Angriffe Israels im Gazastreifen erschweren das Leben der Zivilisten

Israelische Regierung will wieder Hilfe nach Gaza lassen

Sonntag, 18. Mai 2025 | 23:05 Uhr

Von: APA/AFP/dpa/Reuters

Israels Regierung will wieder humanitäre Hilfe in den Gazastreifen lassen. Die Grundversorgung mit Lebensmitteln erfolge auf Empfehlung der israelischen Armee und um sicherzustellen, dass es zu keiner Hungersnot komme, so das Büro von Premier Benjamin Netanyahu am Sonntagabend. Eine solche würde die Fortsetzung der am Wochenende gestarteten Offensive gefährden. Israel lässt seit März keine Hilfslieferungen mehr in den Gazastreifen. Das wurde international heftig kritisiert.

Hilfsgüter sollen israelischen Medienberichten zufolge auf bisher genutzten Wegen in den abgeriegelten Küstenstreifen kommen, bis ein geplanter neuer Mechanismus umgesetzt wird. Israel werde Maßnahmen ergreifen, damit die Hilfe nicht in die Hände der Hamas gelange, teilte Netanyahus Büro mit.

Die Hilfslieferungen sollen nun vorerst wieder internationale Organisationen wie das Welternährungsprogramm (WFP) sowie die World Central Kitchen bereitstellen, wie das Nachrichtenportal “walla.co.il” meldete. Ende des Monats soll ein neuer Mechanismus greifen, der nicht unumstritten ist. Berichten zufolge sollen Güter dann nur noch von wenigen Standorten im Gazastreifen aus verteilt werden. Vor allem die UN äußern starke Bedenken daran.

Medien: Druck aus USA

Mehrere Medien berichteten, vor allem der Druck aus den USA habe die israelische Regierung zur Aufhebung der Blockade gebracht. Netanyahu informierte demnach das Sicherheitskabinett lediglich über die Entscheidung – ließ dessen Mitglieder aber nicht abstimmen.

Die rund 2,2 Millionen Einwohner des Gazastreifens sind fast ausschließlich auf Hilfe von außen angewiesen, um zu überleben. Der UN-Nothilfekoordinator hatte gemahnt, schon jetzt seien 2,1 Millionen Palästinenser wegen zurückgehaltener humanitärer Hilfe vom Hungertod bedroht.

Israel wirft der radikalislamischen Terrorgruppe Hamas vor, die Hilfsgüter gewinnbringend weiterzuverkaufen, um ihre Kämpfer und Waffen zu finanzieren.

Israelische Armee rief zu Evakuierungen auf

Die israelische Armee kündigte am Sonntag zudem einen weiteren massiven Angriff im Gazastreifen an und gab einen Evakuierungsbefehl für die Bewohner mehrerer Gebiete des Palästinensergebietes heraus. Bereits zuvor waren bei Angriffen laut palästinensischen Angaben vom Sonntag rund 110 Menschen im Gazastreifen zu Tode gekommen, darunter zahlreiche Frauen, Jugendliche und Kinder.

“Letzte Warnung!”

“Dies ist eine letzte Warnung vor dem Angriff. Begeben Sie sich zu Ihrer eigenen Sicherheit unverzüglich nach Westen in die bekannten Schutzzonen in Al-Mawasi”, erklärte ein israelischer Armeesprecher auf Arabisch in Onlinediensten.

Der Aufruf richtete sich unter anderem an Bewohner des Gebiets Al-Qarara, der Gemeinde Salqa und der Bereiche südlich von Deir al-Balah. Der Armeesprecher kündigte einen “heftigen Angriff” auf Gebiete an, die zum Abschuss von Raketen durch die Hamas genutzt würden.

Die israelische Armee hatte zuvor den Beginn “umfassender Bodeneinsätze” im gesamten Gazastreifen bekanntgegeben. Die Einsätze am Boden seien Teil einer neuen, verstärkten Offensive, deren Ziel die Zerschlagung der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas sei, erklärte die Armee am Sonntag.

Kurz nach der Ankündigung der Bodenoffensive meldete Israel, dass zwei Geschoße vom Gazastreifen aus abgefeuert worden seien. Nach Sirenenalarm im Kibbutz Kissufim “wurden zwei Geschoße identifiziert, die aus dem zentralen Gazastreifen in Richtung Israel flogen”, teilte die Armee mit. Ein Geschoß sei abgefangen worden, das andere in einem unbewohnten Gebiet eingeschlagen.

Israelische Militäroffensive bereits in der Nacht gestartet

Bereits in der Nacht zum Samstag hatte die israelische Armee verkündet, eine Militäroffensive im Gazastreifen gestartet zu haben. Sie habe mit “umfassenden Angriffen” begonnen und Soldaten verlegt, um die Kontrolle über weitere Teile des Palästinensergebiets zu erlangen, hieß es.

Israel hatte seine massiven Angriffe im Gazastreifen Mitte März nach einer zweimonatigen Waffenruhe wieder aufgenommen. Bei heftigen Angriffen Israels gegen die Hamas seien in der Nacht auf Sonntag mindestens 110 Menschen getötet worden, hieß es aus medizinischen Kreisen im Gazastreifen.

Demnach gab es auch viele Verletzte. Die palästinensische Nachrichtenagentur WAFA berichtete, die meisten Opfer seien Minderjährige und Frauen. Bei dem Angriff seien Zelte getroffen worden, in denen Vertriebene untergebracht gewesen seien. Auch diese Angaben konnten zunächst nicht unabhängig überprüft werden. Israels Armee teilte auf Anfrage mit, dem Bericht nachzugehen. WAFA meldete mehrere tödliche Angriffe in verschiedenen Gebieten des Gazastreifen.

Die israelische Luftwaffe habe in der vergangenen Woche eine “erste Angriffswelle” ausgeführt, um die Bodeneinsätze zu unterstützen, teilte das israelische Militär weiters mit. Ziel seien mehr als 670 Posten der Hamas gewesen, darunter Waffenlager, Raketenwerfer und Mitglieder der Terrororganisation. “Bisher haben die Truppen Dutzende Terroristen eliminiert”, so Israels Armee.

Täglich Todesmeldungen aus dem Küstengebiet

Aus dem Küstengebiet werden derzeit jeden Tag Dutzende Tote gemeldet. Vor wenigen Tagen erklärte Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu, mit der neuen Offensive den Druck auf die Hamas zu erhöhen, um die Freilassung der noch immer festgehaltenen Geiseln zu erreichen. Die Armee soll im Zuge der großangelegte Offensive nach dem Willen der Regierung den Gazastreifen erobern und auf Dauer besetzt halten. Der Plan sieht nach Angaben aus Regierungskreisen auch vor, die palästinensische Bevölkerung vom Norden in den Süden zu bewegen.

Internationale Kritik wächst

Angesichts der wieder deutlich steigenden Opferzahlen und der ohnehin katastrophalen Versorgungslage stößt die Großoffensive international auf Kritik und ruft Besorgnis hervor. Die israelische Regierung will damit den Druck auf die Hamas erhöhen, die sie erklärtermaßen zerstören will, und erreichen, dass die Islamisten die verbliebenen Geiseln freilassen. Die Pläne für die Offensive, die Anfang Mai aus Regierungskreisen verlauteten, sehen auch vor, dass die Armee das abgeriegelte Küstengebiet erobert und auf Dauer besetzt hält.

Krankenhäuser außer Betrieb

Im Norden des Gazastreifens sind nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde mittlerweile alle Kliniken außer Betrieb. Schwerer Beschuss verhindere, dass Patienten, Personal und Güter ins Indonesische Krankenhaus in Beit Lahia kämen. Es handelt sich um das letzte öffentliche Krankenhaus im Norden, das noch arbeitsfähig war. Israels Armee äußerte sich auf Anfrage zunächst nicht dazu. Das israelische Militär wirft der Hamas immer wieder vor, sich in Kliniken zu verschanzen und Krankenhäuser für militärische Zwecke zu nutzen.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat dagegen in der Vergangenheit eine “systematische Zerlegung” des Gesundheitssystems im Gazastreifen durch die israelische Armee kritisiert. Israels Armee betont regelmäßig, im Einklang mit dem Völkerrecht zu handeln. Dieses verbietet Angriffe auf zivile Einrichtungen wie Krankenhäuser in Kriegszeiten. Sie können ihren Schutzstatus jedoch unter bestimmten Umständen verlieren, etwa wenn sie für Verstecke für Kämpfer oder als Waffenlager benutzt werden.

Israelische Regierung sieht Bewegung bei Hamas

Nach Ansicht der israelischen Regierung zeigt die neue Großoffensive bereits Wirkung. Verteidigungsminister Israel Katz hatte am Samstag mitgeteilt, mit Beginn der Operation habe die Hamas eine Rückkehr zu den Verhandlungen über ein Geiselabkommen angekündigt. Die Islamistenorganisation bestätigte eine neue Gesprächsrunde in der katarischen Hauptstadt Doha. Es gibt allerdings viele Streitpunkte. Selbst wenn die Hamas anbiete, weitere Geiseln freizulassen, werde Israel den Krieg nicht beenden, hatte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu kürzlich betont. Eine zeitlich begrenzte Waffenruhe sei zwar möglich, nicht aber ein dauerhaftes Ende der Kämpfe.

Nach Angaben des israelischen Militärs wurden zwei Geschoße auf Israel aus dem Gazastreifen abgefeuert – was mittlerweile selten passiert. Eines sei von der Luftabwehr abgefangen worden, das andere auf offenem Gebiet niedergegangen. Es gab zunächst keine Berichte über Opfer oder Schäden.

Appelle für Ende der Gewalt

Nach Bekanntwerden des Beginns der Großoffensive mehrten sich Appelle, dass die Gewalt ein Ende haben müsse. Das forderte EU-Ratspräsident António Costa von beiden Konfliktparteien. UN-Generalsekretär António Guterres teilte mit, die Lage für die Palästinenser in Gaza sei mehr als unmenschlich. Die Blockade humanitärer Hilfe “muss sofort beendet werden”.

In Den Haag gingen Zehntausende zumeist in Rot gekleidete Demonstranten auf die Straße und forderten von der niederländischen Regierung eine härtere Gangart gegenüber Israel.

Der norwegische Ministerpräsident Jonas Gahr Støre verurteilte einen israelischen Angriff in der Nacht. Israel setze Leid und Hunger als Waffe gegen die Menschen in Gaza ein, sagte er nach Angaben der Nachrichtenagentur NTB. Die Gewalt müsse enden, die Geiseln freigelassen und Nothilfe in das abgeriegelte Gebiet gelassen werden.

Auch der neue Papst erinnert an Leid im Kriegsgebiet

Papst Leo XIV. erinnerte zum Abschluss seiner offiziellen Amtseinführung an die Kriegsgebiete auf der Welt und betete für die Menschen dort. “In Gaza hungern Kinder, Familien und alte Menschen, die überlebt haben”, sagte er.

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