Debatte zu Nachtragshaushalt

Landtag: Rechnungslegung genehmigt

Mittwoch, 24. Juli 2019 | 18:04 Uhr

Bozen – Am Nachmittag wurde im Landtag die Debatte zu den drei Gesetzentwürfen (Landesgesetzentwurf Nr. 19/19: Allgemeine Rechnungslegung der Autonomen Provinz Bozen für das Haushaltsjahr 2018 und Landesgesetzentwurf Nr. 26/19:Allgemeine konsolidierte Rechnungslegung der Autonomen Provinz Bozen für das Haushaltsjahr 2018, Landesgesetzentwurf Nr. 25/19: Nachtragshaushalt des Landes Südtirol für das Finanzjahr 2019 und für den Dreijahreszeitraum 2019-2021) wieder aufgenommen.

Paul Köllensperger (Team Köllensperger) bemerkte, dass der hohe Überschuss auch dem vorsichtigen technischen Haushaltsvoranschlag geschuldet sei. Zum Problem der Führungszulagen plädierte er für eine politische Lösung, denn eine Rückzahlung sei nicht gerecht. Es sei neidlos anzuerkennen, vor allem im Vergleich mit anderen Regionen, dass in Südtirol doch gut gewirtschaftet wurde, was zum Teil auch der Konjunktur geschuldet sei. Zu den Ausgaben zum Flughafen bemerkte er, dass sie z.T. doppelt gezahlt wurden, auch durch Kapitalbeiträge. Der Nachtragshaushalt sei im Gesetzgebungsausschuss fast gänzlich ausgetauscht worden, das erschwere dem Landtag die Kontrolle. Aus dem Reservefonds seien Beträge entnommen worden, sodass er auf 16 Mio. geschrumpft sei. Positiv bewertete er, dass aus dem Nachtragshaushalt kein Omnibus geworden sei.

Zunächst sollte man sich bei den Steuerzahlern bedanken, mit deren Fleiß dieser Haushalt erst möglich wurde, meinte Peter Faistnauer (Team Köllensperger), wenngleich man damit nicht alle zufriedenstellen könne – daher müsse man Prioritäten setzen. Oft werde hier Partei- mit institutioneller Tätigkeit verwechselt, was man an den Prioritäten bei den Infrastrukturen ablesen könne, etwa zur Umfahrung von Mauls. Bei einem guten Verwalter sei der Verwaltungsüberschuss niedrig, das würde Entscheidungsfreudigkeit belegen. Die Landwirtschaft habe keine Almosen nötig, wie etwa Abg. Locher angedeutet habe. Die Landesregierung sollte nur mehr die Laufställe fördern, das würde auch das Bild von der Landwirtschaft aufwerten. Auch in die Denkmalpflege sei mehr zu investieren.

Magdalena Amhof (SVP) wies auf den Betrag für die Tarifverhandlungen hin, ca. 310 Mio. Euro. Es sei beachtlich, wenn in so kurzer Zeit eine so große Summe gefunden worden sei. Es sei aber Aufgabe der beiden Delegationen, zu einem guten Ergebnis zu kommen. Das traue sie den Gewerkschaften, aber auch der öffentlichen Hand zu.

Andreas Leiter Reber (Freiheitliche) beklagte, dass die Zeit für ein eingehendes Studium des stark geänderten Gesetzentwurfs gefehlt habe, er schätze aber, dass keine großen Schweinereien enthalten seien. Die Südtiroler Wirtschaftsleistung sei hoch, die Löhne ebenfalls, aber auch die Lebenshaltungskosten. So erwarte man bald das angekündigte Gesetz zum leistbaren Wohnen, das eine große Hilfe wäre. Das Missverständnis zur Triple-A-Bewertung sei verständlich, jeder wolle sich gut verkaufen, in Wahrheit habe man ein A-, während man 2010 noch ein AAA hatte. Auch daher hätte Südtirol guten Grund, mehr auf seine Zuständigkeiten zu pochen und auf neue zu drängen. Die Bergbauern sollten für ihre Produkte das bekommen, was sie auch wert seien. Wer auswärts am billigsten einkaufe, dürfe sich nicht über die Beiträge an die Berglandwirtschaft beschweren. Wenn Südtirol für qualifizierte Arbeitskräfte attraktiv sein wolle, müsse es noch mehr tun. Südtirol brauche auch mehr Mietwohnungen, denn die jüngere Generation sei auch wegen der Arbeitsplätze flexibler.

Helmuth Renzler (SVP) wies darauf hin, dass neben dem Geld für den bereichsübergreifenden Kollektivvertrag auch noch jenes für die Bereichsverträge zu finden sei. In Richtung des Abg. Locher meinte er, dass jemand, der seine Arbeit als Passion sehe, nicht unbedingt auf öffentliche Förderung bestehen könne. Zum Abg. Leiter Reber sagte er, dass nicht nur die Jugend Bedarf an leistbaren Wohnungen habe. Für die älteren Arbeitnehmer brauche es auch geeignete Arbeitsplätze, ebenso Unterstützung für ältere Arbeitslose. Seit der Abkoppelung der Renten von der Lohnentwicklung hätten alle Rentner einen jährlichen Kaufkraftverlust von 1,5 bis 2,5 Prozent. Der Übergang zum Euro habe die Renten praktisch halbiert. Daher bräuchte es, wie im Koalitionsabkommen verankert, einen Fonds für Härtefälle unter Rentnern. Renzler rief die Tarifpartner auf, die Verhandlungen in absehbarer Zeit abzuschließen, da alle Bediensteten hart auf ihre Lohnerhöhung warten würden. Von der öffentlichen Delegation erwarte er sich detailliertere Angebote, sodass die Gewerkschaften sie einschätzen könnten.

Sandro Repetto (Demokratische Partei) sah ein großes Augenmerk auf Wirtschaft und Arbeit sowie auf die Mobilität, vor allem Eisenbahn und A22. Es sei schwer, ein Urteil abzugeben, da die Entscheidungen vor vielen Jahren gefallen seien. Zu den Tarifverhandlungen sehe er in der Aufstellung 200, nicht 300 Millionen. In der Vergangenheit seien zu den Gemeinden gute Entscheidungen getroffen worden, die nun bewertet würden. Eine Antwort müsse man auf das Problem mit den Führungszulagen geben; das betreffe sehr viele.

Carlo Vettori (Lega Alto Adige Südtirol) wies Vorwürfe zurück, wonach der Lega an der Autonomie nichts gelegen sei. Die Lega stehe zur Autonomie und wolle sie ausbauen, wenn schon, sei es eine andere Regierungspartei, die in Rom Prügel in den Weg lege. Bei einer kürzlichen Aussprache mit einem Staatssekretär im Gesundheitsministerium, dass alle Regionen dasselbe Problem hätten, allen voran den Personalmangel. Entweder man nehme nur fertig ausgebildete Ärzte auf und warte Jahre auf sie oder man suche einen Kompromiss wie Bozen oder Venetien – die Lösung im Veneto sei allerdings nicht angefochten worden. Wer die Autonomie kritisiere, müsse bedenken, dass sie international abgesichert sei. Zum Flughafen meinte Vettori, dass das Referendum über die öffentliche Finanzierung entschieden habe, nicht über den Flughafen selbst.  Dieser lasse sich nicht schließen, da er Zuständigkeit des Enac sei. Das Land könne nun nicht wieder einsteigen, um die Privaten kontrollieren. Wenn man den Flughafen hätte unter Kontrolle behalten, dann hätte man nicht aussteigen dürfen.

Diego Nicolini (5 Sterne Bewegung) sah im Haushalt einen Überhang der laufenden Ausgaben, die immer auch den Ruch der Klientel hätten. Die Betriebe, die viel zum Haushalt beitragen würden, hätten von diesem Nachtragshaushalt wenig. Wenig sei für produzierende Betriebe vorgesehen, im Gegensatz zu Tourismus und Landwirtschaft. Seine Bewegung sei für die Autonomie, aber auch für die Rechtsstaatlichkeit. Wenn die Landesregierung etwas Ungesetzliches tue, müsse man intervenieren. Im Gesundheitsministerium habe man bemerkt, dass das Land das Abkommen zur Ärzteausbildung falsch auslege. Hätte man das durchgehen lassen, hätte man das gleiche Problem wie bei den Führungszulagen, und die Ärzte müssten ihr Gehalt zurückzahlen. Der Einsatz von Auszubildenden sei überdies ein Risiko für die Patienten. Eher sollte man bei den Sprachauflagen nachlässig sein als bei den fachlichen. Dem Abg. Vettori riet er, sich bei Kollegen Vettorato aus Leifers zu erkundigen. Zum Transitverkehr forderte Nicolini dazu auf, dem Beispiel Nordtirols zu folgen.

Gerhard Lanz (SVP) riet Nicolini, sich in Sachen Mobilität und Sanität bei seinen Parteikollegen in Rom zu beschweren, denn von ihnen werde alles blockiert. Foppa kritisiere, dass die Mehrheit weniger Gesetze vorlege als die Opposition – die Mehrheit arbeite aber nicht nur mit Dokumenten im Landtag, sondern auch in der Regierung. Das Referendum habe die Finanzierung zum Gegenstand gehabt, nicht den Flughafen. Es sei klar, dass dieser weiter bestehen werde. Die Kritik, es seien zu wenig Mittel für die Tarifverhandlungen vorgesehen, lasse er nicht gelten. Zuerst werde verhandelt, dann würden die Mittel bereitgestellt. Hier antizyklisch zu investieren, wie Staffler fordere, sei nicht möglich, denn man könne die öffentlichen Gehälter bei Wirtschaftsflaute nicht einfach wieder reduzieren. Faistnauer habe der SVP vorgeworfen, bei Investitionsentscheidungen parteipolitisch vorzugehen – diese Entscheidungen würden in der Landesregierung getroffen, nicht in der Partei. Die gute Haushaltsgebarung, wie sie sich aus der Rechnungslegung ergebe, ermögliche ein besonnenes Entscheiden, man müsse nicht jeden Euro umdrehen. Man dürfe aber auch nicht, auf Druck der Demonstrationen, in populistische Aussagen verfallen, wie es in anderen Gegenden der Welt üblich geworden sei.

LH Arno Kompatscher ging in seiner Replik auf einzelne Einwände und Kritiken ein. Er verneinte, dass die Bevölkerung den Flughafen schon seit Anbeginn als unwirtschaftlich gesehen habe. Die Gegner hätten ein Privileg für Betuchte gesehen, die Befürworter hätten ihn ohne Ausbau als unwirtschaftlich bezeichnet. Die Landesregierung habe vor dem Referendum klar gesagt, was bei einem Ja und was bei einem Ja passiere. Man habe dann den Ausstieg beschlossen und einen Bieter gesucht. Die Kritik habe erst angefangen, als man einen gefunden habe. Die Bedenken, vor allem des Unterlandes, würden ernst genommen. Man werde mit den Betreibern reden, und man werde darauf schauen, dass die Bevölkerung nicht übermäßig belastet werde. Der Flughafen sei rechtlich gesehen ähnlich wie die Autobahn, ein Betrieb mit staatlicher Konzession. Das Land habe hier nur begrenzten Spielraum. Es werde aber darauf schauen, dass er zur Chance und nicht zur Belastung werde.

Zum Fall des Arztes, der mangels Italienischkenntnissen von der Ärztekammer ausgeschlossen werden soll, dankte Kompatscher allen, die den Rekurs mitunterschrieben hätten. Man müsse auf das geltende EU-Recht bestehen, das von einer örtlich gegebenen Amtssprache spreche. Das staatliche Legislativdekret stehe im offensichtlichen Widerspruch dazu. Man werde auch ein Landesgesetz vorlegen, das Europagesetz, das auch für die Berufskammern bindend sei – Südtirol habe hier konkurrierende Gesetzgebungskompetenz.

Die Aufstockung für die Gemeinden sei vorgesehen, vor allem zur Überbrückung bei größeren Vorhaben. Übrigens hätten die Gemeinden noch nie so viel Geld zur Verfügung gehabt wie heute und so wenig Schulden. Ob die Führungskräftezulagen bis zu zehn Jahre rückwirken zurückgezahlt werden müssten, sei noch zu prüfen. Es sei noch kein definitiver Schritt gesetzt worden, nur eine “messa in mora”.

Mit der “Spending Review” werde weitergemacht. Man habe erst mit den Sozialpartnern darüber geredet. Man werde noch in den nächsten Monaten mit den einzelnen Interessengruppen reden und einzelne Maßnahmen bereits 2020 umsetzen. Aus dem Reservefonds seien weitere 15 Mio. für die Mobilität entnommen worden. Zum Verkaufspreis des Flughafens hielt Kompatscher fest, dass immer dessen Defizit kritisiert worden sei. Die Übernahme des Flughafens bringe auch für die Privaten Pflichtkosten mit sich, und das drücke den Preis. Infrastrukturentscheidungen nach Parteibuch wies Kompatscher von sich, man werde einhalten, was ausgemacht sei, und man werde ein Investitionspaket vor allem zu den größeren Projekten vorlegen.

Kollegin Amhof habe zu Recht gesagt, dass die Gehaltsverhandlungen Zuständigkeit der Verhandlungspartner seien, nicht des Landtags. Zur Feststellung des Kaufkraftverlusts sollte man nicht mit den falschen Zahlen hantieren, das schüre Wut. Im Nachtragshaushalt seien 195 Mio. für den BÜKV vorgesehen, dazu kämen 103 Mio., welche andere Körperschaften aufbringen müssten, sowie 11,4 Mio. für die Lehrer der Schulen staatlicher Art. Es sei schön, wenn man sich auf die Seite der Mitarbeiter stelle, aber man müsse auch sehen, dass man die Mittel der Allgemeinheit verwalte und dass das Geld anderswo abgezogen werden müsse. Dem Land schwebe eine andere Gehaltsentwicklung vor, mit einem höheren Einstiegsgehalt und dann mit einer flacheren Kurve, aber darüber sei noch gar nicht verhandelt worden.

Der Kaufkraftverlust sei nicht für alle gleich, bei Vollzeitbeschäftigten sei er gering, bei Teilzeitkräften schlimmer. Man habe auch dies mit den Sozialpartnern besprochen, und ein Mittel sei eine weitere Irpef-Senkung. Bei der Unterstützung der Mindestrentner sei aufzupassen, dass der Staat dann nicht seine Unterstützung zurückfahre, indem er die Beiträge miteinander verrechne. Kollege Nicolini gehe davon aus, dass die römische Regierung in Südtirol für Rechtsstaatlichkeit sorgen müsse. Aus Rom müsse man sich in punkto Rechtsstaatlichkeit wohl nicht belehren lassen. Das Land wende geltendes Recht an, und man müsste sich nur zusammensetzen, um das zu klären, aber das werde nicht getan. Man habe für den öffentlichen Dienst eine Abweichung von den Sprachbestimmungen ermöglicht, um den Dienst zu gewährleisten, aber das sei nicht das Ziel. Die römische Regierung suche nicht die Lösung, sondern das Problem. Das Land bleibe aber gesprächsbereit. Es gebe einen Notenwechsel und ein Landesgesetz zur Anstellung von Jungärzten, das von Rom nicht angefochten worden sei. Landesgesetze und Staatsgesetze seien gleichrangig, das sollte sich der Landtag bewusst halten.

Die 12 Artikel des Gesetzentwurfs 19/19 (Allgemeine Rechnungslegung) wurden ohne Debatte genehmigt, ebenso die 3 Artikel des Gesetzentwurfs 26/19 (Konsolidierte Rechnungslegung. Beide Gesetzentwürfe wurden mit jeweils 18 Ja, 12 Nein und 3 Enthaltungen genehmigt.

Anschließend wurde die Debatte für eine Beratung innerhalb der SVP-Fraktion zu den eingereichten Tagesordnungen zum Nachtragshaushalt unterbrochen.

Von: mk

Bezirk: Bozen