Von: mk
Bozen – Der Landtag hat sich heute mit Beschlussanträgen der SVP befasst. Zum einen ging es um den Zivilschutz, zum anderen ging es das Thema Gewalt an Frauen.
Beschlussantrag Nr. 337/20: Digitale Plattform für Warnungen des Zivilschutzes (eingebracht von den Abg. Lanz, Ladurner, Tauber und Mattei am 22.10.2020). Der Landtag möge die Landesregierung beauftragen, 1. die derzeit zentral organisierte Informationskette zu optimieren und sämtliche Institutionen auf Landes- und Gemeindeebene dahingehend zu sensibilisieren, sich ausschließlich dieser zu bedienen; 2. die Voraussetzungen für die Implementierung einer digitalen Plattform bzw. einer Zivilschutz-App für Warnungen mittels Push-Nachrichten des Zivilschutzes zu schaffen; 3. die Umsetzung einer digitalen Plattform bzw. einer Zivilschutz-App für Warnungen des Zivilschutzes in Auftrag zu geben.
Wenn etwas schiefgehen kann, dann tut es das auch, zitierte Gerhard Lanz (SVP) aus Murphys Gesetz. Er erinnerte an das Sturmtief Vaja. Der Südtiroler Zivilschutz funktioniere an sich gut, aber eine der größten Herausforderung bestehe in der Feststellung, welche der vielen Informationen die aktuell richtige sei. Für die wichtigen Informationen sollten sich alle Beteiligten derselben Plattform bedienen. Ebenso sollte die Information zielgerichtet dort ankommen, wo sie gebraucht werde. Es muss klar ersichtlich sein von wem und für wen die Warnung ist. Es kommt nicht nur auf die Menge der Information an, sondern auch auf deren Qualität und Rückverfolgbarkeit. Wenn sich die Bürgerinnen und Bürger an die Anweisungen halten sollen, müssen die Informationen glaubhaft und nachvollziehbar sein. Es ist daher eine zentrale Stelle notwendig, die diese digitale Plattform nachvollziehbar koordiniert und verwaltet. Die Technik dazu gebe es.
Durch den Klimawandel häuften sich die Unwetter, meinte Jasmin Ladurner (SVP). Es gebe ein System, mit dem die Bürger mit Push-Nachrichten auf ihrem Handy informiert werden können, ohne App. Ladurner dankte dem Zivilschutz für das, was er leiste. Helmut Tauber (SVP) erinnerte auch an die heftigen Schneefälle vor einem Jahr, die Leitungen und Wege unterbrochen hätten. Der Südtiroler Zivilschutz funktioniere hervorragend. Die Bevölkerung könne sich über Wetter-Apps über nahende Unwetter informieren, ebenso seien Push-Nachrichten für Zivilschutzwarnungen möglich.
Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) fand den Vorschlag interessant. Solche Informationen wären für die Bürger sicher hilfreich. Es gebe bislang den Lawinenwarnbericht der Europaregion, der Dreier-Landtag habe sich auch für eine gemeinsame Wetter-App ausgesprochen. In diese könnte auch ein gemeinsames Warnsystem einfließen. Er sei jahrelang Chef des Zivilschutz gewesen und hätte einen Beitrag zum vorliegenden Antrag leisten können, erklärte Hanspeter Staffler (Grüne). Bei der Wetter-App gebe es bereits die Möglichkeit zu Push-Nachrichten, er selbst habe sie seinerzeit aktiviert. Es gebe auch eine italienweite App, in die der Südtiroler Zivilschutz eingebunden sei.
Josef Unterholzner (Enzian) plädierte dafür, solche Themen sachlich und parteiunabhängig zu behandeln. Wenn dieser Antrag von der Opposition kommen würde, würde er abgelehnt. Er werde den Antrag natürlich unterstützen. Peter Faistnauer (Team K) fragte, ob die Einbringer an die App gedacht hätten, von der Staffler gesprochen habe. Ulli Mair (Freiheitliche) begrüßte den Vorschlag, der sehr schlüssig sei. In dieses Konzept könnten auch die Drohnen eingebunden werden, die das Land angekauft habe.
Paul Köllensperger (Team K) wies ebenfalls auf die bestehende Möglichkeit zu Push-Nachrichten in der Wetter-App hin. Wenn man nun auf eine neue App setze, dann werde es sehr lange brauchen, bis sie zu den Bürgern komme. Von Null starten habe hier keinen Sinn.
Diego Nicolini (5 Sterne Bewegung) schloss sich dem an. Es wäre besser, auf Bestehendem aufzubauen. Fast alle Südtiroler hätten die Wetter-App installiert, er selbst nutze die Push-Nachrichten. Die meisten hätten bereits zu viele Apps installiert und wären froh, wenn sie nicht wieder etwas installieren müssten. Paul Köllensperger plädierte dafür, neue Funktionen in die Wetter-App einzubauen. Dann würde man dem Antrag zustimmen.
Die Wetter-App funktioniere sehr gut, meinte LR Arnold Schuler, aber hier rede man von etwas anderem. Das KATWARN-System, das er sich in Berlin angeschaut habe und das der Antrag nenne, diene dazu, die Bürger frühzeitig zu warnen, nicht nur bei Unwetter. KATWARN warne z.B. bei Chemieunfällen die Autofahrer davor, sich einer bestimmten Zone zu nähern, falls sie gerade in der Nähe seien. Es werde auch über Ausweichmöglichkeiten, Schutzmaßnahmen usw. informiert. Auf Staatsebene sei ein System in Vorbereitung, auf Grundlage einer EU-Vorgabe und ähnlich dem KATWARN. Parallel dazu gebe ein Projekt, innerhalb der Euregio Warnsysteme aufeinander abzustimmen. Südtirol habe nicht das KATWARN-System übernommen, weil Italien andere Privacybestimmungen habe.
Gerhard Lanz bestätigte dies. Es gehe darum, in Krisensituationen Push-Nachrichten unabhängig von einer App zu bekommen. Wetter sei nur ein Teil der Katastrophenmeldungen. Es gehe auch um die Vernetzung, damit z.B. eine Straßensperre in einer Gemeinde auch der Verkehrsmeldezentrale bekannt sei. Wichtig sei auch die Einbeziehung der Touristen, die ebenfalls informiert werden müssten. Wie das alles genau geschehen solle, sollten die Techniker sagen, auch, ob man auf ein bestehendes System aufbauen könne. Die zwei ersten Punkte wurden mit 33 Ja und einem Nein angenommen, Punkt 3 mit 24 Ja, sieben Nein und vier Enthaltungen.
Beschlussantrag Nr. 344/20: Koordinierungsstelle gegen Gewalt an Frauen (eingebracht von der Abg. Amhof am 03.11.2020). Der Landtag möge die Landesregierung auffordern, – einen Koordinierungstisch zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen einzurichten, welcher beim Landesbeirat für Chancengleichheit angesiedelt sein soll; – zusammen mit diesem Koordinierungstisch einen Landes-Aktionsplan zur Umsetzung der „Istanbul-Konvention“ auszuarbeiten.
Magdalena Amhof (SVP) erinnerte an die Debatte zum Thema in dieser Woche. Weil ein Antrag der Opposition zum Thema nicht durchgegangen sei, gebe es nun einen Shitstorm gegen vier Frauen. Sie sei gegen den Antrag gewesen, weil es an den Schulen schon genügend Angebot zur Sache gebe. Amhof erinnerte auch an das Referat von Monika Hauser, Gynäkologie und Vorstandsvorsitzende von „medica mondiale“, im IV. Gesetzgebungsausschuss, welche Ursachen, Formen und Folgen von Gewalt an Frauen und Mädchen in Südtirol beleuchtete und Empfehlungen an die Landespolitik formulierte, die in diesen Antrag eingeflossen seien. Gemessen an der Einwohnerzahl ist in Südtirol die reale Gefahr, als Frau ermordet zu werden, also viermal höher als im Rest Italiens. Amhof verwies an die Istanbul-Konvention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Mit Inkrafttreten der Konvention sei ein rechtlich bindendes Instrument geschaffen worden. Zur Umsetzung der „Konvention von Istanbul“ mit der großen Vision, ein Europa zu schaffen, das frei von Gewalt gegen Frauen ist, könne auch das kleine Land Südtirol ganz wesentlich beitragen.
Präsident Josef Noggler teilte mit, dass ein von Grünen und Team K vorgelegter Änderungsantrag von Amhof nicht angenommen wurde und somit hinfällig sei. Ulli Mair (Freiheitliche) kündigte Unterstützung an. Sie fragte, warum man in der neuen Formulierung aus der Koordinierungsstelle einen Koordinierungstisch gemacht habe, das klinge nach Abschwächung. Sie wundere sich über die jüngste Diskussion in den sozialen Netzwerken, sie sehe es positiv, dass auch Frauen zum Thema unterschiedliche Meinungen hätten. Es scheine, als müsste man bei der richtigen Partei sein, wenn man dazu etwas sagen wolle.
Maria Elisabeth Rieder (Team K) plädierte ebenfalls für eine Koordinierungsstelle. Einen Koordinierungstisch gebe es bereits, jenen der Frauenhäuser, die tagtäglich mit betroffenen Frauen in Kontakt seien. Es sollte angegeben werden, wer federführend sei, und man sollte bestehende Projekte einbinden. Brigitte Foppa (Grüne) fand letzteres besonders wichtig. Auch sie habe öfter einen Shitstorm abbekommen. Im genannten Fall handle es sich um positive Kommentare zu ihrem Beschlussantrag, nicht um eine Aufforderung zum Shitstorm. Sie habe es auch in dieser Diskussion vermieden, Frauen anzugreifen.
Waltraud Deeg (SVP) dankte Amhof für den Antrag und zeigte sich bestürzt über den Shitstorm gegen sie. Sie sei froh über jede Initiative in diese Richtung, denn man müsse die Kräfte bündeln. Es gebe nun auch einen Gesetzentwurf zur Prävention gegen Gewalt an Frauen, den man zusammen mit vielen Akteuren ausgearbeitet habe. Myriam Atz Tammerle (Süd-Tiroler Freiheit) kündigte Unterstützung an. Wichtig sei, dass der Vorschlag auch mit Inhalt gefüllt werde. Es gebe viele Stellen, die sich mit dem Thema befassten; die sollten vernetzt werden. Es gebe auch immer wieder neue Studien und Erkenntnisse, die einfließen sollten.
LH Arno Kompatscher begrüßte die breite Zustimmung zum Antrag. Auch er habe sich mit Dr. Hauser unterhalten und teile ihre Empfehlung, dass man einen konkreten Aktionsplan zur Umsetzung der Istanbul-Konvention erstellen solle. Er sei auch überzeugt, dass es eine Koordinierung brauche, und diese werde mit diesem Antrag geschaffen. Es sei auch ein spezifisches Südtiroler Problem, das könne man nicht mit dem Fingerzeig auf andere Kulturen von der Hand weisen. Leider trete noch wenig zutage, auch daran sei zu arbeiten. Kompatscher schlug eine getrennte Abstimmung zum Beirat für Chancengleichheit vor. Man sollte nicht vorab entscheiden, wo der Koordinierungstisch angesiedelt werden solle; das solle gemeinsam entschieden werden.
Magdalena Amhof stimmte dem Vorschlag Kompatschers zu. Es gehe um die Sache. Sie sprach sich wie andere auch für die Einbindung bestehender Projekte aus. Ob Koordinierungstisch oder -stelle sei nur ein sprachlicher Unterschied. Man sollte nach vorne blicken, um jenen Frauen zu helfen, die Unterstützung bräuchten.
Der Antrag wurde, ohne den Passus zum Beirat für Chancengleichheit, mit 33 Ja und 1 Nein angenommen.
Begehrensantrag Nr. 16/20: Frauenleben schützen (eingebracht von den Abg. Amhof, Ladurner, Deeg und Hochgruber Kuenzer am 03.11.2020). Der Landtag möge die italienische Regierung und das Parlament auffordern, – „Gewalt an Frauen“ und „Schutz von Frauen“ zu Dauerthemen zu machen, sie verstärkt in alle Gesellschafts- und Lebensbereiche zu integrieren (Erziehung und Schule, Arbeit, Familie, Freizeit und Sport usw.) mit dem klaren Hinweis auf die strafrechtlichen Konsequenzen bei jeglicher Gewaltanwendung; – dringende Maßnahmen im „Codice Rosso“ so schnell als möglich umzusetzen wie z. B. die Aus- und Weiterbildung von Ordnungskräften, SozialarbeiterInnen, Justiz- und Sanitätspersonal, sowie die Ausstattung der Ordnungshüter mit genügend Fußfesseln voranzutreiben; – das „Upskirting“ als Straftatbestand aufzunehmen, so wie dies England, Deutschland, und Schottland vormachen, um damit Frauen im Alltag besser zu schützen.
Gewalt an Frauen müsse ein Dauerthema sein, erklärte Magdalena Amhof (SVP). Der Staat habe mit dem “Codice Rosso” die Istanbul-Konvention umgesetzt, aber dieser decke noch nicht alle Fälle ab, etwa das “Upskirting”, das heimliche Fotografieren unter den Rock. Man habe noch nie genug für das Anliegen getan, meinte auch Brigitte Foppa (Grüne). Im Internet und in den sozialen Medien bekomme Gewalt an Frauen ganz neue Dimensionen. Südtirol sei von dem Thema stark betroffen, aber leider werde oft weggeschaut. Sie kündigte Unterstützung an.
Italien werde von der EU immer wieder gerügt, weil es die Opfer nicht wirksam schütze, bemerkte Maria Elisabeth Rieder (Team K). Die italienische Justiz schrecke die Täter zu wenig ab, und die Opfer kämen zu wenig zu ihrem Recht. Das Ministerkomitee des Europarats habe Italien den März 2021 als Frist gesetzt. Der “Codice Rosso” sei gelobt worden, gleichzeitig seien die Daten als alarmierend bezeichnet worden.
Auch Franz Ploner (Team K) kündigte Unterstützung an. Auf gesetzlicher Ebene habe sich einiges getan, die Realität sei aber eine andere. Je näher sich Täter und Opfer stünden, desto seltener komme es zur Anzeige. Das Problembewusstsein sei aber gewachsen, häusliche Gewalt werde seltener als reiner Familienstreit beschönigt. Beistand sollte Bürgerpflicht werden. Man müsse zeigen, dass man für gewisse Verhaltensweisen kein Verständnis habe.
Das Thema sollte nicht nur ein paar Tage im Jahr aufgegriffen werden, meinte Myriam Atz Tammerle (Süd-Tiroler Freiheit). Was man erfahre, sei nur die Spitze des Eisbergs. Vor Jahren seien in Rom Bestimmungen zu gewissen Straftaten, z.B. zum Stalking, gelockert worden. Die besten Anträge würden nichts nützen, wenn auf die Tat nicht harte Strafen folgten. Rita Mattei (Lega Salvini Alto Adige Südtirol) bezeichnete die Daten von 2020 alarmierend. Alle drei Tage werde eine Frau ermordet. Auch Südtirol stehe im Vergleich nicht gut da. Der “Codice Rosso” sei von der Lega mit Überzeugung vorangebracht worden und ermögliche raschere Prozeduren bei Stalking, sexueller Gewalt und Gewalt in der Familie. So würden die Opfer besser geschützt. Es wurden auch Maßnahmen wie das Annäherungsverbot eingeführt und neue Straftaten wie Revenge Porn. Leider habe Minister Bonafede während des Lockdowns die Fristen ausgesetzt und damit das Gesetz entschärft.
Monika Hauser habe allen die Augen geöffnet, was auch in Südtirol passiere, meinte Hanspeter Staffler (Grüne). Die Männer könnten das Blatt wenden, sie könnten unter Ihresgleichen das Anliegen voranbringen, auch die Männer im Landtag. LH Arno Kompatscher stellte einen großen Konsens zum Thema fest. Die Bestimmungen des “Codice Rosso” sollten konsequent umgesetzt werden. Das Upskirting habe er einmal persönlich beobachten können: Auch dies müsse zur Straftat werden. Der “Codice Rosso” sei noch nicht genug, es gebe noch großen Handlungsbedarf, erklärte Magdalena Amhof. Die Zahlen seien erschreckend. Der Begehrensantrag werde hoffentlich dazu führen, dass das Upskirting zur Straftat werde. Der Antrag wurde mit 34 Ja einstimmig angenommen.
Anschließend wurde zur Behandlung des Landesgesetzentwurf Nr. 63/20: Änderung des Landesgesetzes vom 10. Juli 2018, Nr. 9, „Raum und Landschaft“ (vorgelegt von Landesrätin Hochgruber Kuenzer) übergegangen.