mühsam gewesen seien. Noch sei das Ergebnis nicht das, was man sich vorgestellt habe. Das Ziel sei maximaler Handlungsspielraum bei Rai Südtirol, natürlich im Rahmen des gesamten Kostenplans. Auch aus Südtirol, zumal vom Koordinator von Rai Südtirol, erwarte er sich hier mehr Initiative. Zum Musikprogramm werde man nie eine Einigung unter den Hörern finden, meinte Kompatscher und wies auf die Lösung in Ostbelgien hin, wo der Sender geteilt wurde – die Digitaltechnik ermögliche dies. ST Heute funktioniere gut und werde auf die Europaregion ausgedehnt. Insgesamt sei man mit dem Angebot zufrieden, es gebe aber noch Möglichkeiten. Bernhard Zimmerhofer kündigte eine Anfrage zur Verwendung der 20 Mio. an und wiederholte seine Kritik an der mangelnden Gestaltungsfreiheit für Rai Südtirol. Der Antrag wurde mit acht Ja und 22 Nein abgelehnt.
Beschlussantrag Nr. 417/15: Einführung der Abschnittskontrolle (“Tutor”-System) auf der Brennerautobahn (eingebracht von den Abg. Dello Sbarba, Foppa und Heiss am 6.7.2015). Gefordert wurde, mit einem nachträglich eingereichten Änderungsantrag der Einbringer, 1. eine unmittelbare Erhebung der effektiven Geschwindigkeitsübertretungen auf der A22, deren Ergebnisse im September vorgestellt werden sollten. 2. Die Landesregierung solle dann ihre Lösungsvorschläge unterbreiten. 3. Auch die Einführung des Tutor-Systems sei zu prüfen.
Es sei bekannt, dass eine Reduzierung der Geschwindigkeit auch den Schadstoffausstoß reduziert, erklärte Riccardo Dello Sbarba (Grüne). Derzeit würden die Kontrollen von Polizeistreifen vorgenommen, und das sei ein veraltetes, lückenhaftes System. Auf anderen italienischen Autobahnen gebe es zur laufenden Überwachung das Tutor-System, das die Durchschnittsgeschwindigkeit zwischen zwei Punkten messe. Das habe zu einer Reduzierung der Unfälle um 70 Prozent geführt. Eine andere Möglichkeit wäre ein dynamisches Tempolimit je nach Luftqualität. Das Tutorsystem sei nicht für illegal erklärt worden, die Autobahngesellschaft sei nur verurteilt worden, dem Erfinder die Patentgebühren zu zahlen. Dello Sbarba kritisierte die A22-Spitze, die in Feierstimmung sei, weil die Zunahme des Verkehrs Mehreinnahmen bringe.
Brigitte Foppa (Grüne) wies auf die Schwierigkeit hin, Lösungen gegen die Luftverschmutzung zu finden. Die bisherigen Lösungen hätten nichts gebracht, der Verkehr habe zugenommen. Man habe rund um die Uhr 10 LKW pro Minute auf der Autobahn. Die Auswirkungen der Stickoxide auf die Gesundheit seien nachgewiesen, etwa bei den Atemwegserkrankungen der Kinder.
Magdalena Amhof (SVP) wies darauf hin, dass die Grenzwerte für Luft und Lärm auf dieser Autobahn kontinuierlich überschritten würden. Die SVP Brixen habe einen Maßnahmenkatalog erarbeitet, eine davon betreffe die Gebühren, die derzeit zu niedrig seien. Dennoch würden viele LKW, darunter viele mit polnischem Kennzeichen, auf die Staatsstraße ausweichen.
Die Verkehrssituation im Unterland beginne katastrophal zu werden, auf der Autobahn wie auf der Staatsstraße, warnte Oswald Schiefer (SVP). Die Hauptspur der Autobahn sei von einer ständigen LKW-Kolonne besetzt, und auch auf der Überholspur bilde sich schnell eine Kolonne, weil man nicht überholen könne. Gegen die Geschwindigkeitsübertretungen brauche es gezieltere Kontrollen, das wäre ein erster Schritt.
Andreas Pöder (BU) sprach sich gegen den Antrag aus. Die Vorredner hätten alle so getan, als würden sie zu Fuß gehen. Die Brennerautobahn sei deshalb so überlastet, weil sie günstig sei und weil die Alternativen nicht attraktiv seien. Eine Geschwindigkeitsüberwachung oder ein Lufthunderter bringe gar nichts, das sei grüne Propaganda. Dass Langsamfahren zu weniger Ausstoß führe, sei nach den bekannt gewordenen Dieselbetrügereien keine Gewissheit mehr.
Sven Knoll (STF) sah es als Tatsache an, dass fast niemand die Beschränkungen einhalte. Allerdings sei das Tutorsystem auf der Brennerautobahn keine Lösung, es würde zu mehr Staus führen. Es funktioniere nur auf dreispurigen Autobahnen mit Kriechspur.
Das Tutorsystem sei nur eine Minimalforderung, betonte Hans Heiss (Grüne). Die Ausreden seien eine Pflanzerei für die Anrainer der Autobahn. Die SVP-Brixen hätte übrigens auch feststellen können, dass die Messstation in Schrambach außer Betrieb sei. Zu Staus komme es vor allem wegen der zu unterschiedlichen Geschwindigkeiten.
Dass der Verkehr in einem Tourismus- und Durchzugsland kein Wunder, meinte Tamara Oberhofer (F). Sie sei in der Frage hin- und hergerissen. Niemand möchte den Verkehr, aber alle bestellten online, wollten das ganze Jahr alle Gemüse- und Obstsorten zur Verfügung. Sie sei strikt gegen den Lufthunderter, da stelle sich die Frage, wozu man noch eine Autobahn brauche. Wenn es um die Verkehrstoten gehe, sei auch die Verwendung des Handys zu berücksichtigen.
Alessandro Urzì (AAnc) sprach sich gegen Prohibitionismus aus. Die A22 sei heute praktisch eine Wagenkolonne, eine weitere Geschwindigkeitsbeschränkung würde zur Verstopfung führen. Die “sichere Inntalautobahn” sei ein Mythos, man riskiere einzuschlafen.
Sigmar Stocker (F) fragte, was bei einem Tutorsystem mit den E-Autos sei, die keine Luftverschmutzung verursachten. Er kritisierte die grüne Verbotsmentalität, die auch eine soziale Ungleichheit sei.
Wie in den meisten europäischen Ländern würden auch in Italien die Grenzwerte für Stickoxid nicht eingehalten, daher müsse es mit Sanktionen rechnen, bemerkte LR Richard Theiner. Die Landesregierung habe bereits 2011 ein entsprechendes Maßnahmenpaket beschlossen. Dieses werde in Rom vom Umwelt- und vom Gesundheitsministerium geteilt, vom Transportministerium, das auf freien Warenverkehr poche, aber abgelehnt. Dort werde die Gesundheitsbelastung verharmlost, obwohl alle medizinischen Studien sich einig sei über die gravierenden Auswirkungen auf Atemwege und Herz-Kreislauf-System. Was derzeit auf der Autobahn passiere, sei eine grobe Beeinträchtigung des Rechts auf Gesundheit. Der Antrag fordere eine Erhebung der effektiven Geschwindigkeit und die Formulierung von Maßnahmen zur Abhilfe, wobei auch das Tutorsystem erwogen werden sollte – diesem könne er zustimmen.
Was seine Fraktion verlange, sei das absolute Minimum, betonte Riccardo Dello Sbarba. Man verlange, dass die bestehenden Tempolimits eingehalten werden, nicht mehr. Dass manche sich gegen den Vorschlag aussprächen, zeige deren Rechtsverständnis. Dass nun vermehrt Lkw auf die Staatsstraße ausweichen, zeige, dass deren Ausbau mit Umfahrungen umweltpolitisch bedenklich sein könne. Dello Sbarba kritisierte schließlich die Jubelstimmung bei der Autobahngesellschaft. Deren Auftrag sei nicht die Profitmaximierung, und dass sollte bei der Bestellung des nächsten Verwaltungsrats berücksichtigt werden. Der Antrag wurde in mehreren Teilabstimmungen mehrheitlich angenommen.