Von: apa
Papst Leo XIV. hat am Beginn des zweiten Tags seiner Nahost-Reise den in der Türkei lebenden katholischen Geistlichen, Ordensleuten und pastoralen Mitarbeitern Mut gemacht. In einer Ansprache in der kleinen katholischen Kathedrale von Istanbul erinnerte er am Freitag an die “bedeutende byzantinische Vergangenheit, den missionarischen Schwung der Kirche von Konstantinopel und die Ausbreitung des Christentums im ganzen Morgenland.”
Der Papst sprach auf Englisch im Rahmen eines in mehreren Sprachen gefeierten Wortgottesdienstes. Er erinnerte daran, dass in der Türkei noch heute Armenier, Syrer, Chaldäer, Katholiken und die griechisch-orthodoxen Gläubigen des Patriarchats von Konstantinopel lebten. Die heutigen Christen hier seien “berufen, die Saat des Glaubens zu hegen”. Geschichte sei mehr als eine Erinnerung an eine glorreiche Vergangenheit. Die kleiner gewordenen Kirchen in der Region sollten heute entdecken, dass Gott den “Weg der Niedrigkeit” gewählt habe, so der Papst.
Kleinsein als Stärke der Kirche
Die wahre Stärke der Kirche beruhe “weder auf ihren Ressourcen und Strukturen, noch ergeben sich die Früchte ihrer Sendung aus der Zustimmung einer großen Zahl von Menschen, aus wirtschaftlicher Macht oder gesellschaftlicher Bedeutung”, sagte der Papst den türkischen Christen, aber auch jenen in christlich geprägten Ländern. Kirche solle sich also auf die Verheißung Jesu verlassen, der sagte: “Fürchte dich nicht, du kleine Herde! Denn euer Vater hat beschlossen, euch das Reich zu geben.” Die Kirche in der Türkei sei, so Leo XIV., eine kleine Gemeinschaft, die “als Samenkorn und Sauerteig des Reiches Gottes fruchtbar bleibt”.
Als meistversprechende Zeichen bezeichnete der Papst die “vielen jungen Menschen, die an die Türen der katholischen Kirche klopfen und ihre Fragen und Sorgen mitbringen”. Die Seelsorger sollten “den jungen Menschen zuhören und sie begleiten” und sich um das kümmern, wozu die Kirche in der Türkei besonders gefordert sei: den ökumenischen und interreligiösen Dialog, die Weitergabe des Glaubens sowie die Flüchtlings- und Migrantenseelsorge. Ausdrücklich dankte Leo XIV. den kirchlichen Hilfsorganisationen wie Caritas und Kirche in Not für ihre Solidarität mit den Opfern des Erdbebens von 2023.
Nur 33.000 Katholiken in der Türkei
In der Türkei leben laut Angaben des Vatikans 33.000 Katholiken; weniger als 0,1 Prozent der Bevölkerung. In der Seelsorge sind demnach 76 Priester und 37 Ordensfrauen aktiv. Diese betreiben 13 Kindergärten und Volksschulen sowie je fünf Seniorenheime und Krankenhäuser. In Istanbul gibt es mit der vom Lazaristen Alexander Jernej geleiteten österreichischen St.-Georgs-Gemeinde – zu ihr gehört auch das von der Republik Österreich als Auslandsschule geförderte St. Georgs-Kolleg – und der deutschen Gemeinde St. Paul zwei Kirchengemeinden für die rund 1.000 deutschsprachigen Katholiken in der Bosporus-Metropole.
Christliches Istanbul
Istanbul ist heute vom Islam geprägt, doch finden sich überall Zeugen uralter christlicher Tradition. Im früheren Konstantinopel fanden frühchristliche Konzile statt und wurden Schismen besiegelt. Die Hagia Sophia war über ein Jahrtausend lang die bedeutendster Kirche des Christentums. Obwohl die Stadt schon im Jahr 1453 von den Osmanen eingenommen wurde, stellten Christen noch bis ins 20. Jahrhundert eine bedeutende Minderheit von etwa 30 Prozent der Bevölkerung in der heutigen Türkei. In Istanbul lebten sogar mehrheitlich Nicht-Muslime. Durch das Armenier-Massaker während des Ersten Weltkriegs und den griechisch-türkischen Bevölkerungsaustausch in den 1920er Jahren sank ihre Zahl auf landesweit nur noch rund 100.000 Personen.
Noch rund 150 christliche Kirchen
Dennoch gibt es im Stadtgebiet von Istanbul neben etwa 2.000 Moscheen, darunter viele umgewidmete Kirchen, bis heute rund 150 christliche Gotteshäuser: armenische, griechisch-orthodoxe, katholische, syrische, anglikanische und evangelische. Die italienische Nationalkirche Sant’Antonio, die größte katholische Kirche der Stadt an der Flaniermeile Istiklal Caddesi im Stadtteil Galata, wurde 1908 vom Sultan genehmigt.
Ökumenische Gedenkfeier im historischen Nizäa
Nach seinem Besuch in Istanbul wollte Leo XIV. gemeinsam mit Patriarchen und Bischöfen anderer Kirchen in der Kleinstadt Iznik die Einheit des christlichen Glaubens wiederbeleben. Bei einer Gedenkfeier an das Konzil von Nizäa, das dort vor 1700 Jahren stattfand, ist ein gemeinsames Gebetstreffen mehrerer Konfessionen geplant. Für Samstag steht dann im rund 140 Kilometer entfernten Istanbul die Unterzeichnung einer gemeinsamen Erklärung östlicher und westlicher Kirchenführer auf dem Programm. Die christlichen Kirchen hatten sich in den vergangenen Jahrhunderten immer wieder gespalten und wechselseitig bekämpft. Vor allem zwischen den orthodoxen Kirchen und der katholischen Kirche gibt es seit etwa 60 Jahren eine deutliche Annäherung. Die Einladung zu den Kirchentreffen in Iznik und in Istanbul hatte das orthodoxe Ehrenoberhaupt, Patriarch Bartholomaios I., ausgesprochen.




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