Von: mk
Bozen – Der II. Gesetzgebungsausschuss hat heute mehrere Vertreter von Südtiroler Energieunternehmen zur Stromversorgung angehört. Ausschussvorsitzender Franz Locher begrüßte neben den Ausschussmitgliedern auch Energielandesrat Giuliano Vettorato im Plenarsaal des Landes und erinnerte daran, dass die Anhörung auf einen Antrag von Andreas Leiter Reber zurückgeht. Für die Bürgerinnen und Bürger stelle sich die Frage, warum auch in Südtirol die Strompreise trotz der hohen Eigenproduktion so hoch seien.
Flora Kröss, Vorstandsvorsitzende der Alperia AG, und Johann Wohlfarter, Generaldirektor und Vorstandsmitglied, erläuterten Eckdaten und Ziele des Unternehmens und gingen auch auf politisch aktuelle Fragen ein. Die derzeitige Preissteigerung sei vor allem dem erhöhten Bedarf Chinas geschuldet, während die lokale Stromproduktion unter der langen Trockenheit leide, erklärte Wohlfarter. Durch verschiedene Angebote konnten Firmen und Privatkunden zig Millionen sparen, während die 60.000 Abnehmer des sog. geschützten Markts den Marktpreisen ausgesetzt seien, berichtete Kröss. Auf entsprechende Fragen der Abgeordneten (Dello Sbarba, Faistnauer, Staffler, Tauber, Leiter Reber) erklärten Kröss und Wohlfarter, dass nur die kleinen historischen Genossenschaften einen Preisvorteil an die Kunden weitergeben könnten, eine landesweite Genossenschaft könne sich nicht vom Netz abkoppeln, eine eigenständige Regulierung des Südtiroler Strommarkts sei nicht umsetzbar. Eine Ausbaumöglichkeit, um mehr Energie zu erzeugen, sehe man in der Solarkraft und im Wasserstoff, während die Südtiroler Bäche bereits genug genutzt seien.
Ganz andere Ansichten zu einer Stromautonomie hatten Hanspeter Fuchs, Präsident, und Rudi Rienzner, CEO des Südtiroler Energieverbandes (SEV). Der Verband umschließt 68 Genossenschaften, 207 Unternehmen, 29 Gemeinden und örtliche Körperschaften und sieben Konsortien. Rienzner wies auf mehrere Positionspapiere zur Strompolitik in Südtirol, die aber nicht Beachtung gefunden hätten, vor allem aber auf ein Rechtsgutachten der Professoren Hilpold (Innsbruck) und Piva (Padua), laut dem eine autonome Südtiroler Regulierungsbehörde nicht nur rechtens, sondern auch eine Pflicht wäre, denn die EU-Richtlinie 944/19 lasse das zu und die staatliche Regulierungsbehörde ARERA könne laut Staatsratsurteil vom 1. März 2018 ihre Funktion in Südtirol nicht in vollem Umfang ausüben. Südtirol überlasse dem Staat Zuständigkeiten, die es seit 2009 selbst ausüben müsste. Eine lokale Regulierungsbehörde bedeute nicht nur weniger Bürokratie, sondern ermögliche auch einen geringeren Strompreis, da man den lokalen Mix der Energiequellen (in Südtirol zu 97 Prozent Wasserkraft) berücksichtigen könne – aus demselben Grund sei der Strom in Tirol günstiger als in Wien.
Theodor Lanthaler, Geschäftsführer Energie- und Umweltbetriebe Moos (EUM), gab einen Überblick über Geschichte und Bestand der Genossenschaft, die nicht nur Strom und Internet bietet, sondern auch eine Tankstelle und örtliche Lebensmittelgeschäfte führt, letztere mit Landesunterstützung. Die EUM setze auf kostengünstige Preise und Versorgungssicherheit, die Leitungen seien unterirdisch verlegt. Die EUM wartet und betreut 14 E-Werke, am größten sind auch Alperia und die Gemeinde beteiligt. Der Stromverbrauch durch die Mitglieder betrug 2021 12,5 Mio. KWh. Im heurigen Winter habe man zum ersten Mal Strom zukaufen müssen, berichtete Lanthaler. Ein Heizwerk versorgt 70 Mitglieder mit Wärme aus erneuerbaren Quellen. Die EUM bietet 23 Arbeitsplätze vor Ort und unterstützt örtliche Vereine mit insgesamt 40-50 Mio. Euro. Der Erfolg sei nur möglich durch den Zusammenhalt der Bevölkerung und die Zusammenarbeit mit der Gemeinde, erklärte Lanthaler. Ein Wermutstropfen sei die Bürokratie. Die Genossenschaft zahle jährlich rund 700.000 Euro an Abgaben. EUM könne den Strom so günstig abgeben, weil es eine historische Genossenschaft sei und weil man viel Überschuss produziere, den man verkaufen könne. Eine eigene Südtiroler Regulierungsbehörde hätte sehr wohl einen Sinn, derzeit müsse man sich täglich mit der ARERA in Mailand abmühen. Aber auch mit dem Land könne es Probleme geben, z.B. wegen einer wieder zurückgezogenen Konformitätserklärung für ein neues Werk. Ein Mittel gegen die Abhängigkeit von außen sah Lanthaler in den Energiegemeinschaften, die auch gefördert würden, und in der Photovoltaik. Windparks oder weitere Kraftwerke seien für die Landschaft nicht verträglich.
Ausschussvorsitzender Franz Locher bedankte sich bei den Gastrednern und kündigte neue Anhörungen für die nächste Sitzung an, bei der es auch um rechtliche Fragen gehen werde.