Von: luk
Bozen – Der Gesetzesentwurf “Neuordnung der örtlichen Körperschaften” wurde heute (10. November) im Landtag angenommen.
Mit der Neuordnung der örtlichen Körperschaften wird eine rechtliche Grundlage dafür geschaffen, dass die von den örtlichen Körperschaften und vom Land ausgeübten Befugnisse und Dienste neu aufgeteilt werden können. Demnach sollen jene Aufgaben und Tätigkeiten auf die Gemeinden übertragen werden, die lokal zuordenbar und vom Bürger vor Ort nachgefragt werden, sowie jene, die auf Ebene der Gemeinde am effizientesten organisiert werden können. Das Gesetz erlaubt aber auch die Übertragung von Befugnissen und Diensten in die andere Richtung, von den Gemeinden an das Land.
“Derzeit übt das Land verschiedene Befugnisse und öffentliche Dienste gegenüber dem Bürger aus, obwohl es im Sinne einer bürgernahen Verwaltung wäre, wenn gewisse Aufgaben direkt von den Gemeinden ausgeübt werden könnten; mit diesem Gesetz haben wird die Grundlage dazu gelegt”, zeigt sich Gemeindenlandesrat Arnold Schuler zufrieden.
Mit diesem Landesgesetzentwurf werden bereits erste Befugnisse vom Land an die Gemeinden übertragen, und zwar die Finanzierung der Bildungsausschüsse, die Finanzierung von Kindergärten, verwaltungspolizeiliche Befugnisse und Aufgaben wie die Erteilung der Bewilligung für den Betrieb von Tanzsälen, Billardsälen und Spielhallen und anderen Vergnügungsstätten, die Erteilung der Bewilligung für den Handel mit Antiquitäten und Gebrauchtwaren, den Handel, die Herstellung und die Vermittlung von Schmuck, die Herstellung, die Veröffentlichung, die Vervielfältigung, den Verkauf und den Verleih von audiovisuellen Datenträgern und Wettbetrieb sowie die Nachverlegung der Sperrstunde.
Mit der Finanzbestimmung werden auch die entsprechend notwendigen Geldmittel für die Gemeinden vorgesehen bzw. bereitgestellt. Um ein Mindestmaß an Homogenität bei der Ausübung der Befugnisse durch die Gemeinden zu garantieren, obliegen dem Land die Planung, Ausrichtung, Koordinierung, Überwachung und Aufsicht.
Übergemeindliche Zusammenarbeit und gemeinsame Dienste
Ein weiterer wichtiger Punkt, der mit dem Landesgesetzentwurf geregelt wird, ist die übergemeindliche Zusammenarbeit und das gemeinsame Erbringen von Diensten. Dazu kann die Landesregierung im Einvernehmen mit dem Rat der Gemeinden optimale Einzugsgebiete festlegen.
“In bester Abstimmung und Zusammenarbeit mit dem Rat der Gemeinden ist es hier gelungen, eine effiziente Grundlage für unsere Gemeinden zu legen”, betont Landesrat Schuler. “Die Gemeinden bewältigen jetzt schon eine Vielzahl an komplexen Aufgaben, durch die Zusammenlegung der Dienste lässt sich die Qualität der Dienstleistungen an den Bürger noch einmal steigern.”
Besonders für kleinstrukturierte Gemeinden sei es schwierig, diese Aufgaben zu bewältigen und den rechtlichen Rahmenbedingungen und Veränderungen nachzukommen, sagt der Landesrat. Daher sei es unerlässlich, die Durchführung dieser Dienste in Form von übergemeindlicher Zusammenarbeit sicherzustellen. Qualität und Effizienz der Dienste sowie die einheitliche Entwicklung der Gemeinden würden auf diese Weise gewährleistet.
Landtag: Neuordnung der örtlichen Körperschaften verabschiedet
Der Landtag hat heute die Artikeldebatte zum Landesgesetzentwurf Nr. 144/17 – Neuordnung der örtlichen Körperschaften, vorgelegt von der Landesregierung auf Vorschlag von LR Arnold Schuler – bei Art. 4 wieder aufgenommen.
Art. 4 betrifft die Übertragung von Verwaltungsbefugnissen und Diensten an die Gemeinden.
Walter Blaas forderte die Berücksichtigung auch der Bezirksgemeinschaften bei der Aufteilung der Aufgaben. Die Gesetzentwürfe, mit denen die Übertragung weiterer Dienste geregelt wird, sollten vom Rat der Gemeinden kommen, nicht von der Landesregierung. Diese sollte auch nicht selbständig und am Landtag vorbei neue Befugnisse übertragen können. Alessandro Urzì bemängelte, dass eine Kompetenzübertragung an einzelne Gemeinden nicht vorgesehen sei. Er habe da vor allem Bozen im Blick, die Stadt habe besondere Herausforderungen zu bewältigen, z.B. den Pendlerverkehr. Einige Befugnisse sollten hingegen von einer Übertragung ausgeschlossen werden, etwa jene zu den Amtsentschädigungen oder jene, welche die Rechte der Sprachgruppen betreffen, z.B. die Toponomastik. Eine Übertragung von Zuständigkeiten an einzelne Gemeinden wäre zu überlegen, aber das falle in die Zuständigkeit der Region, erklärte LR Arnold Schuler, ebenso die Festlegung der Amtsentschädigungen. Dieses Gesetz könne nur die Übertragung an die Gemeinden regeln, da die Bezirksgemeinschaften nur delegierte Zuständigkeiten hätten, keine eigenen. Der Rat der Gemeinden könne laut Statut nicht Gesetzentwürfe einreichen. Schuler schlug Präzisierungen zum Text vor: Die Landesregierung könne nur Bereiche übertragen, deren Übertragung bereits ein Landesgesetz festgelegt habe – so sei es von Anfang auch gemeint gewesen.
Die Änderungsanträge von Blaas wurden abgelehnt, jene von Schuler angenommen.
Der Artikel habe viele handwerkliche Fehler, kritisierte Blaas, und er sehe eine Entmachtung des Landtags vor. Es gebe auch keinen Grund, die Bezirksgemeinschaften bei der Aufteilung der Dienste nicht zu berücksichtigen. Der Rat der Gemeinden könne bereits Gesetzentwürfe einreichen, umso mehr sollte er es in diesem Bereich tun. Josef Noggler betonte, dass die Landesregierung nur Befugnisse übertragen könne, wenn dies mit eigenem Landesgesetz abgedeckt sei.
Der Artikel wurde mit 15 Ja, fünf Nein und sechs Enthaltungen genehmigt.
Art. 5 betrifft die Finanzautonomie der Gemeinden und wurde ohne Debatte genehmigt, ebenso Art. 6, der die Ausübung der Befugnisse regelt.
Art. 7 betrifft die Formen der Zusammenarbeit zwischen Gemeinden.
Myriam Atz Tammerle forderte die Ersetzung des Zwangs durch eine Möglichkeit: Das Land solle den Gemeinden die gemeinsame Führung von Diensten nicht aufzwingen können. Auch Brigitte Foppa forderte dies, mit Verweis auf das Gutachten des Rates der Gemeinden. Josef Noggler beantragte die Streichung einer Aufzählung von Kriterien, die bereits im einschlägigen Regionalgesetz angeführt seien. LR Arnold Schuler beantragte, das Wort “müssen” aus dem Absatz über die Aufgaben der Gemeinden zu streichen, was von Foppa und Atz Tammerle aber als Augenauswischerei bezeichnet wurde. Walter Blaas wunderte sich, dass keine Harmonisierung der Gemeindedienste vorgesehen sei, was vor allem bei den Bauvorschriften notwendig wäre. Die Gemeinden fühlten sich unter Druck gesetzt, funktionierende Dienste abzugeben, nur weil jemand einen politischen Erfolg vorweisen wolle. LR Arnold Schuler meinte, das “müssen” sei nicht notwendig, darauf habe man sich bereits im Gesetzgebungsausschuss geeinigt. An diese Stelle aber ein “können” einzufügen, würde den Artikel ad absurdum führen. Bei der Festlegung der Einzugsgebiete für die zusammengelegten Dienste sei das Einvernehmen mit dem Rat der Gemeinden die richtige Lösung; wäre das Einvernehmen mit den einzelnen Gemeinden nötig, würde das zu Lasten der kleineren Gemeinden gehen. Die Wiederholung der Bestimmungen aus dem Regionalgesetzes sei rein aus Gründen der besseren Lesbarkeit erfolgt. Zur geforderten Harmonisierung meinte Schuler, dass man zwischen einheitlichen Verfahren und Gemeindeautonomie abwägen müsse. Die Zusammenlegung werde aber automatisch zu einer Harmonisierung führen.
Allein die Anträge Schulers wurden angenommen.
Myriam Atz Tammerle verwies auf den folgenden Artikel, der Sanktionen vorsehe, falls es nicht zur Zusammenarbeit komme. Damit werde die Gemeindeautonomie stark beschnitten.
Der Artikel wurde mit 15 Ja, sechs Nein und sieben Enthaltungen genehmigt.
Art. 8 betrifft die Befugnisse des Landes.
Josef Noggler fragte, wie weit die Aufsichtsbefugnisse des Landes reichen; gingen sie zu weit, würden sie der Verfassung widersprechen. LR Arnold Schuler legte eine Präzisierung vor, wonach die Aufsichtsbefugnis im Sinne des Autonomiestatuts zu verstehen sei. Alles andere wäre nicht verfassungskonform.
Der Artikel wurde mit acht Ja, 15 Nein und 13 Enthaltungen angenommen.
Art. 9 betrifft die Überprüfung der Angemessenheit der Übertragung und wurde in einer neuen, von LR Schuler vorgelegten Fassung, die auf die zusammengelegten Dienste verweist, genehmigt.
Art. 10 enthält eine Ersatzbefugnis des Landes.
Walter Blaas forderte eine Frist von 50 Tagen und nur eine Anhörung, bevor die Ersatzbefugnis ausgeübt wird. Josef Noggler beantragte die Streichung des Artikels, gegen den auch der Rat der Gemeinden sei. Auf jeden Fall müsse man klären, dass dieser Artikel nur auf die übertragenen Befugnisse angewendet wird. Die anderen Zuständigkeiten fielen in die Zuständigkeit der Region, antwortete LR Arnold Schuler. Mit dieser Bestimmung wolle man die Gemeinden nicht drangsalieren, aber das Land müsse einschreiten können, wenn übertragene Befugnisse nicht ausgeübt werden. Für eine so drastische Maßnahme seien allerdings zwei Anhörungen gerechtfertigt.
Die Änderungsanträge wurden abgelehnt.
Walter Blaas kritisierte die Entscheidung. Eine zweite Anhörung sei nicht nötig. Ein Gespräch zwischen Körperschaften sei ja immer möglich. Die Frist von 50 Tagen begründete er damit, dass manchmal Gutachten nötig seien.
Der Artikel wurde mit 12 Ja, sechs Nein und sieben Enthaltungen genehmigt.
Art. 11 zu den Sanktionen bei Nichterfüllung wurde ohne Debatte genehmigt.
Art. 12 enthält Bestimmungen zur Erstanwendung.
Brigitte Foppa wandte sich gegen die Übertragung der Zuständigkeit für die Finanzierung der Bildungsausschüsse. Die Bildungsarbeit vor Ort solle von der Gemeinde unabhängig sein. Myriam Atz Tammerle wandte sich gegen die Übertragung der Zuständigkeit für Spielhallen, das sollte landesweit einheitlich geregelt sein. Sie sprach sich auch gegen eine Aufteilung der verwaltungspolizeilichen Befugnisse aus, auf keinen sollte den Gemeinden die gesamte diesbezügliche Zuständigkeit übertragen, da wären sie überfordert. Auch die Tanzsäle seien ein schwieriger Bereich, bei dem es oft zu sicherheitskritischen Situationen komme und bei dem auch Interessenkonflikte möglich seien – diese schwere Last sollte man nicht den Bürgermeistern auferlegen. Oswald Schiefer verteidigte die Übertragung der Finanzierung der Bildungsausschüsse, anfängliche Bedenken des Landesamtes hätten sich inzwischen zerstreut. Die Landesregierung müsse aber darauf achten, dass nur die Gemeinden mit Bildungsausschüssen das entsprechende Geld bekommen. Sinnvoll wäre auch der Zusammenschluss von mehreren Bildungsausschüssen in derselben Gemeinde. Er habe Zweifel bei der Übertragung der verwaltungspolizeilichen Befugnisse gehabt, erklärte Dieter Steger, aber die einschlägigen Bestimmungen würden ja gleich bleiben und das Land könne einschreiten, wenn die Umsetzung nicht korrekt erfolge. LR Philipp Achammer bekannte ebenfalls anfängliche Bedenken, und zwar zur Finanzierung der Bildungsausschüsse. Das Geld gehe natürlich nur an Gemeinden mit Bildungsausschüssen, das werde das zuständige Amt jeweils feststellen müssen. Die Gemeindezuständigkeit könnte zu einer Beschleunigung der Auszahlung führen. Eine Steuerungszuständigkeit bleibe beim Land. Unzweifelhaft sinnvoll sei die Delegierung der Führung der Kindergärten und der Schulausspeisung. LR Arnold Schuler betonte, dass die Aufgaben der Verwaltungspolizei nicht übertragen, sondern delegiert würden, da es eine staatliche Zuständigkeit sei. Für die Prüfung der technischen Eignung der Tanzsäle sei bereits heute die Gemeinde zuständig. Eigenverantwortung bedeute auch die Bereitschaft, heiße Kartoffeln zu übernehmen.
Die Änderungsanträge der Opposition wurden abgelehnt. Angenommen wurden Anträge von LR Achammer und LR Schuler.
Brigitte Foppa bemängelte im Artikel eine Empfehlungsfunktion des Landesamts zu den Bildungsausschüssen. Myriam Atz Tammerle meinte, einige heiße Kartoffeln sollte sich das Land behalten. Bei Bestimmungen wie jenen zu den Tanzsälen gehe es auch um Interessenkonflikte durch Verwandtschaften. Die Bürgermeister hätten heute bereits mit heißen Kartoffeln ganz anderer Dimension umzugehen, erwiderte LR Schuler.
Der Artikel wurde mit 17 Ja, zehn Nein und vier Enthaltungen genehmigt.
Art. 13 enthält Bestimmungen zu den öffentlichen Veranstaltungen.
Myriam Atz Tammerle beantragte auch hier die Streichung der Tanzsäle. Paul Köllensperger forderte die Aufnahme des jeweiligen Feuerwehrkommandanten in die zuständige Kommission für öffentliche Veranstaltungen, während Vertreter von Gastgewerbe und Jugendkultur nicht dazu gehören sollten. Dieter Steger verteidigte die Präsenz letztgenannter Vertreter, sie seien eine Bereicherung. Dem stimmte auch Brigitte auch Brigitte Foppa zu. LR Arnold Schuler bestand auf den Tanzsälen, da sie bereits im vorangehenden Artikel vorkämen; ansonsten wäre das Gesetz nicht umsetzbar. Bei der Zusammensetzung der Kommission sei immer nur der Fachbereich genannt, im Falle des Brandschutzexperten könne dies der Feuerwehrkommandant sein, aber auch ein von ihm benannter Vertreter.
Die Änderungsanträge wurden abgelehnt. Der Artikel wurde mit 17 Ja und 14 Enthaltungen genehmigt.
Art. 14 enthält Bestimmungen zu Weiterbildung und Bibliothekswesen und wurde ohne Debatte genehmigt, ebenso Art. 15 zu den Radwegen, Art. 15-bis zu den Gemeindefinanzen, Art. 16 mit Übergangsbestimmungen, Art. 17 mit der Finanzbestimmung und Art. 18 zum Inkrafttreten.
Erklärungen zur Stimmabgabe
Walter Blaas (Freiheitliche) verwies auf den Minderheitenbericht von Kollegin Oberhofer, der die Schwachpunkte im Gesetz offenlege. Mit diesem Gesetz werde man sich noch öfter beschäftigen müssen, Schuler habe bei Gesetzen ein unglückliches Händchen. Die Gemeinden seien in einer schwächeren Position, und innerhalb der Gemeinden die Gemeinderäte und die Opposition. Rat der Gemeinden sei sie nicht vertreten.
Ihre Fraktion sei nicht grundsätzlich gegen die Zusammenlegung der Dienste, erklärte Myriam Atz Tammerle (Süd-Tiroler Freiheit), aber da kein Antrag zur Stärkung der Gemeinden angenommen wurde, werde man dagegen stimmen, vor allem aber wegen der Bevormundung der Gemeinden. Mit Zwang könne man nichts erreiche, wie beim Impfen, man müsse auf Aufklärung setzen statt auf Sanktionen.
Brigitte Foppa (Grüne) bezeichnete das Gesetz als schmalbrüstig, es sei ein kleiner Vorgeschmack auf Kompetenzen. Die Probleme würden bei der Behandlung des Raumordnungsgesetzes wieder sichtbar werden.
Alessandro Urzì (L’Alto Adige nel cuore) begrüßte das Mehr an Verantwortung für die Gemeinden, bemängelte aber, dass der besonderen Situation Bozens nicht Rechnung getragen wurde und dass bestimmte sensible Bereiche, wie etwa ethnische Fragen, nicht von einer Delegierung ausgeschlossen wurden.
Immer wieder seien mehr Befugnisse für die Gemeinden gefordert worden, andererseits wolle Blaas mehr Kontrolle über sie, bemerkte LR Arnold Schuler. Das Gesetz bringe eine wichtige Weichenstellung, in dessen Folge die entscheidenden Dinge getan werden könnten. Es sei der Abschluss eines längeren Prozesses, der mit der Verfassungsreform angefangen habe. Vor allem sei es ein Startschuss für die Reform der Gemeindeverwaltung, die unbedingt nötig sei, da die Probleme immer größer würden, bei der Suche nach Gemeindesekretären, bei der Buchhaltung und in Zukunft vor allem bei der Raumordnung. Die Zusammenlegung von Diensten sei eine wichtige Hilfe.
Der Gesetzentwurf wurde mit 17 Ja, neun Nein und fünf Enthaltungen genehmigt.
Der Landtag tritt am 28. November wieder zusammen.