Von: mk
Bozen – Am heutigen Freitagvormittag hat der Landtag die gestern begonnene Generaldebatte zum Landesgesetzentwurf Nr. 142/23 Landesgesetz für Kulturgüter (vorgelegt von der Landesregierung auf Vorschlag der Landesrätin für Raumordnung, Landschaftsschutz und Denkmalschutz Maria Hochgruber Kuenzer) fortgesetzt.
Hanspeter Staffler (Grüne) erklärte, dass es ihn freue, dass es der Landesrätin gelinge, dieses organische Gesetz vorzulegen. Dieses habe “Kopf und Fuß”. Es gehe – das müsse gewürdigt und unterstrichen werden – nicht nur um Baudenkmäler, sondern auch um die Archive etc. und auch paläontologische Funde würden mitgedacht. Es sei ein logisches und strukturiertes Gesetz, dem sechs Kapitel den nötigen Rahmen für die 60 Artikel geben. Wenn man bedenke, dass das alte Gesetz von 1975 nur 1985 einmal ergänzt wurde und bis heute gehalten habe, dann sei das damalige Gesetz ein beachtliches gewesen. Es gebe einen gesellschaftlichen Anspruch, der in Bezug auf Privatbesitz manchmal seine Schwierigkeiten habe – im Autonomiestatut werde in Art. 8 der übergeordnete Charakter auch beschrieben, als geschichtliche, künstlerische und volkliche Werte. Wenn man den Begriff Denkmalschutz seziere in “Denk mal nach”, dann böte sich die Gelegenheit für einige Überlegungen – die Begriffe Denkmalpflege und Denkmalschutz sollten auch zum Nachdenken über die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft nachdenken. Auch “Denk mal nach”, ob private Interessen wichtiger als hoheitliche seien. Beim Schutz der Baudenkmäler schieden sich die Geister, denn da treffe man in Südtirol auf die Kubatur – das sei häufig ein Konflikt. Das Eigentum sei in der bäuerlichen Kultur extrem verwurzelt; Eigentum bedeute historisch betrachtet auch Freiheit, Entscheidungsfreiheit. Aus diesem starken Bezug zum Eigentum komme es zum Konflikt, wenn private Interessen und hoheitliche aufeinandertreffen. Denn hoheitlicher Denkmalschutz greife ein ins althergebrachte bäuerliche Verständnis von Eigentum – das störe die Bauern, die es nicht gewohnt seien, dass man in ihr Eigentum eingreife. Doch den Konflikt könne man lösen: durch Aufklärung, Einfühlungsvermögen – und mit üppigen Transferzahlungen. Er wünsche der Landesrätin, dass das Kapitel der Denkmalpflege, das im vergangenen Jahr nicht gerade “übergegangen” sei, in diesem Jahr aufgestockt werde, mindestens eine Verdoppelung würde es vertragen – dazu brauche es Planbarkeit für die Ämter durch Mehrjahresprogramme. Unter Durnwalder sei mehr Geld und dieses relativ schnell geflossen. Das habe die Akzeptanz gesteigert. Es gebe aber auch andere Konflikte: jene mit der Immobilien- und Bauwirtschaft. Diese ließen sich mit Aufklärung und Einfühlungsvermögen nicht lösen. Die “Kraft des Geldes” würde das Interesse an Baudenkmälern oft knicken oder gar brechen.
Vieles sei bereits gesagt worden, schickte Andreas Leiter Reber (Freiheitliche) voraus. Er sei überzeugt davon, dass die finanziellen und auch die menschlichen Ressourcen für den Schutz der Kulturgüter derzeit zu gering seien. Ein wichtiger Punkt sei, dass nun die Möglichkeit bestehe, auch für Kleindenkmäler, die nicht unter Denkmalschutz stehen, Beiträge zu vergeben – das solle aus seiner Sicht auf andere architektonische Baudenkmäler ausgeweitet werden. Wenn man die Entwicklung vom ersten Kulturgesetz in den 1950er-Jahren bis heute betrachte, dann könne man erkennen, wie viel in den vergangenen Jahrzehnten an historischem Erbe nachgewachsen sei. Der Landeskonservator sei als oberstes Gremium eingesetzt worden. Die Aufgaben im Denkmalschutz würden zunehmen, dazu brauche es mehr personelle Ressourcen. Der Abgeordnete verwies auch auf seine Tagesordnung zum LGE, in der er fordert, dass die Tracht – eines der typischsten kulturellen Elemente im Land, das lebendig gehalten werden solle – als kulturelles Erbe anerkannt wird. Denn ebenso wie Gebäude leben müssten und es nichts nütze, sie nur unter eine Glashaube zu stecken, gelte das auch für die Trachten sowie für zahlreiche andere Kulturgüter im Land.
Magdalena Amhof (SVP) merkte an, dass das Land Südtirol im Bereich Denkmalschutz und des kulturellen Erbes primäre Gesetzgebungsbefugnisse habe. Mit diesem Gesetz sei ein organisches Gesetz aus zwei früheren geschrieben worden. Wenn man zurückblicke, sei das erste Gesetz zu Denkmalschutz und -pflege vor 50 Jahren geschrieben worden, seitdem habe man Wissen gesammelt und Erfahrungen gemacht – all dies fließe ins Gesetz ein. Wenn man ein Gebäude nicht schütze, und es verfallen lasse, dann werde zukünftig dem Eigentümer auch die Kubatur genommen. Man höre immer wieder das Denkmalschutz teuer sei: Im Schnitt seien die Kosten um 10 bis 15 Prozent höher; das Land schütte Beiträge im Ausmaß zwischen 40 und 90 Prozent der anerkannten Kosten als Beiträge aus – das seien schöne Beiträge, die dazu beitragen sollten, Gebäude zu sanieren und zu erhalten. Mit dem Gesetz werde auch eingeführt, dass Denkmalschutz widerrufen werden könne. Dies sei ebenfalls etwas, was aufgrund der Erfahrung der vergangenen 50 Jahre gemacht worden sei, denn man habe gesehen, dass es manchmal nicht mehr angebracht sei, den Denkmalschutz aufrechtzuerhalten. Die Chronisten würden erstmals in einem Gesetzentwurf erwähnt, wichtig wäre, dass deren Zusammenarbeit mit dem Landesarchiv festgehalten werde – sie habe einen diesbezüglichen Änderungsantrag eingebracht.
Gert Lanz (SVP) verwies auf die neue Regelung, wonach Kubatur verfalle, wenn denkmalgeschützte Gebäude verfallen: Er habe bereits in der Kommission gesagt, dass man die Besitzverhältnisse der Gebäude nicht kenne. Der Passus könne bedeuten, dass man als Verwaltung im Sinne des Denkmalschutzes mehr Geld in die Hand nehmen müsse. Man habe das Vorkaufsrecht für denkmalgeschützte Gebäude. Man wisse, dass viele Gebäude, die hier als schützenswert betrachtet, würden, für die Besitzer hohe finanzielle Belastungen bedeuteten. Und zum Erhalt gehöre nicht nur der Erhalt des Gebäudes, sondern auch, dass es im Besitz des ursprünglichen Besitzers bleibe. Es gebe immer wieder auch die Diskussion, ob die Sensibilität des Eigentümers dieselbe sei, wie man sie hier habe – es wäre ihm deshalb lieber gewesen, wenn man diese Thematik breiter aufgestellt hätte. Es müsse gelingen, den Spagat zu schaffen, dass man neben dem Schutz auch die Bedürfnisse und Notwendigkeiten des Eigentümers beachte – das sei nicht einfach. Wenn genügend Geld da wäre, wäre es vielleicht einfacher, dann könne alles unter Denkmalschutz gestellt werden und die öffentliche Hand bezahlen. Denkmalschutz werde häufig als Belastung empfunden und wenn man zu restriktiv sei, dann habe man die Gefahr, dass viele schützenswerte Gebäude veräußert würden. Er bitte darum, dass diese Punkte in der Umsetzung des Gesetzes beachtet werden. Nicht außer Acht gelassen dürften auch die Notwendigkeiten der Gemeinden.
LR Maria Hochgruber Kuenzer bedankte sich für das konstruktive Mitdenken und die Beiträge der Abgeordneten. An den Abg. Alex Ploner gerichtet erklärte sie, dass dessen Definition von Denkmalschutz eine gute Zusammenfassung gewesen sei. Man bestaune heute oft noch Gebäude aus der Vergangenheit. In Südtirol seien 5.000 Gebäude unter Denkmalschutz, darunter 1.500 Höfe, das seien Zeugen der vergangenen Zeit. Es gebe aber noch viele andere alte Gebäude, die sehr gut erhalten und restauriert seien, ohne dass sie unter Denkmalschutz stünden; das sei der Sensibilität der Besitzer zu verdanken. Die LR verwies zudem auf das Bauinventar des Landes; dadurch würden Gemeinden ganz anders auf den Denkmalschutz zugehen. Das vom Abg. Knoll angesprochenen Projekt zu den Straßen sei interessant, der Vorschlag müsse aber noch vertieft und diskutiert werden – heute würde sie aber daran nicht weiterarbeiten. Bei den technischen Kulturgütern gehe es nicht darum, jede Seilbahn, jedes technische Kulturgut unter Schutz zu stellen, sondern bestimmte Beispiele zu erhalten. Mit dem zweiten Autonomiestatut habe das Land die primäre Zuständigkeit für den Denkmalschutz erhalten, 1975 dann habe es das erste Gesetz gegeben – und dann sei man hinaus gegangen und habe geschaut, was man alles unter Denkmalschutz stellen könne. Damals habe man wenig mit den Betroffenen bzw. der Bevölkerung kommuniziert, was zu Problemen geführt habe. Heute berate und begleite – und unterstütze mit Beiträgen. Beiträge gelten für denkmalrelevante Elemente, d.h. man erhalte nicht für das gesamte Haus Beiträge, doch die Deckung der Mehrkosten wären möglich. Staat- und Landesarchiv zusammenzuführen, wäre auch “unser” großer Wunsch – das wäre wichtig, auch für den Zugang. Die Digitalisierung der historischen Namen bzw. ein Kataster werde in Zusammenarbeit mit dem Tiroler Landesarchiv vorangetrieben. Denkmalschutz sei auf staatlicher Ebene vorgesehen, das Land habe die primäre Zuständigkeit, beim Ensembleschutz dagegen läge die Zuständigkeit bei den Gemeinden. Man habe die Sensibilität dafür, dass der Spagat zwischen Schützen und Nutzen wesentlich sei. Zum Vorkaufsrecht: Jede Woche habe man in der Landesregierung mehrere Elemente, wo das Landesdenkmalamt – ohne großes Aufsehen – auf das Vorkaufsrecht verzichte.
Tagesordnungen
LR Maria Hochgruber Kuenzer erklärte, dass die Landesregierung die Tagesordnung Nr. 3 annehmen werde: In dieser fordert Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit), der Landtag möge sich dafür aussprechen, dass die Gipfelkreuze auf den Bergen Südtirols als schützenswerte Kulturgüter anerkannt werden.
Mit einer Tagesordnung (Nr. 1) zum Gesetz hatte Marco Galateo (Fratelli d’Italia) die “Förderung des kulturellen Mäzenatentums” gefordert: Der Landtag möge die Landesregierung verpflichten, sich dafür einzusetzen, auch auf unserem Landesgebiet Formen des kulturellen Mäzenatentums zu fördern, um weitere Finanzmittel aufzutreiben und diese für den Erhalt, den Schutz und die Förderung unserer Kulturgüter auch für touristische Zwecke einzusetzen. Die Tagesordnung Nr. 1 wurde mit 1 Ja, 14 Nein und elf Enthaltungen abgelehnt.
Andreas Leiter Reber (Freiheitliche) forderte in seiner Tagesordnung “Tracht als kulturelles Erbe” (Nr. 2) indes, der Landtag möge die Landesregierung beauftragen, – die überlieferten und gewachsenen Trachten in ihrer Vielfalt und Gesamtheit als Kulturgut unseres Landes institutionell zu erheben und zu fördern; – die Trachtenförderung für Vereine an eine fachliche Bewertung zu binden und nicht wie bisher, öffentliche Beiträge ohne jegliche Anforderungen und Kriterien zu gewähren; – die Ausbildung von für die Anfertigung von Trachten notwendigen Hand- und Kunsthandwerkern wie Schneidern, Hutmachern, Webern, Walknern, Haftl-, Knopf- und Schnallenmachern, Strickern, Stickern, Schustern, Fransenknüpfern, Federkielstickern, Besteckmachern, Gerbern, Posamentierern und Klöpplern gezielt zu fördern; – das mit den vielfältigen überlieferten Südtiroler Trachten verbundene Wissen über die Anfertigung, Tragweise, Fertigkeiten, Techniken und Traditionen zu den traditionellen Schnitten, Formen, Farben und Materialien als immaterielles Kulturerbe Südtirols zu erfassen und zu bewahren.
Magdalena Amhof (SVP) erklärte, man lehne diese Tagesordnung ab – nicht, weil man das kulturelle Erbe der Tracht nicht wertschätzen wolle, sondern weil man das Weitertragen dieses kulturellen Erbes im Landesgesetz zur Kultur von 2015 verankert habe, und zwar im Art. 1. Im Bereich der Denkmalpflege habe man andere Kulturgüter, die geschützt würden. Man wolle keine Überschneidungen bei den Aufgabenbereichen zwischen Amt für Kultur und Landeskonservator. Die Tagesordnung (Nr. 3) wurde mit elf Ja und 16 Nein abgelehnt.
In der Schlussabstimmung am Nachmittag wurde der Landesgesetzentwurf mit 24 Ja und einer Enthaltung verabschiedet.