Von: luk
Bozen – Im Landtag wurde heute über die Kleinkinderbetreuung debattiert.
Beschlussantrag Nr. 164/19: Recht auf Kleinkindbetreuungsplatz (eingebracht von den Abg. Rieder und Köllensperger am 13.09.2019). Der Landtag möge die Landesregierung verpflichten, das Anrecht auf einen Kleinkindbetreuungsplatz für alle Kinder von null bis drei Jahren gesetzlich festzuschreiben.
“Jede Gemeinde müsste ihren Bedarf erheben und für mindestens 15 Prozent der Kinder von null bis dreiJahren einen Betreuungsplatz garantieren, entweder in einer Kindertagesstätte oder bei einer Tagesmutter/einem Tagesvater”, bemerkte Maria Elisabeth Rieder (Team Köllensperger). “Nicht alle Gemeinden kommen dieser Pflicht nach. In vielen Betreuungseinrichtungen gibt es lange Wartelisten. Familien haben keine Planungssicherheit. Vor allem für Frauen wird damit der Wiedereinstieg in den Beruf erschwert. Aber nicht nur Kinder von Erwerbstätigen, auch sozial benachteiligte Kinder sollten eine Betreuungseinrichtung besuchen können. Selten gibt es Plätze für Kinder, deren Eltern nicht arbeiten, obwohl auch Kinder aus diesen Familien professionelle Betreuung benötigen würden. Allein im Jahr 2018 haben fast 1.000 Mütter der null- bis dreijährigen in Südtirol gekündigt, da sie es nicht schafften, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. Die Allianz für Familie wies im Frühjahr 2019 bei einer Pressekonferenz auf die „Vereinbarkeitslüge” hin. Familien fällt es zunehmend schwerer, ihr Berufs- und Familienleben zu organisieren. Mit dem Omnibusgesetz (LG 27/19 Art. 8 Absatz 2) wurde zudem das Eintrittsalter in den Kindergarten wieder erhöht (vollendetes drittes Lebensjahr innerhalb Dezember), nachdem es seit 2008 bei zweieinhalb Jahren lag. Dies hat zur Folge, dass mehr Kinder einen Betreuungsplatz benötigen.”
Brigitte Foppa (Grüne) unterstützte den Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz. Die Gesellschaft habe sich geändert. Dass der Vater arbeitet und die Mutter auf die Kinder schaut, sei nur ein Familienmodell. Dass Betreuung und Pflege weiter auf unbezahlten Frauenschultern ruhen, sei nicht mehr realistisch, aber auch die geringe Bezahlung der professionellen Betreuerinnen sei nicht haltbar.
Wichtig sei es, die echte Wahlfreiheit für die Familien zu garantieren, meinte Andreas Leiter Reber (Freiheitliche), aber dazu brauche es noch viele Schritte. Die Forderung des Antrags werde im ländlichen Raum schwer zu garantieren sein, daher werde es flexible Formen der Betreuung und verschiedene Maßnahmen brauchen. Man werde die Kurve aber nur schaffen, wenn man das Berufsbild aufwerte, auch wirtschaftlich.
Die Diskussion in den letzten Wochen habe den Eindruck erweckt, dass die Situation in Südtirol katastrophal sei, das sei aber nicht der Fall, meinte Magdalena Amhof (SVP). Es habe sich in den letzten Jahren sehr viel getan: 2012 habe man 162 Tagesmütter gezählt, heute 237, und es gebe auch mehr Plätze in den Betreuungseinrichtungen. Heute hätten bereits 25 Prozent der Kinder zwischen 0 und 3 Jahren einen Betreuungsplatz. Das Mindestalter von drei für die Kindergärten sei sinnvoll, und es seien auch Auffangmaßnahmen für die Übergangszeit getroffen worden.
Myriam Atz Tammerle (Süd-Tiroler Freiheit) erkannte an, dass vieles getan worden sei, aber die wirkliche Wahlfreiheit sei nicht erreicht worden. Viele wollten wieder arbeiten gehen, viele aber wollten länger bei ihren Kindern bleiben. Letztere sollten in gleichem Ausmaß gefördert werden.
Auch Ulli Mair (Freiheitliche) plädierte für die echte Wahlfreiheit. Es brauche die Betreuungsstrukturen, aber viele Frauen möchten auch länger bei den Kindern bleiben. Sie sei einverstanden, wenn das Betreuungsangebot ausgebaut werde. Aber gleichzeitig sollten auch die Frauen gefördert werden, die ihre Kinder daheim betreuen, auch durch die Anerkennung der Erziehungsjahre für die Rente. Diese dürften nicht als ewiggestrig abgestempelt werden.
LR Waltraud Deeg berichtete von ihrer Erfahrung als berufstätige Mutter und von den Schwierigkeiten, eine Betreuung zu finden. Die Kinderbetreuung sei kein reines Frauenthema, sollte es wenigstens nicht sein. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf hänge von vielen Faktoren ab, auch von flexiblen Arbeitszeiten. Unter Wahlfreiheit verstehe man in Deutschland und Österreich das Recht, sich nicht zwischen Kindern und Beruf entscheiden zu müssen, in Südtirol meine man damit die Alternative zwischen Daheimbleiben und Fremdbetreuung. Dass so viele Mütter kündigten, habe auch mit der staatlichen Arbeitslosenunterstützung zusammen. Die Kinderbetreuung sei nicht erst seit der Anhörung letzte Woche zum Thema geworden, man habe sich mit den Gemeinden zusammengesetzt und die Mittel für die Betreuung erhöht. Kinderbetreuerin sei heute einer der schlechtbezahltesten Berufe in Südtirol, aber es gehe um einen privatrechtlichen Vertrag. Wenn man das Recht auf Kinderbetreuung rechtlich verankern würde, habe man damit keinen KiTa-Platz mehr. Südtirol habe ein Betreuungsangebot von 25 Prozent und stehe damit auch im Vergleich mit Bayern oder Vorarlberg gut da. Die Kosten seien niedriger als in einem Kindergarten.
Maria Elisabeth Rieder wunderte sich, dass die Förderung des Rentenanspruchs nicht stärker genutzt wird. Sie bedauerte, dass die Landesrätin sich nicht an der Anhörung beteiligt habe, bei der das Getane durchaus gelobt, aber auch der Nachholbedarf aufgezeigt wurde. Die im Antrag gestellte Forderung wäre gerade für den ländlichen Raum wichtig, damit die Familien nicht abwandern.
Der Antrag wurde mit zwei Teilabstimmungen mehrheitlich abgelehnt.
Beschlussantrag Nr. 167/19: Koordinierungstisch zur Verminderung der Gefahr vor Abdrift für die menschliche Gesundheit und die Umwelt (Gewässer) bei Einsatz von Pflanzenschutzmitteln (eingebracht vom Abg. Nicolini am 18.09.2019). Der Landtag möge die Landesregierung verpflichten, 1. eine technische Koordinierungsstelle (TKS) ins Leben zu rufen, die sich aus internem Personal der Landesverwaltung und den Vereinigungen, die um eine Teilnahme ersuchen, zusammensetzt, wobei die Koordinierungsfunktion der Landesagentur für Umwelt- und Klimaschutz anvertraut wird. 2. Zur Gewährleistung von jährlichen Treffen stellt der Südtiroler Landtag der Koordinierungsstelle einen Raum zur Verfügung; die zu behandelnden Themen und Diskussionspunkte werden mit nachfolgendem Dekret der Landesregierung genauer festgelegt.
“Bis heute fehlt eine effektive und geregelte Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen öffentlichen Stellen, die für die Pflanzenschutzmittel und deren Verwendung zuständig sind, was zu Doppelgleisigkeiten und unkoordinierten Maßnahmen führen kann”, stellte Diego Nicolini (5 Sterne Bewegung) fest. “Zur Verbesserung der Kommunikation könnte eine ständige technische Koordinierungsstelle vorgesehen werden, die folgende Aufgaben übernehmen sollte: − den Stand der Umsetzung von Maßnahmen zum Trinkwasserschutz analysieren und deren Ergebnisse bewerten; − Vorschläge zur Aktualisierung und Ergänzung der im Bereich der Pflanzenschutzmittel und Pflanzenschutzbehandlung geltenden Standards ausarbeiten.”
Das Anliegen wäre grundsätzlich nicht falsch, meinte Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit). Sauberes Wasser sei ein Mehrwert, der zu schützen sei. Es frage sich aber, ob man das mit einem runden Tisch erreiche – das sei eine italienische Unart. Es sei auch zu berücksichtigen, dass das Wasser nicht nur durch Abdrift aus der Landwirtschaft verunreinigt werden könne, es gebe auch andere Gefahrenquellen.
Brigitte Foppa (Grüne) mahnte, einen runden Tisch nicht aus der ethnischen Perspektive zu betrachten.
Peter Faistnauer (Team Köllensperger) wies darauf hin, dass es bereits eine Einrichtung gebe, welche die Wasserleitungen auf Rückstände prüfe. Es gebe bestimmte Gefahren durch die Landwirtschaft, aber auch andere Verunreinigungsquellen, etwa die Salzstreuung im Straßendienst. Ein runder Tisch könne jedenfalls sinnvoll sein.
Hanspeter Staffler (Grüne) meinte, man könne alles überwachen, aber das dürfe nicht dazu führen, dass man alles ändere, um nichts zu ändern. Kontrollen würden gemacht, es seien aber auch einige Verunreinigungen gefunden worden. Er kündigte Zustimmung an.
Andreas Leiter Reber (Freiheitliche) wehrte sich dagegen, dass für alles die Landwirtschaft verantwortlich gemacht werde. Dabei gebe es viele Gefahrenquellen, auch in den privaten Haushalten. Der Antrag gebe nicht konkret an, was dieser Arbeitstisch machen solle.
Gerhard Lanz (SVP) bezweifelte, dass es Aufgabe des Landtags sei, einen Raum für den Arbeitstisch zur Verfügung zu stellen.
Die Debatte wird am Nachmittag fortgesetzt.